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Von einem der auszog Böses zu tun

Gerade habe ich eine Rezension des Spieles Die Akte White Chapel gelesen (interessant, aber die Spieldauer schreckt mich ab). Dabei handelt es sich um ein „Einer gegen Alle“-Spiel: Einer spielt Jack the Ripper, die anderen jagen ihn. Beim Lesen dachte ich: „Wäre es nicht cooler -und realistischer – wenn die Spieler nicht wüssten, wen sie jagen? Wenn Jack im Geheimen agiert?“ Kaum hatte ich das zu Ende gedacht fiel mir ein: Dazu müsste man das Absolvo-Problem lösen.  Und das ist vermutlich die schwierigste Herausforderung, der sich ein Autor stellen kann.

Absolvo war ein Projekt im Spielbox-Autorenforum, das sogar extra für dieses Projekt gegründet wurde. Mittlerweile glaube ich, dass es kaum praktikabel ist, ein Spiel per Forum zu entwickeln. Doch darum geht es nicht. Das Problem war damals folgendes: Wie tue ich Böses, ohne dass es jemand merkt? Oder allgemeiner ausgedrückt: Wie tue ich überhaupt etwas, ohne dass es jemand merkt? In einem Brettspiel ist das nur sehr bedingt möglich, denn es muss sich ja etwas auf dem Brett verändern und daran sehe ich ja schon, dass was passiert ist. Bei Absolvo wurde das Problem noch dadurch verstärkt, dass es eigentlich nur Böses zu tun gab, wer also überhaupt etwas tat, machte sich sofort verdächtig. Folglich kann ein solches Spiel überhaupt nur existieren, wenn ich genug (legalen) Kram tun kann, so dass die bösen Dinge nicht auffallen. Das Problem dabei wiederrum ist, dass alles verdeckt geschehen muss und das ist mit einem großen Verwaltungsaufwand verbunden.

Am ehesten funktioniert das noch als Kartenspiel á la Resistence oder (Kartenspiel sehr großzügig ausgelegt) Battlestar Galactica. Da kann jeder eine Karte verdeckt beigeben, dann wird gemischt und man sieht was getan wurde, aber nicht von wem. Dann allerdings eliminiert man sämtliche Topologie (Wo passierte etwas?) und Begleitumstände (= benötigte Gegenstände). Außerdem ist man bei den möglichen Aktionen sehr eingeschränkt.Spannend, aber wenn man wirklich in einer Stadt agieren möchte und Leute umbringen bzw. Beweise sammeln, ohne dass die Spieler mitbekommen, was von diesen beiden Sachen man tut, reicht das nicht aus: Bei beiden Spielen haben die Abstimmungskarten Auswirkungen auf alle, während man i.A. Aktionen alleine ausführen möchte.

Das Problem ist also folgendes: Man möchte Anreiz haben etwas zu tun, dass die anderen Spieler nicht mitbekommen sollen. Umgekehrt muss es eine Möglichkeit geben irgendwann aus vielen Informationen herausfinden, was getan wurde (damit die anderen den Fall lösen können). Und möglichst sollte auch nachprüfbar sein, dass die Aktionen auch durchgeführt werden konnten (z.B. dass der Mörder auch wirklich am Tatort war). Das ist -wie ich eingangs erwähnte – eines der größten Herausforderungen an einen Autoren. Das erkennt man schon daran, dass Spiele mit einem etsprechenden Hintergrund (wie White Chapel) aber auch Deduktionsspiele wie Cluedo oft sehr ähnlich funktionieren.

Eine Möglichkeit das Problem wäre dass jeder jeden Spielen kann und man nur geheim festlegt, wer „eigentlich“ wer ist. Oder es wird erst im Laufe des Spieles festgelegt, wer wen nimmt (z.B. in dem man jede Runde einen Anteil an eine Figur bekommt). Das verschiebt die Spannung von „Wer wars?“ aber zu „Wer werde ich sein?“ was zwar reizvoll, aber nicht realistisch ist.
Die vielleicht tatsächlich beste Möglichkeit wäre eine elektronische Hilfe: Entweder als App oder was wie die Insel. Letzteres ist kostspielig, ersteres setzt den Besitz eines Smart Phones o.ä. vorraus. Aber immerhin wäre das mal ein sinnvoller Hybrid. Doch wie steht man solchen Lösungen gegenüber?

ciao

peer

Peer Sylvester
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8 Kommentare

  • Spontan würde ich vorschlagen, dass man als Team grundsätzlich gemeinsam umher zieht und dann, wie du schon sagst, verdeckt Karten ausspielt. Die ausgespielten Karten determinieren dann, was tatsächlich getan wird. Das könnte eine „Was denken die guten, was der böse denkt?“ Situation erschaffen. Stell ich mir auch reizvoll vor.

  • Bei „Schatten über Camelot“ kann der Verräter auch böses tun, indem er verdeckt niedrige Karten ablegt, um dadurch eine Queste zu sabotieren. Die Mitspieler wissen nur, wer am „Tatort“ war und deswegen verdächtig ist. Das kommt einem Kriminalfall schon recht nahe.

  • Andreas, ähnlich funktionieren die beiden von mir genannten Spiele – schwierig wirds dann, wenn man sich individuell bewegt.
    Was Schatten über Camelot betrifft, hab ichs leider zu lange nicht mehr gespielt um das konkret zu diskutieren, aber wenn man da tatsächlich woanders Karten abspielt, kommt das dem was ich meine schon sehr nahe.Und ich meine auch nicht, dass es unmöglich ist, ein solches Spiel zu machen – nur halt sehr schwierig ;-)

  • Hatte es auch nicht so verstanden, dass du es für unmöglich hältst ;) Die Spiele kenn ich nicht, waren nur meine Gedanken dazu :)

  • Ich denke, das ist eine schöne Anwendung für Lochkarten und zwar in ganz einfacher Form (also nicht gleich 32 Löcher wie bei i9n).
    Zum Beispiel wurden früher (vielleicht auch noch heute?) gerne Karteikarten, die alle an der gleichen Stelle ein Loch haben, auf einem
    Stab aufeinandergereiht: Da eine Sorte der Karteikarten ein zum Rand offenes Loch hatte purzelten diese Karten alle vom Stab herunter, die anderen
    blieben hängen. Auf diese Weise kannst Du mit einer anonym ausgespielten Karte eine für alle nach außen sichtbare Wirkung erzielen also zum
    Beispiel ein Verbrechen begehen (Karte bleibt hängen), ohne dass zur Überprüfung der Inhalt der Karte (und damit Ihre Identität/ Beweislast)
    betrachtet werden muss.
    Für mehrere verschiedene Eigenschaften verwendest Du verschiedene Lochpositionen.

    Beispielsweise könnten nun Spieler Karten bei möglichen Mordopfern ablegen, die zum Schutz der Person, zur Aufklärung oder
    aber auch zur grausamen Bluttat (diese Karten besitzt /en nur der/die „Ripper“) eingesetzt werden. Man kann nun zu einem
    späteren Zeitpunkt (beispielsweise, wenn eine gewisse Kartenanzahl dort liegt) mit der obigen Methode feststellen, ob ein Verbrechen ausgeübt wurde oder nicht. Die Identität ist später einsehbar
    (durch die Information auf der Karte) wird aber natürlich nicht sofort preisgegeben: Das ist ja Kern des Rätsels.

    Vielleicht könnte man auch mit doppelt verdeckten Identitäten vorgehen: Es gibt Spielfiguren und verschiedene Rollen im Spiel („Ripper“,Detektiv)
    wobei man selbst seine Rolle und seine Spielfigur kennt aber weder die Rolle noch die Spielfiguren der Mitspieler.

  • Ich denke, dass es auch möglich ist, das so einfach hinzubekommen, dass man als Spieler von dieser „Technik“ fast nichts bemerkt also mit fast normalen Karten spielen kann. Gar nicht so einfach stelle ich mir aber auch vor, eine stimungsvolle Hintergrundgeschichte zu basteln.