Es mag manch Leser*innen dieser Seite seltsam erscheinen, aber die Spiel Essen gilt nicht in allen Köpfen als die Speerspitze des modernen Brettspiels. Nicht selten wird sie als „reine Kaufmesse“ umschrieben, um sie von solchen Veranstaltungen zu unterscheiden, in denen Spiele als solche gefeiert und vor allem gespielt werden. Es ist verlockend diese Abgrenzung abzunicken. So als wäre der Gegensatz von Kommerzialisierung und Spielfreude ein besonders kluger und idealistischer Blick auf die Szene. Mir scheint diese Argumention jedoch reduktiv und verklärend. Nicht zuletzt, weil sie oft von einer Position aus geäußert wird, in der man nicht auf das Geld achten muss, um spielen zu können.
Dennoch wirken diese Argumente überzeugend, weil sie auf etwas zurückgreifen was viele von uns empfinden. Das Spielen steht für Entspannung, Freundschaften und das Gefühl Zeit sinnvoll mit Menschen verbracht zu haben. Im Gegensatz dazu steht das Thema Geld oft mit Lohnarbeit und den damit verbundenen Zwängen im Zusammenhang. Es wirkt profan und beinahe unanständig diese Dinge zusammen bringen zu wollen.
Aber wie in allen Dienstleistungsbereichen, die dazu da sind die Zeit anderer zu veredeln, stehen auch hinter den vielen neuen Brettspielen arbeitende Menschen. Es ist nur richtig und legitim, dass Menschen in diesen Bereichen von ihrer Arbeit leben können. Dafür braucht es Spieler*innen, die für diese Dienstleistungen auch bezahlen. In ausgewählten Spitzenzeiten gibt es sogar besonders viele Menschen, die für diese Leistungen zahlen. In der Tourismusbranche sind es je nach Region die Sommer- oder Wintermonate. In der Gastronomie sind es meistens die Wochenenden. Und in der Spielbranche sind es nun mal die Weihnachtszeit und große Messen. Natürlich auch die größte Spielemesse.
Eine internationale Spielemesse ist darum auch ein Ort an dem die Arbeit jener Menschen direkt in Umsatz überführt werden darf. Handel und Spiel sind keine natürlichen Gegensätze. Im Idealfall ergänzen sie sich. Die Größe, Vielfalt und Präsenz des modernen Spiels wäre in unserer heutigen Gesellschaft nicht möglich, wenn es nicht auch eine wirtschaftliche Verwertung dieses Kulturguts und seiner Bestandteile gäbe.
Dennoch sollte man dieses Anerkennen wirtschaftlicher Realitäten nicht mit Wohlwollen verwechseln. Eine kritische Perspektive muss bewahrt bleiben, wenn das Spiel als Kulturgut oder auch als Freizeitbeschäftigung monetarisiert wird. Wenn das Streben nach Profitsteigerung kontinuierlich oberste Priorität in den Entscheidungen hat, dann geht das auf Kosten eben jenes Kulturgut, weswegen zig Tausende jedes Jahr im Oktober nach Essen pilgern. Je weiter Preise erhöht werden, umso schmaler ist die Gruppe an Spieler*innen, die am Spielen teilhaben können. Vom Ausrichten privater Spielrunden, zu öffentlichen Spieletreffs bis hin zu großen Veranstaltungen. Es ist niemandem geholfen, wenn nur noch die finanziell Unabhängigen und Privilegierten aufs Spielen und Spielveranstaltungen zugreifen können.
Denn entgegen beständiger Unkenrufe, ist das Spielen kein Luxus, der man sich leisten können muss. Es ist eine Bereicherung unseres Lebens, welche wir mit Freunden und Familien teilen wollen. Genau so wie jedes andere Kulturgut für das wir uns begeistern können. Kultur darf niemals Luxus werden.
Nun steht die Spiel Essen vor der Tür. Ich werde gemeinsam mit zehntausenden anderer Spielbegeisterter durch die Hallen gehen. Auch dieses Jahr gibt es überwältigend viel zu bestaunen, zu probieren und auch zu kaufen. Dabei stehe ich in keiner Weise über diesen Dingen. Mein Portemonnaie wird auch diesmal merklich lockerer sitzen, als es das tut, wenn ich die Regale meines lokalen Spielehändlers durchstöbere. Das Neue, Bunte, Verspielte wird auch bei mir die nahezu kindliche Begeisterung fürs Spielen wieder entfachen. Aber ich nehme mir vor das richtige Maß zu finden.
Natürlich werde ich meine Favoriten und die interessantesten Exoten mit nach Hause nehmen wollen. Aber ich will auch die Momente wertschätzen, in denen man mit anderen Spieler*innen aus aller Welt am Tisch zusammenkommt und einfach spielen kann. Ich will nicht aus den Augen verlieren wie viel Arbeit, Ideenreichtum und handwerkliches Geschick in diese Spiele fließt. Vor allem will ich nicht vergessen, dass Spielen eben nicht etwas ist was man hat und was man in seinen Regalen zur Schau stellt. Es ist etwas, das man tut. Am liebsten mit anderen und im Zweifel auch alleine. Aber was mich bereichert, ist das Spielen und nicht das Kaufen; es ist die intensive Auseinandersetzung mit dem was Spielen ermöglicht, nicht das Wissen, dass ich endlich alle Promos und Erweiterungen irgendeines Spiels besitze.
In diesem Spannungsfeld verorte ich mich. Vielleicht geht es anderen auch so.
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