Wer immer nur Freitags hier reinguckt mag sich gewundert haben, ob hier außer Verlagsvorstellungen überhaupt noch was passiert. Das hat seinen Grund: Ich bemühe mich (ab jetzt) Verlagsvorstellungen, Previews, Verlagsankündigungen und sowas immer Donnerstags zu posten, Montags erscheint dann immer das „reguläre“ Blog. So ist das etwas besser sortiert. Und Leute die sich nur für einen der beiden Schwerpunkte (Verlagsvorstellungen und meine Meinung) interessieren können finden besser was sie wirklich interessiert.
Wobei ich keine Garantie gebe, dass das in der Praxis auch tatsächlich immer so funktionieren wird ;-)
Und dann noch gleich zwei weitere Meldungen in eigener Sache: Zum einen wurde König von Siam in Bruno Faiduttis „Ideal Game Library“ aufgenommen, eine Art persönliche „Spiele Hall of Fame“. Da freue ich mich natürlich!
Und für den Leser vielleicht noch interessanter: Vermutlich zum ersten Mal in der Geschichte des Bambus Spieleverlages ist eine Neuerscheinung bereits vor der Messe fertig: Entensuppe und 53 andere Spiele ist mein neuestes (und vermutlich auf absehbare Zeit auch letztes) Buch und beinhaltet 54 Spiele von David Parlett. David ist hierzulande vor allem durch Hase & Igel bekannt, doch tatsächlich ist er Spezialist für Kartenspiele – er hat zahlreiche Bücher über Kartenspiele und Kartenspielhistorie veröffentlicht und arbeitet auch als Berater für Film- und Fernsehproduzenten, die in ihren historischen Spielen authentische Kartenspielpartien zeigen wollen. Er ist außerdem ein Autor hervorragender Kartenspiele – Entensuppe gewann ja letztes Jahr den Sylvester. Und die besten seiner Kartenspiele und noch einige Brett- und Wortspiele findet man jetzt in diesem Buch. Die meisten davon erstmals in deutscher Sprache oder zumindest zum ersten Mal in deutscher Sprache und mit Davids Genehmigung (Hallo Humboldt!) ;-)
Für mich war das Schreiben dieses Buches eine ganz neue Erfahrung, denn in erster Linie war ich Übersetzer und „Herausgeber“ und nur in zweiter Linie Autor im klassischen Sinne des Wortes. Die Texte stammen von David. Ich hatte die (selbstgewählte) Aufgabe zu entscheiden was den Weg ins Buch findet und was nicht, welche Regeln noch bearbeitet werden sollen und musste natürlich alles ins deutsche übersetzen. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden! Freunde von Spielebüchern im allgemeinen und an Kartenspielbüchern im Besonderen werden ihre Freude dran haben – Versprochen! Naja, und wer seine Diplomarbeit über Kartenspiele schreibt, kommt um den Kauf eh nicht herum…
Ich arbeite gerade an einem Spiel von dem ich mir sehr, sehr viel erwarte. Und zwar so viel, dass ich sogar zum ersten Mal etwas gezögert habe, hier davon zu berichten (Mein erster Fall von „Spieleautorenparanoia“). Nun ja, beim Testspielen tauchte zwangsläufig aber eine interessante Frage auf und um die zu erläutern muss ich schon etwas über das Spiel verraten: Der eiserne Vorhang bildet 40 Jahre deutsch-deutsche Geschichte nach, mit dem Schwerpunkt auf der Geschichte der DDR. Im Zweierspiel nehmen die beiden Spieler jeweils eine Seite ein und versuchen ihre Sache besser zu machen, als die Gegenseite. Wie fast immer bei meinen Prototypen findet man in Bernds Blog ein paar Informationen.
Wichtig ist in diesem Zusammenang, dass Der eisernde Vorhang „historisch“ und nicht nur „thematisch“ sein soll. Das Thema soll hier also nicht nur als „Setting“ für ein eigentlich abstraktes Aufbauspiel dienen, sondern tatsächlich auch angemessen umgesetzt werden. Der 17. Juni spielt eben so eine Rolle wie der besondere Status Berlins oder die Kontrolle durch die Stasi. (Natürlich bin ich mir bewusst das ein solches Thema durchaus auch Zündstoff bietet. Gerade deswegen ist eine ernsthafte Beschäftigung mit der Materie wichtig).
Die wichtige Frage ist jetzt die Urfrage aller historischen Spiele: Wie weit soll die Simulation gehen, wie viele Freiheiten bekommen die Spieler sich „unhistorisch“ zu verhalten?
Ein Spiel lebt von den Wahlmöglichkeiten der Spieler. Wenn denen nichts anderes übrig bleibt als genau das zu tun, was die realen Personen in ihrer Zeit getan haben, ist das Spiel zu einseitig und der Wiederspielwert gering. Haben beide Seiten umgekehrt zu viele Freiheiten, ist das Spiel letztlich nur ein normales Aufbauspiel mit DDR-Thema, aber keine historische Simulation mehr. Hier den richtigen Kurs einzuschlagen ist nicht nur ein Drahtseilakt, das Aufspannen des Drahtseils ist auch zu nicht unwesentlichem Teil Geschmackssache! Liebhaber von historischen Spielen wollen eine möglichst genaue Abbildung tatsächlicher Ereignisse, während andere zwar ein schönes Thema schätzen, aber lieber so flexibel wie möglich in ihren Entscheidungen sein wollen.
Zudem bleibt natürlich auch die Frage, ob es „damals“ nicht besser gewesen wäre andere Entscheidungen zu treffen. Und genau das finde ich persönlich eigentlich die viel interessantere Frage. Hatte die DDR-Führung die Möglichkeit die Bundesrepublik wirtschaftlich zu überholen und hat diese Chance nur nicht genutzt? Oder gab es diese Möglichkeit gar nicht? Sollte diese Möglichkeit im Spiel existieren? Wenn vielleicht auch nur eine ganz vage, schwierig zu erreichende Möglichkeit? Sollen unhistorische Spielverläufe gänzlich unmöglich sein oder nur sehr schwierig zu erreichen (ohne das man vorzeitig verliert)?
Ich tendiere zu letzterem Standpunkt. Auch weil er besser zu meiner Designphilosophie „Bottom-Top“ passt. Außerdem gibt es gerade bei historischen Spielen noch zwei Unterarten: „Regulative Historie“ und „Subtile Historie“ (ich hab mir die Begriffe gerade ausgedacht und lass sie morgen als Wortmarke eintragen :-)) Ein Parade-Beispiel für ersteres sind Britannia und Konsorten. Hier werden die Spieler durch konkrete Regeln in historische Bahnen gezwungen. „Unhistorisches“ Verhalten ist entweder gar nicht erst möglich (Die Römer dürfen weder plündern noch einen König wählen) oder wird durch „Siegpunktentzug“ verhindert. Die Spieler werden in erster Linie daran gemessen, wie gut es ihnen gelingt, in ihr historisches Vorbild zu schlüpfen. Auch viele Co-Sims funktionieren nach diesem Prinzip – Es gibt durchaus Spiele, in denen eine Seite keine Siegchancen hat, der Spieler, der sie spielt aber gewinnen kann, wenn er nicht so schnell untergeht, wie es theoretisch möglich wäre.
„Subtile Historie“ bedeutet, dass die Regel nicht direkt vorgeben, was die Spieler dürfen oder was nicht. Vielmehr sind die Regeln untereinander so vernetzt, dass sie die Spieler subtil für „historisches“ Spiel belohnen. Bespiele sind z.B. die Bauregeln und Aufträge von Eisenbahnspielen, die oft für einen historischen Streckenbau sorgen. Zwar können die Spieler bei 1830 z.B. bauen wie sie wollen, aber bestimmte Routen sind einfach viel erfolgsversprechender als andere. Das Resultat ist eine größere „gefühlte“ Flexibilität, die aber Arm in Arm mit einem gewissen historischen Realismus geht. Zudem geben sie imho nicht nur ein Gefühl wie etwas geschah sondern auch warum. Natürlich ist es bedeutend schwieriger ein historisches Spiel durch subtile Regeln aufzubauen, als durch restriktivere. Außerdem besteht wie gesagt die Gefahr, dass es ahistorischen Spielverläufen kommt: Wenn ich einfach verbiete, dass die DDR wirtschaftlich stärker wird als der Westen, dann wird das auch niemals geschehen. Ob das eine gute oder schlechte Sache ist, darf jeder für sich entscheiden.
ciao
peer
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Moin Peer,
du zwingst mich ja förmlich zu einem Post :-)
Zur DA: Mittwoch ist Abgabe. Da lohnt sich die Anschaffung von Literatur nicht er ;-) Aber ich hab auch so ein gutes Gefühl bei der Sache :-)
Zu den historischen Spielen: Subtiler Zwang mag für eine Illusion von gut sein. Didaktisch würde ich aber echte Freiheit bevorzugen. Denn dann entscheide ich mich nicht für historische Korrektheit, weil das Spiel mir dann Punkte gibt. Statt dessen kann ich meine Aktionen besser anhand der gegebenen Situation ausrichten. Und dann kann ich mich selber fragen: Würde ich mich genauso entscheiden, wie die Menschen damals? Wäre etwas anderes besser gewesen? Ich denke, das führt eher zu einer differenzileren Einschätzung der historischen Fakten, als subtiler Zwang das könnte.
Andreas
Naja, ich bin davon ausgegangen, dass Du auch so ein Interesse an Kartenspielen hast ;-)
Natürlich hat man im Spiel echte Freiheiten – sonst wäre der Spielverlauf ja vorgegeben. Ich hab mich da nicht klar ausgedrückt. Man hat schon die Freiheit, die auch ein anderes Spiel bietet, aber gewisse Prioritäten sind schon vorgegeben – und gewisse Entwicklungen werden sich auch wiederholen. Aber natürlich sind schon Freiheiten da, sonst wäre der Wiederspielreiz wohl zu gering…
Hab ich auch, das stimmt :-) Vorgestern hab ich abgegeben, und schon spuken mir wieder neue Ideen durch den Kopf.
Ganz aktuell ist eine Idee, bei der im Grunde 2 verschiedene Spiele aufeinander prallen. Aber mehr verrate ich noch nicht ;-)