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Herr der Ringe im Sand?

Seit jäher gibt es Spiele zu Filmen. Doch als Der Herr der Ringe verfilmt wurde, wurde die IP-Verspielung gleich auf zweierlei Art auf ein ganz neues Level gehoben: Da war einmal die spielerische Qualität: Galt vorher das Credo „Hüte dich vor Lizenzprodukten!“ kamen plötzlich Lizenzspiele auf den Markt, die spielerisch mit“normalen“ Spielen mithalten konnten. Ein Grund hieß „Reiner Knizia“, der sich für eine ganze Reihe der Titel verantwortlich zeichnete. Statt schnell irgendwelche Spiele In-House zusammenzuwerfen, hatte man hier einen professionellen Spieleautoren beauftragt und ihm (zumindest gehe ich davon aus) auch genügend Zeit zum Entwickeln gegeben. Letzteres ist keine Selbstverständlichkeit, wenn man sich so manches anderes Lizenzsprodukt -auch von namhaften Autoren- anschaut.

Aber auchquantitativ wurden nie dagewesene Höhen erklommen. Natürlich hing das auch damit zusammen, dass Buch und Filme getrennt lizenzsiert werden konnten und jeder Film auch mindestens zwei Spiele bekam, was uns so schöne Titel wie „Der Herr der Ringe – Die zwei Türme – Das Kartenspiel“ beschwerte, die nun ja so gar nicht unhandlich sind… (Übrigens ist DhdR-DzT-DKs eine rechte gut Rommé-Variante die ich immer noch mein eigen nenne). Star Wars hat den Herrn der Ringe mittlerweile überflügelt, aber ja auch immer wieder neue Fortsetzungen/Prequels/Spinoffs produziert, insofern ist der Vergleich nicht ganz fair. Der Hobbit hatte keinen so großen spielerischen Fußabdruck mehr, ebenso wenig wie Harry Potter. Natürlich könnte man anmerken, dass die wenigsten Herr-der-Ringe-FILMumsetzungen heute noch irgendwo gespielt werden dürften, aber wie gesagt: Mit den Filmverspielungen gab es auch eine Reihe von Buchverspielungen, unter anderen das Zweipersonenspiel Der Herr der Ringe: Die Entscheidung und natürlich Herr der Ringe, das kooperative Spiel, dass den Weg bereitete für Spiele wie Pandemie (damals in der Spielbox war man nicht so sicher; dem Spiel wurde bescheinigt, dass es nie so spannend sein könne, wie ein Wettstreit zwischen Spielenden. Manche Aussagen altern eben schlechter als andere).

Gründe für diese nie dagewesene (und -wenn man Star Wars als „Franchise“ nicht mitzählt-  auch  bislang nie wiederholte) Quantität und Qualität in Sachen spielerischer IP-Umsetzungen sind natürlich einmal Autor Reiner Knizia und der Kosmos-Verlag, der die meisten dieser Spiele herausbrachte. Aber auch die Vorlage begünstigt spielerische Umsetzungen, da sie eine relativ gradlinige Abenteuergeschichte erzählt, inhaltlich durchaus vergleichbar mit der internen Narrative vieler Abenteuerspiele. Aus einem Star Wars werden eher die Raumschlachten gezogen und auch das  MCU, wohl dem größten aller aktuellen IPs, dient vor allem Prügeleien zwischen Helden und Bösewichten als Vorlage. Sicher ein großer, aber auch nicht der einzige Bestandteil der Filme und Serien. Allerdings eben der Part, der sich am einfachsten umsetzen lässt. Und das schränkt die Zielgruppe durchaus ein, denn nicht jeder will nur prügeln.

Was viele IPs, die spielerisch umgesetzt werden gemein ist, dass sie aus dem Fantasy und Science Ficition- Bereich stammen. Das hängt vielleicht auch mit den Narrativen, die gut im Brettspiel bedient werden können, zusammen, aber eben auch mit einem gewissen Nerd-Faktor, den Brettspiele und diese Genres haben. Wer nicht zustimmt, mag mir vielleicht erklären, warum The Wolf of Wallstreet oder The Big Short z.B. keine Brettspiele hervorgebracht haben, obwohl die Wirtschaftsthemen doch nun so fremd im Brettspielbereich nicht sind.

Ein weiterer Faktor ist der Preis einer IP, der z.B. einen erheblichen Deckel auf  viele mögliche Harry Potter-Spiele gesetzt hat (bedenkt man die problematische Anti-Trans-Haltung der Autorin keine schlechte Sache). Ich vermute hier auch den Grund, warum so wenig Pixar-Titel vernünftige Spiele bekommen haben (Ein Zootopia-Detektivspiel bietet sich ja geradezu an).

Der Herr der Ringe hat die Fantasy geprägt. Als Dune (bzw. „Der Wüstenplanet“)  erschien, war die SF bereits etabliert. Aber das Buch war (und ist ein Meilenstein in dieser Literaturgattung. Ähnlich wie beim Herren der Ringe gab es schon Versuche einer filmischen Umsetzung, die jedoch unbefriedigend blieb – oder, wie man damals dachte, bleiben musste. Erst als sich Peter Jackson an einer groß angelegten Interpretation machte, gelang das Projekt. Ähnliches wird jetzt Denis Villeneuve zugetraut. Eine hohe Hürde, denn Dunes Geschichte lässt sich nicht so ohne weiteres auf ein Roadmovie herunterbrechen, die Bücher leben viel vom ausgezeichnetem World Building und den internen Konflikten der Personen. Die „Action“, die man gemeinhin mit dem Setting verknüpft, kommt im Buch nur langsam, in der zweiten Buchhälfte. Es wird interessant sein zu sehen, ob und wie die Umsetzung gelingt und es wird vermutlich ein anspruchsvolleres Werk sein.

Das spiegelt sich auch in den Verspielungen wieder. Ähnlich wie bei Herr der Ringe, lassen sich Film und Buch getrennt lizensieren und das scheint auch zu geschehen. Auch sind die Spiele bislang deutlich anspruchsvoller, Dune Imperium ist eine andere Hausnummer als die Herr-der-Ringe-Versionen. Umgekehrt gibt es bislang keinen Hinweis auf etwas analoges zu HdR-die Gefährten – Das Kartenspiel. Zumindest noch spiegelt sich der erhöhte Nerdfaktor von Dune in einem erhöhten Nerdfaktor der Dune-Spiele wieder. Das ist gut für Nerds wie mich, Fans des Buches und Fans von involvierten, hochthematischen Brettspielen. Aber der Sprung über die IP mehr Leute zum Brettspielen zu bewegen gelingt so eher nicht.

Das Spice muss fließen!

Peer

Peer Sylvester
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