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Das wahre Spiel der Spiele?

Der Österreichische Spielepreis, für seine Überraschungen bekannt, hat sich auch dieses Jahr wieder etwas besonderes einfallen lassen: Das Spiel der Spiele ist: Ramses Pyramid aus der LEGO-Serie vom Reiner Knizia. Nun, die Jury ist nicht verpflichtet Spiele zu prämieren, die mir -oder überhaupt jemanden – gefallen (und mit Bakong als Spiele-Hit für Familien haben sie sich eine der größten Graupen der letzten 12 Monate ausgesucht), aber dennoch möchte ich hier mal kommentieren – da es anscheinend ja sonst niemand tut (Wird das SdJ überall zahlreich kommentiert und diskutiert, liest man über das Spiel der Spiele wenig – das dürfte nur partiell am Sommerloch liegen).

Die Begründung für die Preisvergabe bestätigt im wesentlichen das, was ich schon länger vermutet habe: „(…) Und dennoch handelt es sich um ein echtes und noch dazu prima funktionierendes Brettspiel, das optisch wie regeltechnisch alle Ansprüche erfüllt. Innovativ ist dabei nicht nur der neuartige Würfel, mit dem gespielt wird, sondern das ganze Konzept. (…)  Wir meinen, dass das qualitätsvolle Engagement von Lego für die gesamte Brettspiel-Branche auf jeden Fall ein fantastischer Impuls ist.(…)“ (Hervorhebung von mir).

Das Brettspiel funktioniert also (sogar „prima“), was wohl mehr ist, als man sonst von Brettspiel-Spinoffs bekannter Produkte erwartet (siehe Bionicle). Wichtig ist aber das Konzept über Lego neue spielerische Zielgruppen zu erreichen. Und da sind wir beim Kernpunkt: Bei King Arthur ging es (imho) um das spielerische Konzept eines elektronischen Brettspieles. Bei Activity Extrem ging es um das Konzept, ein altbekanntes Brettspiel Fernsehtauglich zu machen. Und bei Rames Pyramid ging es um das Konzept über Lego neue Zielgruppen zu erreichen. Damit versteht sich der Preis „Spiel der Spiele“ aber anscheinend nicht als Preis für das „beste“ Spiel (in welchem Sinne auch immer), sondern als eine Art „Innovation Award“ für neuartige Brettspielkonzepte. Das ist legitim und ein solcher Preis hätte wohl auch eine gewisse Berechtigung – Neue Konzepte um die Brettspielerei weiter zu verbreiten sind sicherlich nicht verkehrt – aber alleine der Titel „Spiel der Spiele“ weckt völlig andere Erwartungen. Auch wenn Ramses Pyramid regeltechnisch funktioniert, ist es kaum das Spiel, das Familien am meisten zu fesseln vermag – ohne das Lego-Drumrum wäre es zu Recht völlig untergegangen. Hier wird den Familien signalisiert: „Was besseres ist heutzutage nicht zu bekommen!“ Eine Aussage die sicherlich von den wenigsten Mitgliedern der Zielgruppe unterschrieben werden würde.

Doch auch in anderen Punkten hat die Österreichische Jury Kommunikationsschwierigkeiten: Die Teillisten sind „Spiele für Familien“, „Spiele für Freunde“ und „Spiele für Vielspieler“. Es drängt sich die Frage auf, in welchen Bereich jetzt der Hauptpreis fällt (In diesem Fall in die Familienkategorie) – Warum Kategorien, wenn der Hauptpreis eh übergreifend zu verstehen ist? Heißt das nicht, dass alle drei Gruppen mit dem Hauptpreis etwas anfangen können? Wohl kaum, wenn man den diesjährigen Kandidaten sieht – was ebenfalls für die Innovations-Preis-Theorie spricht. Auch frage ich mich, ob Vielspieler keine Freunde haben…Und wo der Sinn ist ,Vielspieler auf ein Spiel aufmerksam zu machen, was sie aller Wahrscheinlichkeit nach sowieso kennen (Obwohl Battlestar Galactica vielleicht nicht jedem bekannt ist)

Dass die Namen der Unterkategorien nichts weiter sind als Schall und Rauch, sieht man aber besonders eindrucksvoll an der Nennung von Greenrock Village: Tatort Theater als „Spiel mit Freunden“.  Tatort Theater soll ein gutes Spiel sein (ich habs noch nicht gespielt), aber es ist ein Solospiel. Man spielt es alleine. Nicht mit Freunden. Wer das Spiel kauft, um es mit seinen Kumpels zu spielen, weil es dazu ja so gut geeignet sein soll, muss sich ver***** vorkommen – einer spielt, der Rest guckt zu! Wie bitteschon kam es zu dieser sehr …ah…ungewöhnlichen Empfehlung? Nun ich denke hinter den Namen verbirgt sich nichts anderes als eine Komplexitätseinordnung: Wenig komplexe Spiele sind „Familienspiele“, Spiele mit mittlerem Schwierigkeitsgrad kommen in die „Spiele mit Freunden“ und die mit hohen Schwierigkeitsgrad in die Vielspieler-Ecke. Das wäre vielleicht sogar eine sinnvolle Maßnahme, aber gerade die Überschrift „Für Freunde“ signalisiert etwas anderes. Statt Klarheit ist Verwirrung die Folge und das ist für einen Preis, der Kaufentscheidung sein soll tödlich. Auch bezweifle ich, dass es Familien per se nicht möglich sein soll Spiele der mittleren Komplexität zu kapieren (zumal in der Vergangenheit Spiele wie Säulen von Venedig, Wie verhext oder Jenseits von Theben empfohlen wurden).

Die Intention der Verantworlichen ist sicherlich aller Ehren wert. Aber sie sollten ihr bisheriges Konzept überdenken und sich überlegen ob sie ihre Intention nicht besser nach außen kommunizieren können. Weiso nicht drei Preise – für jede Kategorie einen vergebn plus einen Sonderpreis für besonders innovative Konzepte? Die Kategorien sollte man vielleicht ebenfalls umbennen oder überarbeiten (Immerhin haben sie die Anzahl der Kategorien seit 2007 zusammengestrichen). Das sollte schnell geschehen, denn ein Preis, der von der Zielgruppe nicht verstanden wird, wird im Ansehen und damit auch an Aussagekraft verlieren. Wenn die Zielgruppe von den Preisträgern enttäuscht ist, wird sie dem Preis keine Beachtung mehr schenken. Und das dürfte kaum der Sinn des ganzen sein.

ciao

peer

Peer Sylvester
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