Autoren: Johannes Krenner & Markus Slawitscheck
Verlag: 1 More Time Games / Z-Man Games
für 1-8 Spieler*innen
ab 8 Jahren
Dauer: ca. 45 Minuten
Was zeichnet ein gutes Spiel aus? Sind es die Entscheidungspunkte, die es bietet oder die Gefühle, die es in uns auslöst? Es mag Einigkeit darüber herrschen, dass lobenswerte Spiele vor allem deshalb in Erinnerung bleiben, weil sie Emotionen in uns wecken. Aber die Frage, ob es dafür viele Entscheidungen oder besonders anspruchsvolle Entscheidungen braucht, ignoriert die Möglichkeit, dass Entscheidungen nicht der Grund sind, weshalb ein Spiel uns emotional packt. Vielleicht sind sie lediglich ein Mittel von vielen mit denen ein Design uns in seinen Bann zieht. Dass es genau so gut möglich ist, Emotionen, Begeisterung und Spielspaß zu wecken ohne dafür Spieler*innen mit komplexen Regelkonstrukten und ausgefallenen Konzepten aus der Reserve zu locken, zeigt sich an Challengers!.
Zugegeben, die Begriffe mit denen Challengers! arbeitet, erschließen sich Spieler*innen in der Szene deutlich schneller als jenen, die weniger Erfahrung besitzen. Gerade die Anleitung scheint – entgegen des einfachen und zugänglichen Spielkonzepts – vor allem für Leute geschrieben zu sein, die reflexartig jedes Wort des Regelwerks auf die Goldwaage legen, um vielleicht hier oder dort einen Regelkniff zu entdecken, der ihnen im heiß umkämpften Kartenduell den Vorteil bietet, mit dem sie den Sieg an sich reissen können.
Aber Challengers! ist kein Spiel in dem man komplex verschachtelte Regelmechanismen handhaben muss, um sich einen hauchdünnen Vorteil zu ergattern. Es ist kein Spiel bei dem die Karten im eigenen Kartenstapel penibel ausgewählt werden müssen, um eine unaufhaltsame Angriffskette an Karteneffekten auszulösen, die das Spiel entscheiden wird. Es mag womöglich seine Wurzeln in den Cube-Draft-Abenden eines Magic The Gathering haben, aber Challengers! ist in seinen Möglichkeiten weder so unüberschaubar, noch in seiner Einstiegshürde so fordernd wie andere Kartenspiele mit vergleichbarem Begriffslexikon.
Was Challengers! gelingt, ist eine Atmosphäre des Nervenkitzels und der unvorhersehbaren Wendungen zu schaffen. Dafür braucht es weder komplizierte Regeln, noch schwer durchschaubare Entscheidungsbäume oder eine lange Spieldauer.

Je zwei Spieler*innen (bis zu 8 können hier gleichzeitig am Tisch spielen) sitzen sich mit ihrem persönlichen Kartenstapel gegenüber. Eine Seite deckt die oberste Karte auf und vergleicht den abgedruckten Zahlenwert mit der gegenüberliegenden Karte. Ist die Zahl gleich groß oder höher, erhält sie den Spielstein in der Mitte (die „Flagge“). Nun ist die gegenüberliegende Seite am Zug und deckt ebenfalls eine Karte auf. Reicht dieser Zahlenwert nicht um gleich oder höher zu ziehen, wird eine weitere Karte aufgedeckt und ihr Wert dazu addiert. Dieser Ablauf wird wiederholt bis der Spielstein die Seite wechselt und ein neues Kartenziehen beginnt. Wer den Flaggenstein besitzt, muss jedoch auf alle eigenen Zahlenwerte außer dem zuletzt gezogenen verzichten. Wer den Flaggenstein verliert, muss alle eigenen zuvor ausgelegten Karten auf die Felder am Rand der Spielmatte legen. Findet sich dort kein Platz mehr, weil bereits Karten aus vorherigen Zügen dort liegen, hat man die Runde verloren. Kann man keine Karten mehr nachziehen und ist nicht im Besitz des Flaggensteins, hat man ebenfalls verloren.
Dieser Absatz deckt gut drei Viertel des gesamten Spielablaufs ab. Was bleibt sind einzelne Karteneffekte und die vermeintlich wichtige Phase des Anpassens des eigenen Kartenstapels vor der nächsten Runde („Duell“ genannt). Hier gibt es Entscheidungen zu fällen, die recht überschaubar bleiben, da ihre Auswirkungen in vielen Fällen nicht genau vorhersehbar sind. Aus bis zu 10 Karten wählt man 2 aus, und entledigt sich im Anschluss einer beliebigen Anzahl an Karten aus dem eigenen Stapel. An diesem Punkt nun, erweist sich Challengers! als erfrischend anderes Design abseits der Orthodoxie der Vielspieler*innen.

Denn es sind gerade nicht die Momente der Entscheidungen, die für Emotionen sorgen. Es sind die Phasen in denen man das eigene „Deck“ (außerhalb der Szene auch Kartenstapel genannt) ausspielt. Es ist der Teil des Spiels, der Challengers! den Vergleich zu „Auto-Battlern“ eingebracht hat. Ein Vergleich, der vor allem unterstreicht, dass die Begrifflichkeiten mit denen Spielprofis um sich werfen, meist für mehr Verwirrung sorgen als für Klarheit.
Dabei könnten diese Duelle in ihrer Wirkung auf die Spieler*innen nicht deutlicher sein. Es wird mitgefiebert und gehofft. Es kommt zu Überraschungen, wenn plötzlich eine unerwartete Karte in der Tischmitte landet oder es wird auch empört geschimpft, wenn die richtige Karte partout nicht auftauchen will. Gerade weil man nicht darüber entscheiden kann, welche Karte als nächstes gezogen wird, sind wir emotional gepackt. Wäre Challengers! ein reines Glücksspiel, würde sich die Begeisterung in Grenzen halten. Aber es sind gerade die kleinen Entscheidungen zwischen den Duellen, die einem die Hoffnung geben das eigene Schicksal im Turnier doch noch beeinflussen zu können. Und es ist die Hoffnung, die dich umbringt (Zitat: Ted Lasso, Staffel 1).

Aber es ist genau diese Hoffnung auf mehr Einflussnahme und auf mehr Kontrolle, die einen immer tiefer in das Spiel zieht. Schon bald ertappt man sich dabei, die Karteneffekte genauer zu betrachten und ihre Wirkung in den einzelnen Duellen abzuwägen. Man fängt an Theorien über besonders effektive Kartenkombinationen zu entwickeln. Man schaut wie man sich nicht doch einen kleinen Vorteil aus der Zusammensetzung seines Decks holen kann.
Das wirklich Beeindruckende an Challengers! ist nicht, dass es trotz seiner kleinen Entscheidungsfenster Emotionen weckt. Vielmehr ist es der Sog, der gerade bei weniger versierten Spieler*innen ausgelöst wird, sich nochmal zu stellen und tiefer in die Materie einzutauchen. Mit einem einfachen Spielkonzept und einfachen Regeln löst das Spiel angeregte Unterhaltungen über Strategien und Taktiken gerade bei jenen aus, die hinter diesen Begriffen eher staubtrockene Analysen und engstirnige Regeldiskussionen befürchten. Ein Eindruck, der von der Aufmachung und Präsentation des Spiels in keinster Weise eingehalten wird. Allein die Anleitung scheint die sich am Horizont abzeichnenden Spielkenner-Debatten bereits vorwegzunehmen.
Eingerahmt werden die meist wenige Minuten andauernden Duelle von einer Art Turnierstruktur. Bei mehr als zwei Spielern führt das zu einem kontinuierlichen Wechsel der Kontrahenten. Damit sind freudige, wie auch böse Überraschungen vorprogrammiert. Spätestens hier wird deutlich, dass die eingeschränkte Einflussnahme auf den Spielverlauf kein Versehen seitens der Designer ist, sondern ein essentielles Mittel um für Emotionen, Begeisterung und Spielspaß zu sorgen. Das Wechselhafte und Unbeständige des Spiels gibt immer wieder neue Impulse, auf die wir reagieren müssen. Erst durch die eingeschränkte Einflussnahme auf den Spielverlauf, gewinnt das schritthafte Aufdecken der Karten an Spannung. Jede Karte kann eine dramatische Veränderung auslösen. Jedes neue Deck mit dem wir konfrontiert werden, bringt unbekannte Faktoren ins Spiel, die sowohl wirkungslos verpuffen als auch Dinge radikal umwerfen können.
Nicht zu wissen, was als nächstes passiert ist das große Versprechen, welches Challengers! macht. Das kann entweder Neugier und Faszination auslösen, oder auf Ablehnung und Verärgerung stoßen. Der Grund weshalb man aber wiederholt eine weitere Partie startet, liegt in der Hoffnung, vielleicht dieses Mal genug Erfahrung mitzubringen, um den Launen des Zufalls trotzen zu können. Es ist eine Herausforderung, die gerade bei weniger erfahrenen Spieler*innen sehr viel Ehrgeiz hervorzulocken weiß.
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