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Kung Fu

Verlag: Good Game Design
Autor: Zong-Hua Yang
Spieleranzahl: 2-5
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 20 Minuten

Was mir in jedem Jahr an der Spiel besonders gefällt, ist die große Auswahl an internationalen Spielautoren, die ihre Werke dort vorstellen. Spieldesign ist mehr als nur technisches Handwerk. Ein Spiel ist auch Produkt der örtlichen Spielkultur. Oder um es anders zu sagen, es ist ein Ausdruck das persönlichen Spielemillieus des Autors.

Diese Unterschiede kann man manchmal bereits an der Präsentation erkennen. So ist ein französisches Spiel wie Seasons stark vom Zeichenstil geprägt, voll üppiger Farbenpracht und einfallsreicher Motive. Die Aufmachung ist wichtiger Bestandteil des Spielerlebnisses und speist sich nicht selten aus der lebhaften Genre der bande dessinée (Comics). In Spielen erkennt man diese durch den Hintergrund geprägten Unterschiede auch daran wie ein Autor Hürden in seinem Spiel angeht, oder welche Aspekte nach vorne gestellt und welche eher klein gehalten werden. Ein Spiel wie Machi Koro wehte wie ein frischer Wind durch manche Spielrunden, weil es einen so starken Wert auf Glücksspiel und Würfelei legte. Manche Verlage sehen ein starkes Zufallselement (immer noch) als Zeichen dafür, dass ein Spiel eher für Kinder und Familien geeignet ist, als für erfahrene Spielstrategen.

Kung Fu von Designer Zong-Hua Yang, veröffentlicht von Good Game Studio unter dem Taiwan Boardgame Design Banner, spielt sich ein wenig wie eine Kombination aus Seasons und Machi Koro. Es beginnt wie auch Seasons damit, dass man Karten draftet. Das heißt aus einer Hand von Karten wählt man eine aus, und gibt die restlichen an seinen Nachbarn weiter bis man seine Spielhand Stück für Stück zusammengestellt hat. Später wählt man drei Karten aus, um sie in der laufenden Runde zu nutzen. Die zweite, kämpferische Hälfte des Spiels erinnert an Machi Koro. Die Würfel fügen dem Spiel ein Glücksspielmoment zu, welches immer wieder für viel Emotionen zu sorgen weiß.

Von Carl Douglas fehlt jede Spur

Das ist eigentlich schon das gesamte Spiel. Man sucht sich 10 Karten zusammen. Wählt für jede Runde drei davon als Angriff und Verteidigung aus. Dann werden 7 Würfel gewürfelt, eventuell angepasst und dann schaut man welche Kampfaktionen damit ausgeführt werden können. Nach maximal drei Runden ist der Kampf vorbei. Wer am Ende noch steht, oder besonders fit ist, hat das Spiel gewonnen.

Diese Kompaktheit kann ein Spiel unscheinbar wirken lassen. Denn jedes Jahr sind die Hallen der Spiel in Essen mit Neuerscheinungen vollgestopft. Da ist es nicht einfach aufzufallen. Kung Fu sollte das aber dennoch gelingen, selbst wenn es einen Zeichenstil pflegt, der eher spezielle Vorlieben und Geschmäcker bedient.

Kung Fu funktioniert so gut, weil das Design schnell und mit Schmackes auf den Punkt kommt. Die Aufgabe ist klar: die eigenen Angriffe und Verteidigung gut ausgleichen, um seine Gegner auf die Bretter zu schicken, ohne selbst umgehauen zu werden. Dank der Würfel in der zweiten Spielhälfte wird eine der größten Schwächen von Draftingspielen oder kombo-basierten Kartenspielen umgangen. Die Karten gut zu kennen führt nicht zwingend zu einem spielentscheidenden Vorteil. Stattdessen hilft diese Erfahrung schnell und selbstsicher Entscheidungen zu treffen, ohne dabei den Ausgang des Kampfes vorwegzunehmen.

Noch wichtiger hingegen ist, dass die Entscheidung darüber, welche Karte man behält, beinahe umgehend Auswirkungen zeigt. Kung Fu’s kurze Spieldauer (etwa 20 Minuten) ist kein Beleg dafür, dass ein vermeintlich albernes Spiel einen nicht lange an den Tisch binden darf. Es zeigt vielmehr, dass hier keine Sekunde vergeudet wird, um zur Sache zu kommen. Durch diese Unmittelbarkeit gewinnt das Spiel enorm an Fahrt.

Diese Kampfpose trägt den Namen: „Uff’s Maul?“

An Kung Fu sitzt einfach alles. Die 10 gesammelten Karten passen die Grundwerte des eigenen Kämpfers an. Darunter fallen Lebenspunkte, Angriffs- und Verteidigungsboni, sowie die Möglichkeit einzelne Würfelwerte im Nachhinein zu verändern. Jede Regel hat einen klar erkennbaren Zweck und nachvollziehbare Anwendung. Jede Entscheidung, die man fällen muss, ist einfach zu verstehen ohne dabei banal zu sein. Man kann nicht deutlich genug sagen wie schwer es ist diese Balance richtig hinzubekommen. Aber das ist auch der Grund weshalb sich Kung Fu so flüssig runterspielen lässt.

Dabei ist diese sparsame Designarbeit kein Vertreter des Microgame-Minimalismus. Kung Fu ist nicht so herunterreduziert, dass es vorwiegend als Erlebnis funktioniert. Stattdessen wird die Zeit zwischen einer Spielerentscheidung und ihren Folgen aufs Kürzeste heruntergebrochen. Die gedrafteten Karten reifen nicht über mehrere Runden, um am Ende in einem Siegpunkte-spendenden Blumenstrauß aufzugehen. Man nimmt sich eine Karte, setzt sie kurz darauf ein und wenn die Würfel es wollen, haut man seinen Gegnern ordentlich was um die Ohren.

Dennoch ist das Spiel nicht ohne schweren Fehler, der wohl dazu beiträgt, dass es kein großes Publikum finden wird. Kung Fu sieht aus wie ein Spiel, bei dem versehentlich die Dateien des Prototypen an die Druckerei geschickt wurden. Auf jeder Karte nimmt ein Kämpfer eine passende Pose ein. Leider erinnert der Zeichenstil eher an die Kritzeleien, die ein angehender Künstler während einer besonders langweiligen Vorlesung über das Wirtschaftssystem des 16. Jahrhunderts in seinem Transkript verewigt hat. Die unruhige Strichführung hat zwar einen gewissen Amateur-Charme, aber lässt vermuten, dass man es mit einem schludrigen und ungelenken Spiel zu tun hat. In Wirklichkeit aber spielt sich Kung Fu wie ein Traum.

Georgios Panagiotidis
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