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Essen – Das Vorspiel

Georgios PanagiotidisGeorgios:
So eine Spielemesse hat für jeden ja irgendwie einen anderen Stellenwert. Mittlerweile ist es mein geschätzt zehnter Messebesuch. Wie bei jedem anderen routinierten Besucher auch, hat die Vorfreude auf die sich nie verringert, aber die Art der Vorfreude hat sich von Jahr zu Jahr verändert. Zu Beginn gierte ich nach Neuerscheinungen der mir bekannten Verlage. Welches tolle Spiel wurde in den Wochen und Monaten zuvor angekündigt? Wann konnte ich den Hype selbst in den Händen halten? So nahm ich zu meinen erste Messebesuchen etwa ein Battlestar Galactica oder ein Game of Thrones mit viel Freude mit nach Hause. Später dann hatte ich immer mehr Interesse an den Geheimtipps der Messe. Welche Spiele entdeckte der breite Mainstream erst ein halbes oder ganzes Jahr später? Ich fand mich bei den sogenannten Exoten wieder, deren Stände aus fernen Ländern neue und ungewöhnliche Spielkonzepte versprachen. Wieder später war ich als Podcaster unterwegs und plötzlich wurde die Messe ein Networking-Ereignis. Ich sprach mit Verlagen und Designern in Interviews. Ich berichtete davon wie es hinter den Kulissen aussah. Außerdem konnte ich andere Podcaster und Vlogger kennenlernen und mich mit ihnen austauschen. Manche dieser Gesichter treffe ich auch dieses Jahr noch und man nickt sich freundlich zu. Mittlerweile habe ich die Messe in vielerlei Hinsicht kennengelernt und genossen. Dieses Jahr wird es am ehesten eine Mischung all dieser Punkte sein. Ich werde sicherlich einen Blick auf die namhaften Neuerscheinungen dieses Jahr werfen. So etwas wie Machi Koro Legacy, Cooper Island oder Tapestry ist zumindest eine kurzes Einschnuppern wert. Aber ich werde auch – wie so oft – in die Spielentwicklungen aus fernen Ländern werfen. Ich habe ja mit Kung Fu und Electropolis schon ein paar kleine Juwelen ausgraben können. Aber ich will mir unbedingt noch Formosa Tea oder Walking in Provence anschauen. Selbstverständlich werde ich mich auch darauf freuen andere Blogger, Kritiker und Spielbegeisterte zu treffen und mit ihnen über unsere Favoriten der Messe zu fachsimpeln, Spiele zu spielen oder einfach mal über das Hobby als solches zu philosophieren. Das kann man ganz besonders gut beim Meet & Play. Genaugenommen freue ich mich auf alles davon. Von den Spielen, die ich unbedingt haben muss bis zu den Spielen, die mich faszinieren; von den Gesichtern die ich viel zu selten sehe bis hin zu den Gesichtern, die ich zum ersten Mal kennenlernen werde. Ich freue mich darauf tagelang in die Menschenmassen zu tauchen, die aus den gleichen Gründen da sind wie ich: um Spiele zu feiern, zu leben und zu atmen (Deo ist allen Teilnehmern empfohlen).

Jürgen:
Jedes Jahr kommt vor der Messe Spiel in Essen die Frage nach den begehrenswerten „heißen“ Sachen auf. Und meine Antwort seit vielen Jahren: Schulterzucken. Es sind sooo viele Neuheiten, dass ich mir gar nicht mehr anmaße, auch nur ansatzweise einen vernünftigen Überblick zu haben. Und die Messe wird mittlerweile auch so groß, dass von Anfang an klar ist, dass wir gar keine Chance haben werden, alles zu sehen. Also geht es fast schon eher darum, was wir nicht bekommen möchten, und welche Dinge daher unsere Begleiter sein werden: Dieses Jahr mit dabei Sterilium und Chlorhexamed. Klingt wie alte Leute? Ja, da habt Ihr mich.
Wir wissen, gute Spiele, die auf der Messe beim kleinen Kleinstverlag ausverkauft sind, die werden wiederkommen. Redaktionell überarbeitet und mit verbessertem Material. Also auch kein Grund, Hektik zu verspüren. Und die ganzen Kickstarter-Stände? Die kann man auch durchaus ignorieren, weil siehe oben. Was bleibt also an Pflichtbesuchen? Den lieben Christian treffen und einen Crepe an der kleinen gelben Crepe-Bude essen. Und noch so viele liebgewonnene Mitspieler mehr treffen. Meine ehemaligen Studierenden, die ich zumindestens teilweise mit dem Spielefieber angesteckt habe, ehemalige Mitarbeiter, vielleicht auch den ein oder anderen aktuellen Kollegen? Die Mitstreiter aus dem beeple-Netzwerk, die sich darum bemühen, dass Spielen den Stellenwert in der Gesellschaft erhält, den es unserer Meinung nach verdient (ok, das nennt man Selbstwahrnehmungsbias). Die Mitspieler aus den regelmäßigen Runden, die Mitspieler meiner früheren Spielewochenenden (ok, bis auf den einen, den mit dem Schlüssel vom Hotel, lange Geschichte…). Und natürlich insbesondere die Hörer der drei Podcasts Brettspielradio, Brettspielbar und beeple Talk. Daher freue ich mich ganz besonders auf das Meet and Play am Freitagnachmittag, 14 – 18 Uhr, im Saal Europa. Kommt vorbei und lasst uns spielen. Oder quatschen. Oder einen Kaffee zusammen trinken. Oder alles drei auf einmal. Ich freue mich riesig auf die fünf (ja, wir sind bei der Preview Night) schönsten Tage des Jahres. Mit Euch!

Matthias NagyMatthias:
Die Spiel in Essen. Früher nannte ich es das Weihnachten des Jahres. Alle die tollen neuen Dinge die es gibt sind da gekommen und wir konnten alle die kleinen und großen Dinge bestaunen. Das geht noch immer. Dann nannte ich es das Klassentreffen des Jahres. All die Menschen die ich treffen konnte, mit denen ich Zeit verbrachte und mit denen ich endlich mal wieder reden konnte. All das ist es noch immer und ich kann es immer noch machen. Inzwischen ist es das Finale. Das worauf man 12 Monate hingearbeitet hat. Projekte die fertig sind und endlich von den staunenden Spieler gespielt werden. Es sind die Massen die sich durch die Halle drängeln und die Spiel als Weihnachten oder als Klassentreffen erleben. Und es sind die Meetings, die als Startschuss für das nächste Produktionsjahr gelten oder um die Erfolge des aktuellen Jahrgangs weiter zu verwerten. Es ist Stress und Arbeit, aber es ist positiver Stress und tolle Arbeit. Und seit meine Frau dabei ist und ich auch Mitarbeiter habe, erlebe ich das als tolles Team-Event. Und dieses Jahr läuft alles ziemlich glatt, Die Zutaten sind alle erledigt, das meiste ist schon produziert, der Transport ist gesichert, der Stand steht schon. Es fehlen eigentlich nur noch die Gewürze, die Menschen, die die aus dem Essen das Essen machen. Ich freue mich einfach. Und wenn ihr mich seht oder erwischt. Sprecht mich kurz an. Für ein Hallo und ein High Five oder eine Checker-Faust sollte es eigentlich immer reichen, wenn auch vermutlich oft nicht für mehr. Aber es gehört für mich dazu.


Peer
:
Es gibt kein Bier auf Hawaaii und seit Azul auf der Spielemesse: Mir ist kein Spiel in der Vorbereitung begegnet, über das sich alle einig sind, dass es gut und originell ist und eine leichte Einstiegshürde hat. Sicher, es gibt eine Handvoll Roll &n Writes und natürlich die üblichen komplexen Euros, aber keines davon springt mich schon von den Regeln her an. Ist das schlimm? Nö. Mir gehts da wie Jürgen – Es sind die Leute, die mich an der Messe reizen, nicht die Spiele. Oder besser: „nicht nur“. Und wenn Spiele, dann vor allem aus exotischen Ländern, wie Taiwan (ich habe für knapp 100€ bei Taiwanese Boardgame vorbestellt), Russland (insbesondere Cosmodrome) oder die USA (die überraschend schwierig hier zu bekommen sind, will man nicht Millionen für Porto ausgeben). Nächstes Jahr kommt dann vielleicht noch Großbritannien hinzu (Unfun Fact: Die britischen Verlage haben nach der Messe noch 4 Tage Zeit ihren restlichen Kram nach Hause zu bekommen, wenn sie nicht die Brexit-Hölle des Einfuhrchaos durchschreiten wollen). Iran wird leider auf der Messe fehlen – das Auswärtige Amt hat nach jetzigem Stand die Visen aller Iraner abgelehnt (ein Verlagsmitarbeiter ist Amerikaner und hat sein Visum bekommen). Die Politik beeinflusst die Spieleszene, auch wenn das Leute nicht wahrhaben wollen. Warum die Visumansträge abgelehnt wurden, weiß nur die Botschaft in Teheran. Aber eine kleine Anekdote aus meiner Vergangenheit: Als ich noch in Thailand gewohnt habe, habe ich auch von einigen Freunden mitbekommen, dass deren Anträge kommentarlos abgelehnt wurden – um dann auf Nachfrage dann doch genehmigt zu werden. Hier hat sich die Messeleitung aber schon bemüht, Einfluss geltend zu machen, die Botschaft in Teheran ist wohl deutlich strikter. Rein aus Konsumentensicht lässt sich das natürlich verkraften – es gibt genügend Spiel zu sehen. Aber natürlich fördert so ein Iranischer Messestand (und die Leute und Spiele dazu) das Verständnis der Kultur – wo wir wieder beim Schlagwort „Kulturgut Spiel“ wären… Indonesiens Messestand steht dieses Jahr auch primär unter dem Fokus die Indonesische Spielekultur zu zeigen – verkauft wird da wohl nur wenig bis gar nichts. Aber Verlage haben die Möglichkeit dort Kontakte zu knüfen und Spiele zu „signen“. Mal sehen wie gut das klappt. Was ich dieses Jahr nicht sehen will: Nachrichten über Messeüberfälle. Eine Möglichkeit sich davor zu schützen sind Kreditkartenzahlungen, aber das ist ein weiterer Kostenfaktor für die Verlage. Die andere ist eine höhere Präsenz der Security – so wie es letztes Jahr schon zumindest am Wochenende praktziert wurde. Es hilft aber auch wenn man als Kunde niemanden bedrängt, Abstand hält und seine Augen aufsperrt. Um meinen etwas chaotischen, politischen und belehrenden Absatz noch mit einer kleinen Empfehlung abzuschließen: Das Minecraft-Brettspiel von Ravensburger ist gut für den Minecraft-Fan von Nebenan und auch meine KInder (6 und 11) spielen es gerne. Für den Vielspieler vielleicht etwas zu glücksabhängig und zu wenig neues, aber für den Nicht-ganz-so-viel-Spieler eine runde Sache, denke ich.

Peer Sylvester
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