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Germanys next Topgame

Die Jury zieht sich dieses Wochenende wieder in die Katakomben des Kölner Doms zurück, um über ein paar Fass Wein ihre Lieblingsspiele auszuwürfeln. Wenn dann nach langer Meditation am Montag eine Liste mit nominierten Spielen erscheint ist ganz Deutschland geschockt – ausser meinen Lesern, die hier schon vorab meine garantiert todsicheren Tipps zur Kentniss genommen haben. Oder ähnlich anders.

Beginnen wir mit dem Hauptpreis:

Mein offensichtlichster Kandidat ist Splendor. Das Spiel erfüllt die wichtigsten Kriterien eines SdJs: Es ist einfach, zugänglich, innteraktiv und macht (imho) Vielspielern wie Wenigspielern gleichermaßen Spaß. Die Spieldauer ist kurz genug, um mehrere Partien hintereinander spielen zu können und lang genug, dass man das nicht muss. Hinzu kommt noch dass zumindest zwei Jurymitglieder (Trictrac-Guido und Udo Bartsch) öffentlich bekundet haben, dass ihnen das Spiel gefällt (ist ja praktisch, wenn die Juryleute im Internet schreiben. Und dann noch auf von mir präferierten Webseiten!) Das einzige was eventuell gegen das Spiel spricht, ist dass es nicht fürchterlich innovativ ist. Wie ein Mitspieler meinte, hätte Splendor auch gut von Sid Sackson stammen können. Aber es muss ja nicht immer etwas völlig neues sein, wenn das Gesamtpaket stimmt.

Damit wären wir bei Love Letter. Das hätte die erwähnte Originlität und zweifelsohne auch die Qualität (ich habe ihm damals den Sylvester in Bronze verliehen). Es ist auch leicht zugänglich. Aber ich habe dennoch leise Zweifel: Zum einen ist es recht kurz und ich habe nicht selten erlebt, dass, wenn die erste Runde schräg läuft, es keinen Bedarf an weiteren Runden gibt. Den zweiten Punkt hatte ich schon bei A La Carte angemerkt: Zumindest ein Teilreiz ergibt sich daher, dass Love Letter so anders ist, als das, was man sonst spielt. Daraus, dass es eine Alternative ist. Als Hauptgang für Nichtspieler sehe ich es aber nicht unbedingt, denn -abgesehen von der Spieldauer – dort ist es keine Alternative mehr, sondern Hauptprogramm. Dieser Unterschied fällt weg.

Eine Alternative wäre Abluxxen. Das spielt sich zwar eher klassischer, ist aber durchaus originell, leicht zugänglich und die Rezensenten finden ziemlich einhelliges Lob. Andererseits spielt es sich eben irgendwo wie ein klassisches Kartenspiel und ob die Jury das dann auszeichnet? Gönnen würde ich es dem Spiel, aber Zweifel habe ich dennoch.

Als großes Brettspiel kämen Sanssouci oder Camel Up in Frage. Ich tendiere zu ersterem. Einmal, weil ich selber deutlich lieber Spiele (Rezi folgt sicherlich auch irgendwann), aber auch weil es origineller ist. Camel Up erinnert mich doch sehr stark an Favoriten (mit einer Prise  Rüsselbande). Nun ist Favoriten 20 Jahre alt und nicht so bekannt, insofern würde eine Nominierung irgendwo in Ordnung gehen (zumal Camel Up ja durchaus eigenständig ist), aber ich persönlich fände dass ein klassisches Wettspiel das Kulturgut Spiel jetzt nicht so viel weiterbringt. Das ist aber zugegeben mehr Bauchgefühl als ein Argument. Sanssouci hat allerdings den Nachteil, dass der Kernmechanismus recht asbtrakt ist und eventuell abschrecken könnte.

Nun, mein Tipp ist: Love Letter, Splendor und Sanssouci mit Abluxxen als „Austauschspiel“ für eines der dreien.  Camel Up rechne ich Außenseiterchancen aus.

Kurz noch etwas zu drei Spielen, die auch gerne genannt werden, die ich aber nicht wirklich auf der Nominierungsliste sehe:

Port Royal hätte in einem anderen Jahr vielleicht Außenseiterchancen gehabt (nettes Spiel, netter Mechansmus, Einsteiger- und Familienfreundlich), aber es sind schon drei Kartenspiele (wenn man Splendor da mitzählt) im engeren Kreis und da halte ich für ein weiteres für illusorisch.

Concept wäre eine interessante Nominierung, aber das Spielprinzip ist doch eher als gemeinsames Puzzle gedacht, denn als Spiel (glaube ich jedenfalls, ich habs noch nicht gespielt). Ich kann mir da eher einen Sonderpreis vorstellen. Udo Bartsch schrieb zudem von sehr unterschiedlichen Erfahrungen in seinen Runden, da wäre ein Hauptpreis sehr riskant.

Trains würde ich zwar persönlich gerne sehen, da ich es sehr gut finde, aber ich denke die Assoziation mit Dominion ist zu hoch für einen Platz unter den erlesenen Drei.

Eigentlich sieht die Lage beim Kennerspielpreis sehr viel übersichtlicher aus… wenn nicht die üblichen Fragezeichen wären: Ist Russian Railroads schon zu komplex? Findet man Glück auf vielleicht doch beim Hauptpreis? Das es auch im Jahre 4 nicht immer wirklich klar ist, was denn nun zum Kennerspiel gehört und was nicht, sagt mehr über den Preis aus, als der eigentliche Preisträger. Doch das nur nebenbei.

Zwei meiner drei Kandidaten habe ich schon genannt: An Russian Railroads Nominierung führt kein Weg vorbei – wenn es nicht zu komplex ist (ich denke nicht). Zu Gut die Kritiken, zu viel Wiederspielreiz, bei hervorragender redaktioneller Bearbeitung.

Glück Auf! ist zugänglicher, denn der Kernmechanismus ist leicht. Es ist ein absolut sauber durchkonstruiertes Spiel, dass in meinen Augen genau den Bereich abdeckt, den die Jury mit dem Kennerspiel abdecken will: Ein „modernes“ Spiel, aber ohne allzu viel Siegpunkttüddelüt.Allenfalls etwas zu sauber und herkömmlich.

Istanbul ist der dritte im Bunde. Ich habe es jetzt gerade erstmals gespielt und ich denke es ist ein wirklich gutes „Finde den besten Weg“-Puzzle, dass sich flott spielt. Vom Anspruch her dürfte es genau im Kennerspielbereich liegen: Einfacher Grundmechanismus vom Komplexitätsgrad her dem eines mittleren SdJs wie Elfenland entsprechend. Aber viele Wechselwirkungen durch Karten- und Gebäudeeffekte (selbst wir hatten 1-2 Unsicherheiten bei der Regel).

Ich bin mir einigermaßen sicher bei den Dreien, aber sollte ich mich irren (am wahrscheinlichsten vielleicht bei Glück auf), dann tippe ich auf Lewis & Clarke, ganz einfach basierend auf allen Rezensionen, die ich gelesen habe (Noch ein Spiel, dass ich nicht aus erster Hand kenne).

Keine Chancen räume ich Helios und Bora Bora ein, denn bislang hat die Jury immer eine gewisse Abneigung gegen „SP-Salate“ gezeigt. Das würde zwar genau genommen auf Russian Railroads zutreffen, aber das kam deutlich besser an, als die letztgenannten.

Naja, wir werden sehen…

ciao

peer

Interessanterweise entsprichen meine Tipps ziemlich genau dem Spielbox-Toto. Das habe ich aber erst gelesen, nachdme ich die oberen Zeilen verfasst habe… Ich denke das liegt schlicht an der überschaubaren Anzahl passender Titel.
 

 

Peer Sylvester
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1 Kommentar

  • Immer wieder schoen, deine Seite zu lesen. Aber Peer bitte sag deinem Mitspieler , dass der gute Sid zwar auch repetative Spiele geschaffen hat (wie Die 1. Million) aber die meisten seiner Spiele mir immer noch deutlich besser gefallen als dieses Einfallslose Splendor (BTW Ich habe erst kuerzlich von einem meiner Mitspieler gehoert, dass Lewis + Clark doch eigentlch auch nur Bazaar ist).
    Und Camel Up darf schon SDJ werden, wobei es mich noch mehr an das noch aeltere AUSBRECHER AG erinnert, da es einfach, kurz und trotzdem nicht zu banal ist und eine tolle Grafik hat