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Brettspielen pitchen

Der englische Begriff „Pitch“ umschreibt den Versuch ein Vorhaben in kurzen Worten zusammenzufassen, um damit Leute zum mitmachen zu inspirieren. Die meisten kennen vielleicht die Präsentationen auf Crowdfunding-Seiten, in denen versucht wird das Projekt in diesem Pitch möglichst anschaulich und reizvoll darzustellen. Meist werden dabei Informationen vermittelt, von denen man vermutet, dass das Zielpublikum sie benötigt, um sich zur Teilnahme zu entscheiden.

Die meisten von uns haben aber vielleicht schon selbst unzählige Male einen solchen Pitch gemacht, als es darum ging Seltenspieler*innen fürs Spielen zu gewinnen. Oder zumindest sie davon zu überzeugen es mal mit etwas anderem als Phase 10, Uno oder Skip-Bo zu probieren. Wer die eigene Erfolgsquote bei diesen Anwerbungsversuchen erhöhen möchte, kann vielleicht folgende Vorschläge als Impulse nutzen.

1. Regelkonzepte statt Regeln

Wer neuen Leuten ein bestimmtes Spiel schmackhaft machen will, betont oft und gerne wie wenig Regeln es hat oder wie schnell man sie lernen kann. Der Reflex ist nachvollziehbar. Regeln lernen gilt als unangenehmes, notwendiges Übel oder als Hauptgrund weshalb jemand Spiele generell meidet.

Diese Behauptung für bare Münze zu nehmen schmeichelt natürlich dem Spieler-Ego. Ist es doch eine indirekte Bestätigung dafür, dass Spielen eine ganz erlesene Beschäftigung ist. Spiele sind etwas, das nicht für jede*n zugänglich ist. Hier findet eine unausgesprochene Vorauslese statt, wer sich dieses enigmatische und obskure Medium erschließen kann und wer nicht. Es sind nämlich eben jene, welche die „Strapazen“ des Regeln Lesens und Verstehens auf sich nehmen. Spiele sind nichts für den „gewöhnlichen Pöbel“, der bei mehr als drei Regeln entnervt die Geduld verliert, als müssten sie eine Steuererklärung für das Jahr 2009 nachreichen.

Dabei ist eines der offensten Geheimnisse der Spieleszene noch immer, dass die meisten Spiele eigentlich nicht schwierig sind. Sie werden nur sehr holprig erklärt oder das Sperrige an Ihnen wird als reizvolle Herausforderung umgedeutet. Dieser Ansatz wird dann auch in den Pitch verschleppt, wenn man beginnt einzelne Regeln („zum besseren Verständnis“) zu betonen, statt die recht eingängigen Regelkonzepte zu umreißen.

Natürlich ist es inhaltlich vollkommen korrekt, ein Spiel wie Dominion damit zu erklären, dass man exakt 5 Karten zieht und im eigenen Zug genau 1 Aktion spielen darf, 1 Kauf tätigen darf und dann die gesamte Kartenhand ablegt, bevor es in die nächste Runde geht. Es beinhaltet außerdem noch Informationen, die bei einer anschließenden Spielrunde nützlich wären. Aber statt den Spielablauf zu umreißen, um Entscheidungspunkte aufzuzeigen oder den Spielverlauf anzudeuten, verliert man sich in Details, welche kaum Interesse oder Neugier wecken werden. Mit anderen Worten: man benennt durch die Regeln den formalen Rahmen des Spiels, aber zeigt nicht weshalb die Spielhandlung an sich interessant ist.

2. Interaktion statt Thema

Der nächste Kniff, der oft genutzt wird, um das Spielen zu bewerben zielt auf das Thema eines Spiels. Konkret wird darüber gesprochen welche Rollen man darin einnimmt. Das ist nicht per se falsch, aber rollt das Ganze von hinten auf. Die thematische Einkleidung eines Spiels hat – unabhängig davon wie sehr sie für Spielfreude sorgt – andere Funktionen. Die offensichtlichste besteht darin abstrakte Regelzusammenhänge greifbar und damit nachvollziehbar zu machen. Sie sind ein Mittel, um die reale Interaktion zwischen Spieler*innen lesbar zu machen.
„Du gibst mir einen gelben Würfel weg und jetzt darfst du auf zwei Felder des Spielbretts eine Figuren setzen.“ wird zu „Du bezahlst mir 1 Gold, damit ich dich in die Markthallen lasse.“

Letzteres ist natürlich sehr viel plastischer und erzählerischer. Aber es geht daran vorbei zu umschreiben, was uns am Spiel begeistert. Man versucht das Gefühl der Immersion, also dem Eintauchen in das Spielerlebnis, zu vermitteln aber spricht nur über das Resultat. Man vergisst dabei darüber zu sprechen was Immersion eigentlich ist, was dieses Abtauchen in die Spielwelt eigentlich ausmacht: die spielerische Handlung selbst.

Erst Kartenspiel, dann Jazz-Konzert

Das Thema ist dabei nicht der Grund für die Immersion, sondern das Mittel zum Zweck. Es kann seine immersive Funktion erst erfüllen, wenn es spielerische Interaktion gibt, die es einkleiden und damit erzählerisch aufwerten kann. Die Geschichte eines Films lässt sich auch nur erzählen, wenn man zumindest rudimentär auf den Plot eingeht. Mit genug Ausdauer und Sorgfalt schafft man es vielleicht auch ohne über die Ereignisse der Geschichte zu sprechen. Aber es wäre so viel einfacher zu sagen was passiert statt allein die Inszenierung zu beschreiben.

Für Spiele gilt das Gleiche. Statt in blumiger Sprache das Thema zu erklären, ist es zielführender die konkrete Spielhandlungen zu benennen. Wie diese Aktionen im thematischen Kontext aussehen, findet erst im nächsten Schritt statt. Ein gelungener Pitch sollte deshalb das Thema auf die gleiche Art einbinden: als Veranschaulichung für die spielerische Interaktion oder die Regelkerne aus denen sich das Spiel zusammensetzt. Es sollte nicht als „leichter Einstieg“ in das Spiel missverstanden werden. Der Sprung von „Wir sind Herrscher einer im Weltraum-reisenden Spezies, die die Herrschaft über die Galaxie anstrebt“ zu „wer zuerst 10 Siegpunkte erreicht, hat gewonnen“ ist um einiges holpriger und verworrener, als die Gegenrichtung.

Das Spielerlebnis wird durch das eigene Kopfkino bereichert, welches anspringt wenn man Regeln, spielerische Interaktion und Thema beim Spielen zusammenbringt. Gerade dieses Ankurbeln der eigenen Kreativität macht einen wichtigen Reiz des Spielens aus. Warum also gerade das interessierten Seltenspieler*innen vorwegnehmen?

3. Erlebnis statt Emotionen

Es gibt ein Mantra, welches in jedem Gespräch über Spiele wiedergekäut wird: es geht bei Spielen um Emotionen. Was fühle ich beim Spielen? Welches emotionale Register wird durch das Spiel bedient? Was machen Spiele mit uns? Ich kann diesen Ansatz zwar respektieren, aber tue mich schwer damit ihm viel Raum zu geben. Diese Dinge zu umschreiben oder zu benennen, scheint mir wenig dafür zu tun um ein Spiel verständlicher oder anschaulicher zu machen. Es ist auch nur bedingt dafür geeignet, Neugier zu wecken. Schließlich sind der erlebten Gefühle beim Spiel weder selten noch unvorstellbar.

Ich habe den Eindruck, dass man mehr damit erreicht die Umstände zu umreißen, welche diese Emotionen auslösen konnten. Man kann direkter und auch aussagekräftiger kommunizieren, was einem beim Spiel erwartet, wenn man die Situationen erklärt, die im Spiel eintreten. Vor allem hilft man Seltenspieler*innen dabei zu entscheiden, ob sie sich auf ein derartiges Erlebnis und vielleicht auch auf eine derartige Intensität einlassen wollen.

Der Vergleich zum Film ist vielleicht auch hier erhellend. Es ist nur begrenzt hilfreich zu sagen, ob ein Film nun Angst, Gelächter oder Anspannung auslöst. Eine grobe Kategorisierung mag man damit erreichen können, aber Interesse und Neugier weckt man damit wohl kaum. Da macht es keinen Unterschied wie plastisch oder eloquent man eben diese Gefühle beschreibt. Man zieht mehr Aufmerksamkeit auf die eigene Formulierung als auf den Film selbst.

Wirkungsvoller ist hingegen die Situation zu beschreiben, welche eben diese Emotionen weckt. Denn auch wenn ich den Film oder das Spiel selbst nicht kennen sollte, kann ich mir unter einer gut beschriebenen Szene am meisten vorstellen. Vor allem aber macht eine solche Vorstellung sehr viel neugieriger, als es eine treffende Formulierung einer Empfindung es könnte. Es ist sehr viel interessanter sich vorzustellen welche Emotion man beim Spielen in einer solchen Situation empfinden würde, als gesagt zu bekommen wie man sich fühlen wird.

Das Ziel eines Pitches muss sein Neugier zu wecken, statt nur Wissen zu stillen. Eine detaillierte und vollständige Erläuterung der unterschiedlichen Seiten des Spielens mag zwar keine Fragen offen lassen, aber genau darin liegt auch das Problem. Wenn keine Frage offen bleibt, gibt es auch kaum Grund sich an den Spieltisch zu setzen.

 


 

Titelbild: Vasco de Gama von What’s Your Game?
Artikelbild: Take the „A“ Chord von Saashi & Saashi
Georgios Panagiotidis
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