Sommer, Sonne, Ferien! Was liegt da näher als eines oder drei oder siebenundvierzig kleine Kartenspiele einzupacken, mit denen man die Familie beglücken kann? Eben.
Normalerweise sind die Blogeinträge ja eher Metathemen gewidmet, aber gelegentlich bietet es sich an, auch hier mal konkrete Spiele zu bsprechen. Heute ist es wieder soweit – ich stelle mir die Frage: „Sind diese Spiele Sommerferiengeeignet?“ Fast so als wäre die Spielbar eine normale Webseite.
Mit diesem Beitrag geht die Spielbar auch in den eingeschränkten urlaubsbedingten Sommerbetrieb; Das heißt die Blog- und Sprechbeiträge sind potentiell etwas unberechenbarer. Fast so als wäre die Spielbar eine normale Webseite. Allerdings eine normale Webseite mit Discord, wo wir immer alles neue ankündigen. Also Glück gehabt.
Happy Bee
Autoren Maxime Rambourg, Théo Rivière
Verlag: Helvetiq
Für 3-6 Spielende ab 8 Jahren
Spieldauer 15 Minuten
Eine kaum zu beantwortende Frage ist: „Wie wenig ist zu wenig?“ Happy Bee ist regeltechnisch extrem minimalistisch und verknüpft auf einfachste Weise ein „Gleichzeitig 1-5 Karten ausspielen und wer die meisten einer Sorte ausliegen hat, bekommt Siegpunkte“ mit dem beliebten Karten zapfen. Einstiegshürde? Nicht vorhanden!
Das minimalistische Design lässt auch keinen Raum für Designfehler: Der Ablauf ist glatt, keine Kante stört beim Ausspielen, es geht Zack-Zack-Zack. Selten passt der Ausspruch „Man spielt es so runter“ so gut wie bei Happy Bee.
Auf der anderen Seite besteht bei so supereinfachen Spielen die Gefahr, dass nichts bemerkenswertes mehr übrig bleibt, dass keine Erlebnisse im Gedächtnis bleiben, dass keine Emotionen erzeugt werden, eben gerade weil das Spielerelebnis keinen Raum für das Besondere, ja für würzige Überraschungen lässt. Happy Bee ist zumindest scharf an dieser Grenze zwischen Spiel und Mechanismus herumdesignet. Dabei erweist sich der Draft-Mechanismus als überraschend clever: Da ich weiß, welche Karten ich weitergegeben habe (alle, die ich nicht aufgedeckt habe) und ich die ausgespielten Karten behalte, habe ich zumindest eine Ahnung, was mein linker Nachbar überhaupt leisten kann. Da die Anzahl der Karten, die ausgespielt werden, in den ersten Runden sukzessive steigt, sind die ersten Runden vor allem dazu da, überhaupt zu ermitteln, von welchen Sorten ein Über- bzw. Unterangebot besteht (die Verteilung ist zufällig, bleibt aber innerhalb einer Partie gleich). Diese Information sollte man nicht überbewerten – der Glücksfaktor bleibt hoch, so dass Happy Bee nicht in Verdacht gerät irgendwo anspruchsvoll zu sein. Aber zumindest bietet es die Möglichkeit an, eine Karte nicht völlig blind auszuwählen. Ob das genug ist, um Happy Bee jenseits der Banalitätsgrenze zu schieben hängt dabei auch von der Anzahl der Leute ab, die mitspielen. Je mehr, desto wertloser sind die wenigen Infos, die man hat. Zu dritt kann man fast – Oha! – geschickt spielen, jede Person mehr am Tisch verschiebt das Spiel weiter in Richtung Bauch und Banalität. Frustfreie Bauchbanalität muss im Urlaub freilich nichts schlechtes sein, aber mit sechs Personen fährt man sowieso eher selten weg.
Niemand kann etwas gegen Happy Bee haben – selbst das Thema des Spieles dient einem guten Zweck (Werbung für Bienen quasi), aber sich bewusst für Happy Bee zu entscheiden kommt wenn überhaupt nur dann vor, wenn man gerade von einer mehrstündigen Wanderung irgendwie beschäftigt werden möchte, ohne den Kopf benutzen zu müssen.
Crazy Pilot
Autoren: Matteo Cimenti, Carlo Rigon, Chiara Zanchetta
Verlag: Helvetiq
Für 2-6 Spielende ab 8 Jahren
Spieldauer: 10 Minuten
Man kennt das: Man hat verschlafen und muss schnell zur Arbeit, doch der Verkehr ist die Hölle! Und dann noch obendrauf: Zombies! Da ist der Tag doch gelaufen!
Genervt setzen sich alle vor ihre Kartenstapel und fahren los. Gefahren wird wie bei Ligretto durch gleichzeitig, schnelles Ablegen von Karten. Doch natürlich ist Crazy Pilot kein einfaches Kartensortieren, sondern eine waschechte Fahrsimulation (wers glaubt). In Echtzeit muss entschieden werden: Weiche ich Hindernissen nach links oder rechts aus, Bretter ich geradeaus weiter, bremse ich oder drehe ich sogar um? An der Geschwindigkeit meines Autos hat die Entscheidung keine Auswirkung, aber eigentlich ist das Spiel eine versteckte Fahrprüfung: Bei Spielende wird überprüft, ob meine Entscheidungen richtig waren. Natürlich hagelt es Minuspunkte, wenn ich Omas überfahre oder Stoppschilder übersehe (§216b: Auch bei der Zombieapokalypse gilt die StvO).
Bereits an dieser Stelle muss ich dem Spiel bescheinigen, dass es schlicht grandios ist. Entscheidungen in Echtzeit sind … nie gut. Ständig schnell Entscheidungen bewerten zu müssen ist stressig – zumal kleine Details auf den Karten bisweilen entscheident sind – aber in diesem Fall auf eine witzige Art und Weise und wenn man tatsächlich fehlerfrei durchkommt ist man der König, auch wenn andere vielleicht schneller waren. Doch die beste Designentscheidung -und das schreibt man als Rezensent nicht oft – sind tatsächlich die Zombies. Nicht nur setzen sie den richgigen Ton, in dem sie das Spiel ins absurde verlegen, vor allem aber stören sie die Konzentration: Wer einen Zombie auf der aktuellen Karte sieht, muss dies laut ansagen, denn jetzt spielen alle kurz „Schlafmütze“ und müssen auf den Zentralstapel hauen. Fürs zuspätkomen gibt es Zeitstrafen. Oft ist das ein uninspirierter Mechanismus, hier ist es ein zentraler Baustein des Spielsystems. Hier liegt Interaktion, denn alle fahren sonst vor sich hin. Dadurch muss man aber auch ein Auge auf die Mitspielenden haben, dadurch wird man immer wieder aus dem Rhytmus geholt und selbst der vorsichtigste Fahrer bekommt so auch mal ein paar Zeitstrafen.
Als Ligretto in Deutschland in die Kaufhäuser kam löste es einen großen Boom aus Echtzeitspielen aus, die aber prinzipiell nur kleinere Variationen des Urspiels waren und allesamt mittlerweile vergessen sind. Nicht einmal Ligretto konnte Ligretto das Wasser reichen: Von den 12 bei Luding gelisteten Ligretto-Varianten findet man in den Geschäften nur noch Ligretto. Crazy Pilot gelingt es dieselbe Spielidee tatsächlich weiterzuentwickeln, ohne dass der ursprüngliche Gedanke verloren geht. Die Leichtigkeit bleibt, der Spielspaß bleibt, aber das Spiel bewegt sich spielerisch in anderen Gefilden, so dass es wirklich absolut eigenständig ist und nicht zuletzt wegen des Themas sogar einen höheren Aufforderungscharakter besitzt. Als ich es zum ersten Mal auf dem Tisch hatte, spielten wir gleich fünf Partien hintereinander. Das lag auch daran, dass nicht nur die Herausforderung interessant ist, sondern man auch spürbar besser wird, weil man bestimmte Situationen besser einzuschätzen lernt (leider ist hier die Anleitung nicht optimal, einiges lernt man tatsächlich erst „by doing“, insbesondere „by doing wrong“ – z.B. Stoppschilder zu beachten oder dass man durch Geister einfach durchfahren kann). Eines der originellsten Kartenspiele in diesem Jahr!
Tails on Fire
Autor: Thomas Sellner
Verlag: Heidelbär Games
Für 2-6 Spielende ab 10 Jahren
Spieldauer: 20 Minuten
Bei dem Spiel wählt jede Runde Karten aus, und dann wird weitestgehend zufällig bestimmt, ob diese „laufen“, ob mit diesen einen guten Staat zu machen ist. Die Spannung bei Challengers liegt in dem Hin- und Herwogen der Duelle; da der Angreifer seinerseits wieder geschlagen werden muss und keiner mit dem ersten Angriff verlieren wird, werden immer beide Rollen eingenommen. Mit dem Füllen der Ersatzbank und dem Ausdünnen des Decks, gibt es sowohl eine deutliche Progression als auch positive Erlebnisse. Das hat Georgios ausführlich in der verlinkten Rezension beschrieben und wollte ich mal erwähnt haben. Achtung Kinder: Das wird später noch einmal wichtig!
Bei Tails of Fire verbessert man sein Deck nicht, aber man sucht sich jede Runde die drei Handkarten aus, mit denen man in den Kampf zieht. Dabei sind lediglich die gespielten Karten der Vorrunde gesperrt (und Karten, mit denen mal etwas gewinnen konnte). Mit diesen drei Karten geht es jetzt in eine Mischung aus Versteigerung und Uno: Beginnend bei einer Startzahl, werden reihum so lange aufsteigend Karten gespielt oder gepasst bis jemand seine eigene Karte vorfindet, also alle anderen gepasst hat. Diese Person gewinnt die aktuelle Runde.
Dass die Anleitung für diesen doch recht einfachen Sachverhalt darstellt, als wäre es eine Gesetzesvorlage für den Export von Opossums ist Teil des Problems. Denn anders als das Regelheft assoziiert, ist Tails on Fire ein einfaches Spiel, nicht wirklich komplizierter als das oben erwähnte Happy Bee: Man guck auf die blockierten Karten der anderen man wählt drei Karten aus und hofft, dass niemand eine gespielte Karte überspielt. Gerade bei mehreren Personen kann man es auch mal riskieren zu passen, obwohl man bedienen könnte, in der Hoffung, die anderen spielen sich müde. Blöd, wenn die anderen dann gar nicht bedienen können und man auf seinen ungespielten Karten sitzen bleibt, während jemand anderes die Siegpunkte einsackt (das erinnert sehr rudimentär an Kill Dr. Lucky, bei der man auch gewinnen kann, weil alle ihre Karten aufsparen wollen. Allerdings hat man bei Dr. Lucky deutlich mehr Karten zur Auswahl). Überhaupt herrscht vor allem Prinzip Hoffnung: Viel planen lässt sich nicht. Oder besser: Man kann viel planen, aber da alle sich gegenseitig auszu-denken versuchen, ist der Erfolg sehr ungewiss. Bei Happy Bee ist das sehr ähnlich, durch das gleichzeitige Aufdecken der Karten ist die Auflösung sehr kurz und dadurch werden die Emotionen gedämpft. Hier dauern die Runden (meistens) länger, daher ist mehr Platz für Schadensfreude, für Emotionen, aber auch für Frust.
Anders als bei Challengers gibt es bei Tails on Fire nur eine geringe Progression: Es kommt zwar vor, dass Runde um Runde gezählt wird und alle Karte um Karte abspielen. Häufiger kommt es jedoch vor, dass der Motor stottert, dass jemand -wie erwähnt – vorzeitig die Runde gewinnt. Was davon geschieht ist völlig unvorhersehbar. Auch das kann reizvoll sein, doch wer hier Pech hat, an dem läuft das Spiel wortwörtlich vorbei. Wer Rundenlang keine Karte spielen kann oder immer, wenn er es doch mal kann, gleich überspielt wird, hat nicht nur keinen Einfluss auf den Ausgang des Spieles, man hat auch nichts erreicht, ja man hat nicht einmal etwas getan, von etwas Kartenschieberei abgesehen. Da zudem die mechanische Adminarbeit (die zu erklären sich die Spielanleitung bemerkenswert schwer tut) für ein Spiel dieser Kategorie etwas arg umständlich ist, fällt die spielerische Untätigkeit besonders stark auf. „Aussetzen“ oder „Ausscheiden“ sind deshalb unbeliebte Mechanismen, weil sie einzelnen Spielenden jegliche Möglichkeiten am Spielerlebnis zu partizipieren nehmen. Tails of Fire kann für einzelne Spielende erreicht einen ähnlichen Effekt ganz ohne Aussetzregel. Eine zweifelhafte Leistung.
„Zuverlässigkeit“ ist ein Begriff, der nur selten mit Spielen in Verbindung gebracht wird, vermutlich weil es selbstverständlich ist, dass Spiele zuverlässig funktionieren sollen. Dabei ist es gerade bei hohen Glücks- und Zufallsfaktoren legitim, wenn auch mal schiefe Partien dabei sind (Das kommt ja sogar bei Catan ab und an mal vor), die Frage istdaher auch, wie oft ein Spiel sein Versprechen nicht einlösen kann und wie es mit schiefen Partien umgeht. Tails on Fire scheint mir etwas umständlich um eine eigentlich interessante Idee herumentwickelt worden zu sein. Als Resultat liefert das Spiel eben nicht zuverlässig gute Spielverläufe; insbesondere müssten alle Spielenden ähnlich viel analysieren, damit die Sache für alle funktioniert. Mein Hauptkritikpunkt ist dabei nicht, dass es mal komplett gegen jemanden laufen kann, sondern dass diese Person dann nicht das Gefühl bekommt am Spiel teilzuhaben. Das wiegt für mich schwerer als die kleinen Positiverlebnisse, die das Spiel durchaus bieten kann. Vielleicht hätte das Spiel kooperativ besser funktioniert. Vielleicht wäre es dann aber ein umständliches The Mind.
Hungry Monkey
Autor: Erik Andersson Sundén
Verlag: Heidelbär
Für 2-6 Spielende ab 8 Jahren
Spieldauer: 15-30 Minuten
Ein anderes Spiel mit hohem Glücksfaktor ist Hungry Monkey, ein Spiel, dass sich bei traditionellen Kartenablegespielen bedient (die oft Namen haben, die vom Spamfilter aussortiert werden würden). Ziel ist es erst einmal seine Kartenhand leerzuspielen. Dazu werden reihum Karten in die Auslage gespielt, wobei die Zahlen immer größer werden müssen (allerdings nicht lückenlos wie bei Tails of Fire), Wer nicht kann, muss den Kartenstapel nehmen. Soweit so bekannt. Die Leistung des Autoren ist es jetzt aus diesem bekannten System mit kleinen Regeln geschickt so abzuwandeln, dass zuverlässig (hier ist das Wort wieder) spannende Spielverläufe generiert werden.
So beginnen alle mit vier verdeckten Karten, die loszuwerden das Spielziel ist, die man aber a) anfangs nicht kennt und b)erst spielen darf, wenn die Hand frei wird. Die Hand wird aber erst frei, wenn nicht mehr vom Stapel nachgezogen werden kann, was einige Runden dauert. Wie bei Blaze ist hier ein auf den ersten Blick sinnloses Spiel vorgeschaltet, dass aber -wie man schnell merkt – vor allem dazu dient, die verdeckten Karten kennenzulernen und ggf. auszutauschen und das Endspiel vorzubereiten. Obwohl diese Phase naturgemäß sehr glückslastig ist, fühlt es sich nicht unbedingt so an, auch weil viele kleine Entscheidungen zu treffen sind. So kann man statt einer Handkarte auch eine zufällige Karte vom Stapel spielen. Das lohnt sich, wenn man nichts aufgeben will, die Stapelkarten nicht weh tun oder man gar heiß auf diese Karten ist. Was aber Hungry Monkey abhebt von vergleichbaren Spielen sind die Sondereffekte einiger Karten. Diese sind so punktgenau eingesetzt, dass es elegant zu nennen ist. Sie erlauben es im genau richtigen Maße für Überraschungen zu sorgen und sind rein konstruktiv angelegt – Niemand anderes wird beeinflusst, nur man selbst kann sein Blatt verbessern. Das sorgt für positive Momente, auch wenn es mal im Ergebnis nicht so laufen sollte.
Obwohl Hungry Monkey als Ablagespiel nominiell eher an L.a.m.a. dran ist, erinnert es mich von der Art der Entscheidungen und dem Spannungsbogen sehr an Skyjo. Beide Spiele bieten eigentlich nur kleine Entscheidungen, deren Erfolg zudem stark vom Zufall abhängen. Aber das Spiel bleibt gerade deswegen in jeder Pahse spannend. Bis zum Ende ist das Spiel ergebnisoffen. Und vor allem: Auch wenn es nicht läuft, bekommt man eine Kompensation: So blöde es ist, den Stapel nehmen zu müssen: Plötzlich hat man potentiell viele gleiche Karten, die zusammen abgelegt werden können und – wenn es deren vier sind – sogar den Stapel resetten und einen Doppelzug ermöglichen. Einen dicken Stapel wird man daher überraschend schnell wieder los – oder hat zumindest die Hoffnung, dass dies geschieht, insbesondere weil es ja auch bei den anderen selten perfekt läuft. Es gibt einen Grund warum die Vorlagen von Hungry Monkey -und von Golf, der traditionellen Vorlage von SkyJo – so beliebt sind. Und genauso wie die Macher von Skyjo das beste aus vielen Varianten genommen haben und das Spiel perfekt auf den Punkt servierten, hat Erik Andersson Sundén aus traditionellen Varianten ein Spiel kreiert, dass mehr ist als die Summe seiner Teile.
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