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Redakteure und Autoren

…und dann war der Beitrag plötzlich weg. Der Pressesprecher der SAZ hatte zwei Tage zuvor anlässlich der Bekanntgabe der Nominierungslisten zum Spiel des Jahres im Namen der SAZ ein Posting abgesetzt, dessen Formulierungen bestenfalls als „äußerst unglücklich“ zu bezeichnen sind. Nach viel Gegenwind -auch aus den eigenen Reihen – wurde das Posting entfernt und es verblieb eine „Gelöscht“-Meldung.

Worum ging es? Ganz im Kern ging es um die Frage: Sollten/Dürfen Redakteure auch als Autor tätig werden?

Warum eigentlich nicht?

In dem SAZ-Posting wurde die Möglichkeit angesprochen, dass der Redakteur sich von den Prototypen inspirieren lassen könnte und dort Inspirationen für seine eigenen Prototypen sammeln könnte. Ist das ein Problem? Immerhin lässt man sich ja auch so von anderen Spielen inspirieren. Hier hätte wir es aber mit unveröffentlichen Spielen zu tun, da ist eine Inspiration intransparenter. Angenommen ein Redakteur sieht in einem Prototypen eine elegante Lösung (oder ein passendes Thema oder einen passenden Titel) für ein eigenes Spiel. Das Nutzen dieser Idee (insbesondere wenn der andere Titel nicht veröffentlicht wird) ist dann durchaus etwas kritisch zu sehen. Ein Redakteur sollte die beiden Rollen klar trennen können.

Aber das ist in meinen Augen gar nicht das eigentliche Problem. Das Problem (und das SAZ-Posting hat zu dieser Problematik eher beigetragen) ist eben dass der Verdacht besteht, dass so etwas passiert sein könnte. Die Angst vor Ideendiebstahl ist gerade unter Jungautoren verbreitet, der Vorwurf des Plagiats ist schnell zu hand, wenn ein Abgewiesener ein Spiel mit ähnlichen Mechanismus/Thema ausgerechnet von dem Autoren erscheint, der den eigenen Prototypen abgelehnt hat. Und „ähnlich“ ist schnell ein dehnbarer Begriff: Ist vielleicht ein Mechanismus gleich? Klingt das Spiel ähnlich? Ein Verdacht ist schnell ausgesprochen und den wird man nur schwer wieder los. Wenn ein Redakteur gar keine Spiele erfindet, ist diese Gefahr vielleicht nicht gebannt, aber zumindest kleiner.

Oder?

Es gibt zahlreiche Redakteure die als Autoren arbeiten – eigentlich so alles Kleinverlagsredakteure – und auch Graphiker arbeiten an unveröffentlichten Spielen (und auch durchaus mal an Spielen, die doch nicht veröffentlicht werden). Je kleiner der Verlag desto mehr Doppelrollen gibt es. Und doch sind mir keine Fälle bekannt, wo eine solche Doppelrolle tatsächlich ein Problem gewesen wäre. Im Gegenteil -Klaus Teuber hat z.B. für seine TM-Zeit eher Lob als Kritik bekommen, ähnliches lässt sich über Bernd Brunnhofer sagen. Oben stehende Vorwürfe lassen sich durchaus auch mit viel Transparenz lösen. Redakteure sind letztlich Partner der Autoren, nicht deren Gegner.Und manchmal sind sie auch beides – es gibt Spiele, die in einer Redaktion entwickelt werden (insbesondere Lizenzprodukte)

Ich kann verstehen, wenn größere Verlage wie. z.B. Schmidt Spiele von ihren Redakteuren verlangen, dass sie ihre Autorenschaft ruhen lassen. Aber die tun das eben, um sich nicht angreifbar zu machen. Vor Ideendiebstahl hat da niemand angst. Dies ist aber eher ein Problem der Aufklärung und da hat der Pressesprecher sicher eher geschadet als genutzt.

ciao

peer

Peer Sylvester
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14 Kommentare

  • Ich halte die Autoren-Lektoren-Personalunion für problematisch, nicht nur, weil man sich schnell inspirieren lassen kann, sondern, weil jeder gute Autor einen eigenen Stil hat und daher weitaus weniger offen sein kann für Sachen außerhalb seines Sprektrums.
    Das Kopieren muss ja nicht bewusst geschehen, es kann auch unbewusst passieren, es muss keine böse Absicht dahinter stecken, aber ärgerlich ist es schon.

  • Ehrlich gesagt klingt das mit „jeder hat einen eigenen Stil“ eher wie ein Argument, dass die Sache nicht so dramatisch sein kann.
    Außerdem: Was genau ist jetzt schlimm daran, dass ich mich inspirieren lasse? Inspierieren heißt ja nun nicht kopieren und schon gar nicht plagiieren. Ist natürlich ne Frage wieweit das inspirieren geht, aber oft sind Mechanismen die in einem ganz anderen Kontext eingebaut werden, ja wieder was Neues. Und wenn das auch noch unbewusst geschieht, kann in der Praxis am Ende in den meisten Fällen oft gar kein Bezug zur Inspirationsquelle mehr hergestellt werden. Nicht selten sind da Parallelentwicklungen wahrscheinlicher.
    Drittens hängt das mit der Personalunion sehr vom Einzelfall ab. Ist es in der Praxis wirklich ein Problem wenn der Redakteur des Kleinverlags X auch Spiele macht? Die Frage da sollte sein, wie viele Prototypen er tatsächlich bearbeitet. So pauschal eine Personalunion abzulehnen geht an der Wirklichkeit der Vielspielerszene vorbei.

  • Wenn es dazu führt, dass Autor A mit seiner Version bei einem anderen Verlag nicht mehr durchkommt mit dem Verweis darauf, dass es ein ähnliches Spiel bereits schon gibt, ist es durchaus schädlich und sehr ärgerlich, egal ob es ein Plagiat ist oder nicht.

  • Das ist ärgerlich, aber sehr theoretisch. Ehrlich gesagt ist mir kein Fall bekannt, wo so etwas passiert wäre. Der Redakteur hätte sein Spiel ja schneller fertigstellen und produzieren müssen, bevor der andere sein Spiel beim fraglichen Verlag untergebracht hätte – und das Spiel hätte bereits sehr etabliert sein müssen. Alles sehr unwahrscheinlich.
    Letztlich ist mir überhaupt kein Fall bekannt, wo einem Redakteur-Autor überhaupt irgendetwas derartiges vorgeworfen wurde (sei es auch nur wage). Insofern halte ich diese „Gefahr“ für eine eingebildete Bedrohung.
    Man muss auch wissen wogegen man ist: Keine Redakteure/Autoren in Personalunion heißt auch: Kein Lookout, kein Histogame, kein Bewitschen, kein Bambus… Mit anderen Worten: Eigenverlage sollten keine Spiele mehr von anderen machen, denn dann werden sie ja zum Redakteur! Und was ist mit Verlagen, die aus Kleinverlagen erwachsen sind, wie z.B. eggertspiele? Da wird sehr viel Kind mit sehr wenig Badewasser ausgeschüttet.

  • Ich war ja einer der (lauteste) Hauptkritiker des SAZ-Postings. Ob so eine Personalunion problematisch ist, muss im Einzelfall bewertet werden. Wenn dies manchen Autoren Unbehagen bereitet, muss man schon darüber diskutieren. Wenn es konkreten Plagiats-Verdacht gibt, muss man aufklären. Ich glaube, darüber braucht man nicht zu diskutieren. In der Realität scheint dies aber sehr selten aufzutreten … das sahen eigentlich auch alle bei der facebook Diskussion so.
    Ich hatte aber ein großes Problem mit der Pauschal-Verurteilung und der grenzwertigen Formulierung. Ich hatte aber den Eindruck, das hat die SAZ auch sofort eingesehen. Im Grunde war es ja ein Einzelpostig, das daneben gegangen ist. Das blöde war halt, dass es im Namen der SAZ getätigt wurde …

  • Die Formulierung war komplett daneben und Bernd Weber schien auch nicht zu wissen, dass durch Brian Yus Hände überhaupt keine Prototypen gehen. Aber ich denke mir, dass der eigentliche Punkt durchaus nicht uninteressant ist – deswegen habe ich mich hier auch versucht auf diesen Kern zu konzentrieren.

  • Oh, der eigentliche Punkt ist sehr spannend (und auch typisch für die Branche), weil alles eben sehr eng und kompakt ist. Redakteuere machen Spiele (Brunnhofer), Illustratoren machen Spiele (Menzel), Autoren arbeiten auch als Redakteuere (Rosenberg), Kritiker werden Redakteure (Bruhn), Kritiker sind Autoren (Sylvester), Grafiker sind Kritiker (Tisch) … ich glaub man findet alle „Mutationen“ und überraschend viele Beispiele.
    Ob ein Redakteur mehr unveröffentlichte Protos sieht, oder ein engagierter Autor … auch da bin ich mir nicht sicher.
    Ich bin überzeugt, dass der verantwortungsvolle und offene Umgang damit, eine unglaubliche Bereicherung ist.

  • Ich denke auch, dass das Haupt Problem der Verdacht auf einen Missbrauch ist. Man legt als Autor alles über sein Spiel offen und kann nur hoffen, dass seine Arbeit verantwortungsvoll bearbeitet wird.

    Als Autor hat man ja eigentlich keinen wirklichen Schutz, selbst wenn man das Spiel z.B. im Spiele Archive Nürnberg hinterlegt hat. Wenn es zu einem Streitfall kommt, kann man nur verlieren.

    Gerade im Vergleich zu Industrie merke ich wie Eigenartig die Spielebranche ist. Meine Erfahrungen bei Airbus oder Bosch sind, dass niemals jemand seine guten Ideen und Entwicklungsergebnisse so ungeschützt teilen würde. Zuerst Patentieren, dann darüber reden. Zusätzlich hat man durch die Patentabteilung auch noch viel bessere Chancen seinen Patenteinspruch im Streitfall durchzusetzen.

    Als Autor hat man leider nur das Vertrauen und wenn der Redaktor selbst Spiele veröffentlich hat das schon einen leichten Beigeschmack. Allerdings hab ich auch kaum ein Gefühl wie viele gute Ideen, Konzepte und Designs ein Redaktor so vorgelegt bekommt. Wenn ich Ideen und Anregungen auf Boardgamegeek oder bei anderen Spielen für meine Spielekonzepte gesucht habe, war die Suche nahezu immer Ernüchternd.

  • Absichtlich wird es niemand machen, eher unbewusst, darin liegt die Gefahr. Bei den meisten Ideen ist eher die Gefahr, dass sie zu weit weg vom Radar sind, dass man ihren Erfolg nicht erkennt, weil je unvertrauter eine Idee, umso eher lehnt man sie ab.

  • Autoren testen doch auch viel mit anderen Autoren. Hier besteht theoretisch noch viel mehr Potenzial, dass die eigene Idee später an anderer Stelle wieder auftaucht, denke ich. Und trotzdem hat kaum ein Autor Angst davor, sein Spiel anderen Autoren zu zeigen. Weshalb sollte er dann Angst davor haben, es Redakteuren zu zeigen?

  • Wenn Autoren mit anderen Autoren Prototypen testen, dann doch dort, wo man sich persönlich kennt und Vertrauen aufgebaut hat. Zudem beruht es i.d.R. auf Gegenseitigkeit und ist überschaubar.

    Beim Redakteur ist es eine geschäftliche Beziehung. Ich weiß jetzt nicht, wie das bei Pegasus ist, aber es gibt durchaus Verlage, bei denen die Redakteure pro Jahr mehr als eine Handvoll Prototypen auf den Tisch kriegen. :) Das ist schon rein mengenmäßig nicht so überschaubar wie die Zusammenarbeit unter Autoren.

    In jedem Fall eine strikte Trennung von Redakteurs- und Autorentätigkeit zu fordern, halte ich auch für übertrieben. Aber je größer ein Verlag wird, desto mehr Schwierigkeiten können entstehen. Ein Punkt ist z.B., dass der Autoren-Redakteur mit darüber entscheidet, was mit dem Spiel seines Konkurrenten passiert (das ist beim Testen unter Autoren nicht der Fall). Es kann schon blöd aussehen, wenn ein Spiel abgelehnt wird und stattdessen ein Spiel des Redakteurs veröffentlicht wird, das die gleiche Zielgruppe bedient (auch wenn die Spielmechanik eine andere ist).

    Und wenn ein Verlag ein ähnliches Spiel in der Mache hat, wie das vom Autor vorgestellte, wie soll er damit umgehen? Dem Autor das mitteilen und damit u.U. Geschäftsgeheimnisse verraten oder gar das noch unveröffentlichte Spiel des Autors zeigen?

    Wenn dem Redakteur solche Problematiken zumindest bewusst sind, kann er einfacher damit umgehen. Eine sichere Möglichkeit ist, dass der Verlag dem Redakteur die Autorentätigkeit untersagt, um Missverständnisse und Konkurrenzsituationen im eigenen Verlag oder gar Veröffentlichungen im Konkurrenzverlag zu vermeiden.

    Dennoch muss man einem Redakteur, der gleichzeitig Autor ist, nicht pauschal Unseriösität unterstellen oder – wie der SAZ-Pressesprecher es getan hat – den Autorenstatus aberkennen und sich über die Berücksichtigung eines von einem Redakteur entwickelten Spiels durch die Jury aufzuregen (und von der weiteren Auszeichnung abraten). Zumal der Pressesprecher selber in einer ‚Autoren-Redaktion‘ tätig war:

    „Wir Vier sind alle auch als Spieleautoren erfahren, entwickeln eigene und gemeinsame Projekte und arbeiten in Kooperation mit anderen Autoren.
    Als Redaktion wollen wir neue Wege beschreiten, um uns weiterhin für den Erfolg interessanter Spieleprojekte stark zu machen. Dabei sind wir auch offen für Impulse von außen.“ (Selbstdarstellung Team Annaberg http://www.team-annaberg.de/ )

    Ein eklatanter Fall von Doppelmoral wird die ganze Sache jedoch dadurch, dass die SAZ keine Probleme damit hat, wenn Verleger (von Spielen anderer Autoren) Interessenvertreter der Autoren sind.

    Das Prinzip der Gegnerfreiheit, eine Grundbedingung für gewerkschaftliche Organisation, gilt in der SAZ definitiv nicht:
    „Gegnerfreiheit ist eine nach höchstrichterlicher Rechtsprechung[1] notwendige Eigenschaft einer Gewerkschaft. Gegnerfrei ist eine Organisation dann, wenn keine finanzielle oder personelle (z. B. durch Mitgliedschaft von Arbeitgebern) Abhängigkeit von sozialen Gegenspielern (Unternehmen, Arbeitgeber) besteht.“
    http://de.wikipedia.org/wiki/Gegnerfreiheit

    In der SAZ sind nicht nur Verleger und Redakteure Mitglied, sondern können auch problemlos wichtige Funktionen übernehmen. Harald Mücke (SAZ-Vorsitzender 2011-2013) war nicht nur Verleger, sondern zusammen mit zwei ehemaligen zweiten Vorsitzenden, Gründer von, FAIRLAG einer „Reihe unabhängiger Spieleverlage“: „Die Initiative FAIRlag erkennt auch die „Spieleautorenzunft“ (SAZ) mit über 400 Mitgliedern als rechtmäßige Vertretung der Autoren an“. (Selbstdarstellung https://www.facebook.com/InitiativeFaiRlag/info )

    Vor solch einem Hintergrund ist die Empörung des SAZ-Pressprechers über Doppelfunktion als Autor und Redakteur beim Entwickeln von Spielen einfach nur ein Witz.

  • „Wenn Autoren mit anderen Autoren Prototypen testen, dann doch dort, wo man sich persönlich kennt und Vertrauen aufgebaut hat.“

    Meistens schon. Aber zum Beispiel in Göttingen und Haar spielen viele Autoren mit ihnen bisher unbekannten anderen Autoren. Darauf wollte ich mit meinem Kommentar hinaus.

  • Wenn man die Spiele öffentlich vorstellt, dann handelt es sich um Veröffentlichungen (wenn auch nicht um erschienene Werke). Es wäre nicht unbedingt kollegial aber auch nicht wirklich unmoralisch, wenn sich jemand aufgrund einer solchen Vorstellung zu einem eigenen Spiel inspirieren ließe (sofern es sich ausreichend von der Vorlage unterscheidet). Etwas qualitativ anderes ist es aber, wenn man sich von Spielen inspirieren lässt, die einem intern vorgestellt werden, man also die vertraulich übermittelten Informationen des Autors für ein Konkurrenzprodukt verwendet.

    In der Praxis sehe ich das nicht als ein großes Problem an, aber ich sehe eben den Unterschied. Es geht weniger um Urheberrecht im engeren Sinn, sondern generell um die Nutzung von vertraulichen Informationen, die man für einen bestimmten Zweck erhält. Das ist oft schlicht eine Frage von Fingerspitzengefühl.

    Gleichzeitig hauptberuflicher Autor und hauptberuflicher Redakteur zu sein, halte ich für eine schlechte Kombi. Ein Autor, der hin und wieder mal einen Verlag bei der Umsetzung eines Spiels unterstützt, oder ein Redakteur, der hin und wieder mal ein Spiel entwickelt, sehe ich da als weit weniger problematisch an.

    Die Übergänge sind allerdings fließend. Von daher gibt es auch keine so scharfe Trennung zwischen Verleger und Autoren. Da lügt sich die SAZ mit ihrer Forderung nach Anerkennung als gewerkschaftsähnlicher Verhandlungspartner in die Tasche; ein Vorstandsmitglied leugnet ziemlich dreist offenkundige Tatsachen hinsichtlich personellen Verflechtungen: http://irights.info/artikel/gregor-theado-urheberrecht-muss-fuer-spiele-autoren-nicht-veraendert-werden/22643 (siehe Kommentar von CB).

    Es gibt eben nicht einfach nur hier die Autoren und dort die Verleger, sondern – in Fragen von Urheberrecht (und teilweise auch Vertragsbedingungen) – mehr oder weniger Unsicherheit, aber auch echtes Engagement auf beiden Seiten. Meinungsunterschiede resultieren weniger aus der formalen Rolle (ob Autor oder Verleger) sondern eher daraus, wie man sich inhaltlich mit dem Thema beschäftigt. Wenn man das schon unter Klassenkampf-Aspekten beurteilen will, dann kann man auch Autoren, Verleger, Händler und Konsumenten auf der einen Seite sehen und chinesische und andere Arbeiter auf der anderen.