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Wir brauchen mehr Bierdeckel!

1988 kam es zu der mittlerweile berühmten „Bierdeckel-Proklamation“: In Göttingen schrieb Reinhold Wittig „Ich verpflichte mich kein Spiel an einen Verlag zu geben, der den Namen des Autoren nicht vorne auf der Schachtel nennt“ auf einen Bierdeckel und setzte seinen Namen darunter. Zahlreiche Autoren taten es ihm nach. Wie gesagt: Das war 1988 und die Lage für Autoren dürfte nicht gerade rosig gewesen sein. Es gab nur eine Handvoll Verlage und ein Selbstverlag kam eigentlich (ohne Internet, ohne Ludofakt & co) nicht in Frage. Der Schritt war also durchaus mutig – und erfolgreich, denn heute ist die Nennung der Autoren Standard.

Heute ist die Lage für Autoren eigentlich komfortabler geworden: Es gibt sehr viel mehr Verlage zur Auswahl – wenn man englisch kann, sogar vermutlich mehr als man kennt, Selbstveröffentlichung ist immer noch keine angenehme Sache, aber sehr viel durchführbarer als vor 22 Jahren. Und ein Verlag wie z.B. Alea bietet nicht mehr automatisch höhere Stückzahlen als ein Kleinverlag wie Argentum oder Lookout. Dennoch habe ich das rein subjektive Gefühl – auch angeheizt durch die Diskussion von letzter Woche -dass sich Autoren immer mehr als Bittsteller fühlen, die alles tun müssen, was der Verlag verlangt, nur um den Brosamen der Veröffentlichung aufsammeln zu können (Ich übertreibe, ich weiß). Dem ist nicht so!
Letzte Woche kam der Gedanke an eine „Selbstverpflichtung für Autoren“ auf. Nette Idee, die ich unterstütze – unter der Vorraussetzung, dass es auch eine Selbstverpflichtung für Verlage geben wird. Die beinhaltet dann (alles bezieht sich auf angeforderte Prototypen):

-Nur Prototypen anfordern, die dann auch innerhalb eines halben Jahres zumindest einmal gespielt werden können.
– Wenn dies nicht möglich ist, die ausdrückliche Möglichkeit des Autoren sein Spiel parallel woanders anzubieten.
– Kurze Rückmeldung (muss ja keine ausführliche Analyse sein), warum das Spiel abgelehnt wurde (sollte es soweit kommen)
– Möglichkeit des Autoren sich halbjährlich nachdem Stand seines Protos zu erkundigen.
-Prototypen sachgemäß zu lagern (sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein…sollte man meinen!)

Darüber hinaus hält die neue Spielelandschaft viele Fragen für Autoren und Verlage bereit. Es wäre gut, die einmal bilateral zu diskutieren, so dass beide Seiten eine gewisse Richtschnur haben, was für fair gehalten wird (ähnlich wie mittlerweile Konsens ist, dass die Autorengehälter nicht unter 5% fallen sollten).
Hier einige dieser Punkte:

– Beteiligungen an Videospielversionen / i-apps ?
– Lizenzprodukte und die damit verbundene Minderung des Autorengehalts
– Weiterlizensierung an andere (ausländische) Verlage -Wieviel bekommt wer?
– Partnerschaften von kleinen und großen Verlagen -Was bekommt der Autor, was der kleine Verlag? (Kurze Erläuterung: Es kommt mittlerweile häufiger vor, dass ein Spiel im Kleinverlag erscheint und dann ein größerer Verlag das Spiel lizensieren möchte – Für den Autoren ist das gut, aber wo bleibt der Kleinverlag?)
– Eine faire Agentur: Was sollte/dürfte die nehmen, was sollte vermieden werden? (Ich denke da z.B. dass Einsicht in die von der Agentur geschlossenen Verträge ein Pflichtpunkt sein sollte!)

Ich habe bestimmt noch einige Punkte vergessen – Insbesondere ist aber die Frage, wer und wie in der Lage ist, dies zu diskutieren. Eine Möglichkeit sollte aber gefunden werden – dann haben alle was davon! Autoren sollten sich nicht davor scheuen Forderungen zu stellen – die Verlage können nicht ohne sie. Das bedeutet nicht, dass wir Umnögliches verlangen! Und umgekehrt können natürlich auch Verlage Forderungen stellen – nur sollte es eben einen Konsens geben, was man vom Gegenüber verlangen kann.

Neues vom Rezistapel gibt es auch: Trixkick, Im Wandel der Zeiten: Das Würfelspiel und Saustall warten auf den Leser!

ciao
Peer

Peer Sylvester
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8 Kommentare

  • Gute Stichpunkte, kann man so unterschrieben, aber nicht auf einem Bierdeckel, weil es zum einen an Merz erinnert, zum anderen nicht jeder Alkohol trinkt :). Warum schreibst du das nicht ins Autorenforum, um mehr Öffentlichkeit zu erreichen?

    Alternativ kann man sich auch überlegen, dass die Erfinder die Auslandsrechte, Rechte für bestimmte Medien außerhalb des Brettspiels behalten. Geht das? Natürlich muss man sich dann um die Auslandsrechte selbst kümmern.

    Dass Alea nicht unbedingt mehr Spiele produziert, liegt auch daran, dass sie sich eher an Vielspieler richten.

  • Wenn ich mir Deine Punkte so anschaue, dann stelle ich doch einige Ähnlichkeiten mit den Problemen in Buchverlagen fest. Vielleicht wäre es hilfreich, bezüglich Zweit- und Drittverwertung, Rechteübertragung an Verlage Lizenzen und Vergütungen einmal in die Muster-Autorenverträge zu schauen.

  • Zum Thema Nebenrechte: Aus verständlichen Gründen wollen Verlage meistens das Gesamtpaket, also alle Gebiete, unbefristet und mit sämtlichen Nebenrechten. Nicht nur um der Gewinne willen, sondern auch, weil es einfacher ist. Für Zweit- oder Nebenverwerter ist nämlich der Verlag meist erster Ansprechpartner bzw. er hat sowieso die besseren Kontakte und da kann man leichter verhandeln, wenn man nicht jedesmal beim Autor rückfragen muss.
    Allerdings vergeben die Verlage ja dann auch Unterlizenzen und nicht das Gesamtpaket. Es ist deshalb auch möglich und legitim, als Autor bestimmte Rechte zu behalten. Das macht aber nur Sinn, wenn man in der Lage ist, diese auch zu verwerten. Ein Autor, der gleichzeitig iApp-Programmierer ist, könnte z.B. die iApp-Rechte ausschließen. Umgekehrt sollte jedoch auch der Verlag in der Lage und willens sein, die Nebenrechte zu verwerten. In jedem Fall sollten alle damit verbundenen Fragen halbwegs geklärt sein, also die grundsätzliche Beteiligung von Verlag und Autor bei Vergabe von Unterlizenzen. Vernünftig ist auch die Regelung, dass ein Verlag für zwei Jahre alle Rechte erhält. Nach dieser Zeit können dann bestimmte Rechte (z.B. für ein anderes Lizenzgebiet außerhalb Deutschland) gekündigt werden (wobei der Vertrag ansonsten bestehen bleibt). Bei einer Kündigung erhält der Verlag dann aber noch einmal für eine bestimmte Zeit die Option, dieses Recht selbst auszuüben. So wäre gewährleistet, dass bereits eingeleitete Verhandlungen nicht durch die Kündigung zunichte gemacht werden.

    Was die Regelung mit den Kleinverlagen betrifft, sollten Verlage (egal in welcher Größe) selbst ihre Rechte vertraglich absichern (können). Meist geht ohnehin der Weg nicht am Kleinverlag vorbei. Interesse der großen Verlage dürften in der Regel eher die erfolgreichen Spiele wecken, die dann aus dem Kleinverlag erst einmal „herausgekauft“ werden müssen. Läuft das Spiel mangels Verkaufszahlen regulär aus, sollte der Autor frei sein, sein Spiel wo auch immer unterzubringen.

  • Christian: Danke für den Link. Ich bin gerade beruflich wie privat sehr eingespannt, werde ihn aber definitiv studieren und mich hier zurückmelden, sobald ich wieder etwas „Luft“ habe…
    Reiner: Was den Kleinverlag betrifft: Ja, der sollte seine Rechte natürlich absichern können. Aber mir ging es eben auch um eine allgemeine Meinung: „Was wäre denn fair?“ Einmannbetriebe sind da auch nicht schlauer ;-)

  • Fair ist wohl immer, wenn beide Seiten das Gefühl haben, dass sie von einer Regelung profitieren. Ich glaube, dass üblich so eine Teilung 60 / 40 % sind (auch im Buchbereich) (wobei ich gerade nicht weiß, wer was bekommt), wenn Unterlizenzen vergeben werden. Beim Sonderfall: Autor möchte aus Vertrag mit Kleinverlag raus, um bei einem großen Verlag unterzukommen, könnte ich mir auch so eine Art Ablösesumme (a la Fußballer-Transfermarkt) vorstellen. Das wäre im Sinne von Kleinverlag und Autor die beste Lösung. Autor erhält das komplette Honorar und Kleinverlag Summe X. So richtig kann man da allerdings keine Zahlen nennen, denn ein „Özil“ ist begehrter als der Ersatztorhüter vom FC Kleinsthausen und kostet entsprechend mehr.
    Kommt also immer drauf an, wie dringend der große Verlag das Spiel haben will, um in die Champions League zu kommen, ob der Autor mit aller Macht nach Barcelona wecheln will oder ob der Kleinverlag das Spiel loswerden möchte, weil es sowieso nicht in die Mannschaft passt.

  • Kleine Richtigstellung: Im Spielebereich ist meist eine Teilung 50/50% üblich sowohl für Unterlizenen wie für Nebenrechte (z.B. digitale Versionen). Manche Verlage versuchen allerdings, hier noch Übersetzungkosten, sonstige Aufwendungen etc. abzuziehen.
    Im Buchbereich gilt ebenfalls meist 50/50%. In einer Rahmen-Vereinbarung siehe 2. Link in Beitrag Nr.4 zwischen Verband der Schriftsteller und elf Belletristikverlagen sind lediglich für Non-Book-Nebenrechte eine 60/40% Regelung zugunsten des Autors vorgesehen. Diese Rahmenvereinbarung auch in Bezug auf die grundsätzliche Honorierung hat zwar sicher Modellcharakter, aber die Praxis sieht doch in der Masse oft deutlich schlechter aus – insbesondere im Sachbuch.
    Inwieweit es sinnvoll ist, solche Verwertungen selbst vorzunehmen oder (meist besser) dem Verlag zu überlassen – dazu hat Reiner weiter oben ja schon zutreffend geschrieben.