Nehmen wir einmal an, in Essen käme ein Spiel namens “Punchline” heraus (das englische Wort für “Pointe”). In dem Spiel schlüpft man in die Rolle eines Comedians und muss Witze schreiben, Termine buchen, auf Tour gehen, Werbung machen etc. Es handelt sich um ein knallhartes Wirtschaftsspiel und wurde sehr ausführlich recherchiert, alles macht einen realistischen Eindruck. Es ist aber auch sehr humorbefreit – ein Optimiereuro eben. Ist das Spiel thematisch?
Meiner Meinung nach hat dieses fiktive Beispiel ein sehr starkes Setting, um aber auch ein starkes Thema zu haben, sollte aber auch die Tonalität stimmen. Will man nicht gerade eine sehr zynische Aussage über das harte Geschäft eines Stand-Ups machen, sollte sich das Thema auch im Spielgefühl wiederspiegeln. Von Comedians erwartet man, dass sie auch im Alltag zumindest Humor besitzen, von einem Spiel über diese Personengruppe kann man eine gewisse Lockerheit erwarten. Ich wäre von einem Spiel wie Punchline sehr enttäuscht. Und ich weiß das, weil es viele reale Beispiele gibt, bei dem die spielerischen Elemente sich nur thematisch schwer mit dem Thema in Beziehung setzen lassen, aber auch Spiele, wo die Tonalität nicht passt. Ich hatte vor kurzem über Computerspielumsetzungen geschrieben und viele misslunge Vertreter dieses Genres sind gute Beispiele: Ersetzt man Geschicklichkeit durch Punkteoptimierung etwa, kann das Spiel noch so sehr wie ein Computerspiel aussehen, es fehlt das Tempo für eine “thematische” Umsetzung.

Lange Zeit galt es als Zeichen einer möglichst thematischen Umsetzung, wenn viele, viele Regeln sicherstellen sollten, dass die Spielverläufe der thematischen Vorlage ähnelten – dass z.B. die Schlacht so verläuft wie in Wirklichkeit. Das Setting ist stark, aber thematisch? Die Überlegungen, die man bei diesen Spielen anstellen musste, waren oft ganz andere, als die Personen, die sich damals tatsächlich mit dem Sachverhalt auseinandersetzen mussten – die Generäle etwa. Im Laufe der Brettspielgeschichte sind diese Kleinschrittigen Regeln weitestgehend abgeschafft (wobei man diese immer noch findet). Heute geschehen eher Einkleidungen durch Graphik und Bezeichnung, wobei ein gutes Thema immer auch thematisch passende Mechanismen haben muss, die eben für ein thematischen Spielgefühl sorgen. Ich denke an zahlreiche Arbeitereinsetzspiele, die sich zwar vom Setting unterscheiden, nicht aber vom Spielgefühl.
Sportsimulationen haben ein ähnliches Problem: Vielleicht mit Ausnahme von bestimmten Rennspielen ist es im allgemeinen sehr schwierig das Gefühl der Sportart irgendwie auf dem Tisch zu bekommen. Ob Stabhochsprung oder Basketball: Die Dynamiken sind zu groß und speziell für eine direkte Umsetzung. Das ist nicht schlimm, das Setting kann auch für Spaß sorgen, ohne eine Simulation darzustellen. Man sollte nur kein starkes Thema erwarten (*).
Ein besonderes Beispiel für diesen Konflikt zwischen Spielthema und Setting ist das Kickstarter-Projekt The Game makers, bei dem man Spiele herstellt. Ein guter Meta-Witz? Keine Ahnung, ich befürchte das Äquivalent zu Punchline, denn ob es dem Thema gerecht wird, wenn man sich auf die wirtschaftlichen Aspekte konzentriert und das Produkt “Brettspiel” als gleichberechtigt zu allen anderen Produkten, die wir im Brettspielbereich hergestellt haben sieht, sei dahingestellt. Einen Aspekt aber möchte ich als Beispiel noch ganz bewusst hervorheben: Ein Teilmechanismus schüttet Bonuspunkte aus, wenn man das Spiel umweltfreundlich und nachhaltig herstellt. Das Spiel selbst ist eine typische Kickstarter-Plastik-Schlacht. Das ist schon ein deutlicher Bruch (Und zwar geht 1$/Spiel an eine Organisation, die davon Bäume pflanzt, aber das ist schon noch was anderes als wirklich umweltfreundliches produzieren, nicht zuletzt da die Wirkung des einen Dollars völlig intransparent ist). Als Kontrapunkt kann man sich e-Mission ansehen, dass nicht nur umweltfreundlich produziert wurde, sondern dessen Thema auch durch die Struktur des Spieles wiedergespiegelt wird.
Es ist nicht immer einfach zwischen Thema und Setting zu unterscheiden, aber umgekehrt wird ein Schuh draus: Ein thematisches Spiel, fühlt sich auch thematisch an. Tut es das nicht, mag das Setting interessant und gut recherchiert sein, es ist aber kein wirklich thematisches Spiel.
ciao
peer
(*) Es gab früher zumindest in Hamburg das Alster-Bierkastenrennen: Zweier-Teams rennen um die Alster mit einem vollen Bierkasten. Die Zielline darf nur überquert werden, wenn das Bier ausgetrunken wurde (wegkippen ist nicht erlaubt). Das ist sehr taktisch: Trinkt man früh, ist der Kasten leichter, aber die Schlangenlinien suind größer. Trinkt man alles vor der Ziellinie hat man den schweren Kasten geschleppt und muss alle Biere auf einmal wegtrinken. Trotz des großen Taktikanteils wird das Alster-Bierkastenrennen als spielerische Umsetzung kaum adäquat funktionieren. Die Beweisführung überlasse ich den hier Lesenden.
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