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Und täglich grüßt der Spielreiz

Ich hatte mich vor ein paar Jahren über Sherlock Holmes Criminal-Cabinet aufgeregt. Das Spiel hat etwas was ihm in meinen Augen das Recht auf den Titel nimmt und das ist die Wiederspielbarkeit. Jedes der Abenteuer konnte nur einmal gespielt werden und dann kannte man die Lösung. Ich muss natürlich zugeben das ich damals noch nicht der Spieler war der ich heute bin und nicht genau weiß wie schlecht die Spiele damals waren, als die Jury dieses Spiel wählte (Kuhhandel auf Platz 2). Aber die Qualität der Spiele damals war bei weitem nicht so hoch wie die heutige. Und würde das Spiel heute wieder erscheinen, dann könnte es wieder einen Preis gewinne, wie es das in Frankreich vor zwei Jahren auch getan hat.

Etwas was die Spieler immer wieder fordern ist das Spiel immer und immer wieder auf den Tisch kommen zu lassen. Es wird darüber diskutiert, ob Russian Railroads noch Spielreiz bietet und wie sehr Variabilität das Spiel abwechslungsreich gestaltet. Und dabei gibt es einige die genau diese zwei Dinge verwechseln. Leider wird von vielen angenommen das eine hohe Variabilität dafür sorgt die Spieler diese alle mal ausprobieren wollen. Gerade auf Kickstarter stoße ich immer wieder auf Spiele wo neben dem vielbeschworenen „Dieses Spiel macht echt Spaß“ neuerdings das Mantra „Hoher Wiederspielreiz“ vorgebetet wird.

Lasst uns die Begriffe definieren:

Die Variabilität sorgt dafür das jedes Spiel nicht identisch ist und daher andere Vorraussetzungen und Herausforderungen für die Spieler ergeben. Dies können die Karten in Brügge, die Verteilung der Orte in Istanbul, die Völker in Terra Mystica oder auch die Monumente in Tzolk’in sein. Oder ganz profan die Reihenfolge in der die Plättchen bei Carcassonne gezogene werden oder die Würfel bei Siedler von Catan geworfen werden.

Der Wiederspielreiz ist der Reiz ein Spiel nochmal zu spielen. Ein Reiz andere Strategien zu finden oder zu sehen ob dieses oder jenes besser funktioniert. Oder auch einfach nochmals dieses tolle Erlebnis zu haben auch, wenn es dieselbe Strategie voraussetzt. Das Spiel muss dafür ein hohes Erlebnis bieten. Die Spieler müssen davon noch öfter erzählen wollen. Das kann auch bei Spielen funktionieren, die keine Abwechslung bieten.

Beides zusammen kann eine Menge ausmachen, aber das sich beide automatisch bedingen ist nicht gegeben.

Der Reiz hat zwei große Gegner.

Da wären initial langweilige oder anstrengende Spiele, also Spiele die man kein zweites mal auf dem Tisch haben will. Diese Spiele können tatsächlich gut sein, aber dieser Reiz entfaltet sich erst nach mehr als einer Runde. Kingdom Builder hat bei den meisten nach einer Partie ein Kopfschütteln ergeben, aber nach drei Partien hat es Klick gemacht und das Spiel hat einen hohen Reiz ausgelöst. Solche Spiele stehen sich leider selbst im Weg und haben einen schweren Stand in unserer heutigen Welt. Einzig die Jury hält ihnen die Treue, denn sie müssen die Spiele schon öfters spielen.

Der zweite große Gegner ist die Vielfalt im Markt. Ich muss kein Spiel mehr ein zweites Mal testen, denn das nächste Spiel steht schon in den Startlöchern. Und viele Spiele mögen super sein und einen tollen Eindruck hinterlassen, aber der Reiz es nochmals zu spielen ist leider geringer als das nächste Spiel von dem alle reden auf den Tisch zu packen. Und damit hat das Spiel einen sehr geringen Wiederspielreiz. Hoch ist er erst, wenn es gegen andere Neuheiten bestehen kann.

Den höchsten Spielreiz hat derzeit bei uns Abluxxen. Wir könnten es täglich spielen, und die anderen Spiele im Regal ignorieren inklusive der rund noch 50 un-gespielten Neuheiten. Davor war es Hanabi. Wir haben es so oft gespielt, das wir inzwischen eine dritte Ausgabe haben, weil die ersten zwei schon runtergespielt sind.

Aber auch ein Sherlock Holmes würde ich heute wieder auf den Tisch packen. Als Solospiel hat es heute wieder einen Reiz, denn Solospiele sind derzeit ja ein Hit. Vor allem, wenn es mit ausreichend Erweiterungen versorgt werden würde. Da könnte man locker die einsamen Abende im Hotel wieder auflodern lassen. Und der Reiz kann da locker lange genug tragen. Wenn es durch ist, habe ich ja noch einen Schrank voller Spiele und hatte mal wieder eine gute Zeit.

Matthias Nagy
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1 Kommentar

  • Neben dem Markt und der Qualität ist ein dritter Punkt wichtig: Wie unterschiedlich spielen sich die Partien wirklich? Nur weil andere Karten kommen oder man bei einer anderen Stadt anfängt heißt das noch nicht, dass sich Partien nicht ähneln würden. Ein Beispiel: Tinners Trail hat unterschiedliche „Startaufstellungen“, aber nach ein paar Partien hatte ich dennoch das Gefühl, dass im Prinzip immer dasselbe passiert, dass die Partien sich vom Verlauf her sehr ähneln.
    Anders z.B. Abluxxen oder Euphoria: Bei ersteren muss man (wie bei Skat) immer neu einschätzen, wie man an sein Blatt rangeht und neue Strategien, Vorgehensweisen austesten. Letzteres bietet imho genug Extremstrategien, dass ich immer noch was neues ausprobiere.