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Es soll der Blitz dich treffen!

Für viele von uns stehen Spiele für Eskapismus, für Unterhaltung und die Spielfreude, welche wir mit anderen teilen können. Aber selbst wenn wir davon sprechen in ein Spiel abzutauchen, so existieren diese Dinge nicht in ihrer eigenen abgeschotteten Blase. Egal wie man ein Spiel auch wahrnehmen oder begreifen will: ob als künstlerisches Produkt, als gemeinsames Erlebnis oder als Spaß unter Freunden; es ist eine Erweiterung und ein Teil der realen, fassbaren Welt. Damit unterliegt das Spiel auch immer konkreten, materiellen Einschränkungen. Eine davon erfahren wir durch COVID-19 am eigenen Leib. Jetzt, da wir unsere Spielrunden und Spieletreffs nicht mehr nach Lust und Laune aufsuchen oder veranstalten können. Aber Einschränkungen dieser Art sind nicht neu. Zumindest für Menschen, die aufgrund ihrer Identitäten oder ihrer Möglichkeiten Spielrunden nur unter bestimmten Vorzeichen wahrnehmen können.

Es ist kein Zufall, dass ein Thema wie Repräsentation gerade in dem Spielumfeld heiß diskutiert wird, in dem die vorsätzliche Ausgrenzung von Menschengruppen ein brennendes, gesellschaftliches Thema ist. Ob man überhaupt am (spiel-)kulturellen Leben teilnehmen kann, ist zwingend an materielle Bedingungen geknüpft, welche die Gesellschaft festgelegt hat.

Die hitzigen, politischen Grabenkämpfe, die wir derzeit in vielen Ländern wahrnehmen, gehen nicht zuletzt darum diese Bedingungen für alle Aspekte der Gesellschaft radikal umzuschreiben. Reaktionäre, rechte und offen faschistische Kräfte wollen eine soziale Neuordnung vornehmen, welche jede Personengruppe, die unliebsam, aufmüpfig oder auch nur anders lebend ist, an den Rand der Gesellschaft verdrängt. Sie sollen in ihrem Handeln und (Über-)Leben derart eingeschränkt werden, dass an Widerspruch oder gar Widerstand nicht ein Mal zu denken ist. Das Ziel ist nicht politische Überzeugungsarbeit zu leisten oder einen demokratischen Konsens zu finden, sondern die andere Seite zu zermürben und in einen Zustand permanenter Hoffnungslosigkeit zu treiben.

Der Beispiele gibt es derzeit erschreckend viele. Von offener Wählerunterdrückung in den USA, der gezielten finanziellen Knechtschaft der arbeitenden Bevölkerung in Großbritannien oder eben nun der sozialen, körperlichen und seelischen Gefährdung von Frauen in Polen durch eine Verschärfung des bereits bestehenden Abtreibungsverbots.  Das Urteil des Verfassungsgerichts in Polen führt zu noch immer andauernden Protesten. Eine wachsende Zahl Menschen positioniert sich entweder für oder gegen das Recht von Frauen auf körperliche Selbstbestimmung und das Schutzbedürfnis ihres Körpers, ihrer Psyche und kurzum ihres Lebens.

Eine der Gruppen, die sich nun in dieser Frage positioniert haben, sind der polnische Verlag Portal Games.

Mit einem verhältnismäßig subtilen, aber nicht weniger eindeutigen Wechsel des Banners auf ihrer polnischen Facebook-Seite, stellen sie sich ohne Aufforderung, erklärendes Statement oder Verweis auf eine Spendenaktion, an die Seite der Menschen, die in Polen gegen das Urteils des Verfassungsgerichts auf die Straße gehen.

Das Banner zeigt eine junge, selbstverständlich hoch attraktive, Frau, die einen übergroßen roten Blitz lässig auf ihrer Schulter abgelegt hat, Es ist der gleiche, rote Blitz, der Teil des Symbols ist, das sich auch auf den Bannern und Flyern der Gegner des Abtreibungsverbots wiederfindet.

Das ist dahingehend bemerkenswert, da der Kopf des Verlags, Ignacy Trzewiczek in der Vergangenheit keinen Hehl daraus gemacht hat, den Verlag allein nach streng wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu führen. Auch die Öffentlichkeitsarbeit (Podcasts, Videos, etc.) diente immer dazu die Marke Portal Games in den Köpfen der Spielergemeinde als positiv und spielernah zu platzieren. Obwohl der Verlag, eher unkommentiert, eine stärkere Einbindung von Frauen vor und hinter den Kulissen gefördert hat, wurden ausdrückliche politische Statements
vermieden. Vermutlich weil diese ja potentielle Käufer abschrecken könnten. Das alles folgt der alten Mär, dass das Geschäftliche – wie auch das Spiel – getrennt von allen anderen Dingen des menschlichen Miteinanders existieren kann und soll.

So lädt der erwähnte Bannerwechsel nun dazu ein, Unterschiedliches hineinzudeuten. Man ist versucht die Beweggründe zu entschlüsseln und ihnen die Absichten zu unterstellen, welche der eigenen Weltanschauung entsprechen. Versucht Portal Games sich hier die sozial-liberale Spielerschaft warm zu halten ohne verbindlich in Aktion zu treten (z.b. mit einer Aufforderung, einem erklärenden Statement oder dem Verweis einer Spendenaktion)? Oder ist man, in Anbetracht der politischen Spannungen im eigenen Land, nur zu vorsichtigen Bekundungen bereit und möchte sich nicht durch eine Aufforderung, ein erklärendes Statement oder einen Verweis auf eine Spendenaktion, angreifbar machen? Oder ist das mit offenen Augen wahrgenommene Unrecht derart unerträglich geworden, dass Schweigen und Dulden ein Verrat an den eigenen Werten wäre, die durch eine Aufforderung, ein erklärendes Statement oder einen Verweis auf eine Spendenaktion nicht vermittelbar wären? Warum für irgendetwas oder irgendjemanden einstehen, wenn man keinen finanziellen Profit daraus schlagen kann?

Im Englischen ist eine zynische Weltanschauung darüber definiert, dass sie Eigennutz als treibendes und sogar einziges Motiv für das Handeln von Menschen festlegt. Es ist eine verlockend einfache Erklärung für alles was man als Unrecht wahrnimmt und empfindet. Aber wie es so oft der Fall ist, bei Erklärungen die so einfach wie vielfältig anwendbar sind, führen sie einen in die Irre. Wer Portal hier nur in der Absicht handeln sieht, aus dem kulturellen Moment billig und bequem Kapital zu schlagen, entlarvt nur seine eigene Hoffnungslosigkeit und sein Unvermögen sich menschliche Solidarität vorzustellen. Es ist nur eine andere Art der Kapitulation vor denen, die die demokratische Konsensbildung umgehen wollen in dem sie Widerspruch im Keim ersticken.

Als Kontrastbeispiel sei hier Richard Shako von Histogame genannt, der auf der Webseite seines Verlags sehr klar und sehr deutlich Stellung zur politischen Lage in Belarus nimmt. Seine Absicht und auch seine Beweggründe legt er unmissverständlich dar. Sein Streik ist der Versuch der eigenen Ohnmacht Herr zu werden, die man im Angesicht der Missstände in Belarus empfinden mag.

Ein Bild auf seinem Facebookprofil zu verändern ist kein politischer Akt, sondern bestenfalls ein symbolischer. Als solches ist es keine Tat, die allein Zustände verändern kann. Es ist aber der Versuch eine Überzeugung zu kommunizieren. Seine Aussagekraft zieht Portal Games’ einfacher Schritt aus dem Bruch mit ihrer Vergangenheit. Er wird etwas kommuniziert etwas, was weder mit Portals Spielen des knuffigen Imperialismus oder der sexy Postapokalypse zu tun hat.

Es ist eine Solidaritätsbekundung, welche Signalwirkung haben soll. Es ist der Versuch denen Mut zuzusprechen, die ihre Hoffnung schwinden sehen. Es ist ein Signal, das zeigen soll, dass die Überzeugungen und Werte für die Menschen auf die Straße gehen nicht auf eine schweigende Wand der Gleichgültigkeit treffen. Denn die Bereitschaft sich mit anderen zu solidarisieren bildet den Grundbaustein der Demokratie.

In diesem Sinne möchte ich für meinen Teil zu Protokoll geben:

Wypierdalać!

&

Schiwje Belarus!

&

Black Lives Still Matter!

&

Trans Rights are Human Rights!

Georgios Panagiotidis
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