Eigentlich wollte ich diesen Artikel mit einem typischen Fehlschluss anfangen. Ich wollte dabei ein bekanntes Beispiel bringen und aufzeigen, wie das falsch interpretiert werden kann. Die meisten Fehlschlüsse, die mir dann aber eingefallen sind, sind ins politische abgeglitten oder haben was mit Aluhutträgern zu tun. Und auch wenn ich den Kampf gegen undemokratische Parteien für wichtig halte, so wollte ich eigentlich heute über Brettspiele reden.
Fangen wir mit diesem Artikel an (auch auf BGG). Nathan McNair, der Autor des Artikels, ist einer der Eigentümer von Pandasaurus und er hat in etwa dreieinhalb Tausend Wörtern erklärt was das Problem mit seltenen Spielen ist. Da ich nicht davon ausgehen möchte, dass alle den Artikel gelesen haben (ich würde es dennoch empfehlen und warte hier auch so lange), gebe ich mal eine Zusammenfassung: Es geht darum, dass sich eine große Menge an Leuten darüber beschwert, dass es schwierig ist bestimmte Spiele zu erhalten und dass der Vorwurf aufkommt, diese werden mit Absicht selten gehalten, damit der Verlag mehr Reibach machen kann, was aber kompletter Blödsinn ist.
Er erklärt warum es Blödsinn ist. Es ist schwer zu sagen, welches Spiel erfolgreich sein wird und wie man eigentlich – selbst mit Vorhersagen – das nicht abschätzen kann. Denn die einzige Hilfe die Verlage haben, sind Großhändler, welche sich wiederum auf Händler stützen müssen, welche wiederum einschätzen müssen, wie ihre Kunden reagieren. Und Vorhersagen sind nicht immer so wissenschaftlich wie beim Wetter. Doch selbst wenn Meteorologen inzwischen so gut sind das Wetter für morgen vorherzusagen, sie scheitern oft genug schon an Übermorgen. Die wirklich erfolgreichen Trader an den Börsen haben Insiderinfos oder Glück oder sind einfach schneller als die meisten. In den Medien wird das nur anders vermittelt.
Nathan fängt erst an zu erzählen, wie schwer das Risiko abzuschätzen ist, und wie konservativ gearbeitet wird. Das mit garantierten 5.000 Stück besser gelaufen wird, als mit 10.000 Exemplaren, von denen die Hälfte übrigbleibt. Ganz normale Risikoabschätzung, die eigentlich jeder Spieler eines Eurospiels im Blut haben müsste, nur im echten Leben scheinbar nicht aufrufen kann. Wenn das Spiel ein Erfolg wird, wird sofort nachgedruckt. Das (un)tolle ist, dass das natürlich nicht am nächsten Tag im Laden ist, sondern schon mal locker 3 Monate dauern kann. Im immer schneller werdenden Brettspielbusiness, wo ein Essen-Hit im Dezember schon kalter Kaffee ist, ist das natürlich zu lang für den Kunden.
Ich muss gestehen, dass ich persönlich bisher nicht in der Situation war nicht liefern zu können. Keins der Spiele, die ich auf den Markt geworfen habe, waren solche Hits bisher. Daher kann ich das nur aus der Ferne betrachten. Aber er hat Recht. Es ist nicht so einfach. Und je mehr spezielle Teile ein Spiel hat, wie etwa Flügelschlag mit seinen Eiern, desto länger kann es dauern bis das nachproduziert ist. Aber das ist dann auch die Aufgabe eines Verlages, das im Blick zu haben und im Notfall reagieren zu können.
Dann nimmt der Artikel aber eine Wendung.
Auf einmal geht es nicht mehr um die Superstars, sondern ums Risiko und was das für Pandasaurus bedeutet. Und auch wenn ich die Aussagen verstehe und für richtig empfinde, sie als Ergebnis des Artikels hinzustellen ist einfach ein Fehlschluss.
Distributoren reduzieren ihr Risiko, indem sie in die Breite gehen. Wenn sie das Kapital auf mehr Spiele verteilen, kann im Notfall das eine das andere auffangen. Händler machen das auch auf ihre Weise. Sie haben ein sehr breites Sortiment, oft von verschiedenen Distributoren eingekauft, um ihr Risiko noch weiter zu streuen. Das ist nicht neu. Das macht die Musikindustrie auch schon ewig, und das macht auch Hollywood. Wenn von 10 Filmen einer ein Hit wird, und zwei sich selber tragen, darf der Hit die anderen sieben mitfinanzieren. Alles nichts neues.
Aber Nathan geht den Jerry Maguire-Ansatz. Weniger Spiele mit mehr Betreuung. Auch John Zinser von AEG geht diesen Ansatz. Und weiß damit zu kämpfen. Und ich finde diesen Ansatz auch richtig und nachvollziehbar. Warum halbgare Ware auf den Markt werfen?
Das Problem kommt, wenn man bei Jerry Maguire die letzten 10 Minuten weglässt. Denn Jerry war ein gebeutelter Mensch kurz vor Ende. Er hatte alles verloren. Und wenn das Glück, wie es in einem Film dazu gehört, nicht eintrifft, dann wäre es nie passiert, dass es funktioniert hätte. Deswegen macht Hollywood auch 10 Filme, statt dem einen der ein Hit wird. Sie wissen es auch nicht. Aber dem Publikum will man ein Happy End geben, denn sonst geht es unzufrieden aus dem Kino.
Nathan hat in seinem Artikel am Ende gesagt warum nur Spiele nach dem Prinzip 3.000 Stück und durch, und dann zum nächsten Spiel eine Option sind. Und die Wahrheit ist, weil es die Rechnungen bezahlt. Und wenn was hängen bleibt und es ein Riesenhit wird, dann können aus den 3.000 gerne 30.000 werden. Und wie Nathan schon vorher schrieb, wer weiß schon, welches Spiel ein Erfolg wird. Wenn ich mich ins Zeug lege, um das große Spiel zu machen und es wird – um bei Nathans Analogie zu bleiben – nur Little Root und nicht Root, dann habe ich es nicht geschafft. Dann kann es sein, dass ich am Ende einfach pleite bin. Warum soll ein Publisher nicht auch sein Risiko streuen dürfen und lieber drei statt nur einem Spiel machen?
Der Ansatz, weniger Spiele zu machen und diese besser zu betreuen ist richtig. Gehen kann ihn aber eigentlich nur jemand, der das finanzielle Polster hat, falls es nicht funktioniert. AEG hat mit Thunderstone Quest und Mysthic Vale eine große Aufmerksamkeit und viel Umsatz. Das kann helfen. Hans im Glück hat mit Carcassonne ein Spiel, das den gesamten Verlag finanziert und wenn die zwei Spiele, die sie im Jahr machen, nichts werden, gehen sie davon nicht Pleite. Kosmos hatte schon viele Glücksgriffe mit Catan, Ubongo, Andor und nun auch noch Exit, oder wie ich zu sagen Pflege: Können ist, wenn Glück zur Gewohnheit wird. Da kann ein Fundament der Ewigkeit, was dann im Markt nicht so funktioniert, kein Beinbruch sein. Asmodee hat bei ihren Zukäufen sehr wohl darauf geachtet starke Titel unter ihre Hand zu bekommen. Sie haben in den USA Catan und Carcassonne und Zug um Zug und Agricola und vieles mehr.
Aber wenn ein kleiner Verlag nach einem oder zwei Spielen wieder verschwindet, kann es daran liegen, dass alles auf ein Pferd gesetzt wurde, und es wurde verloren.
Nathan hat da zwei wundervolle Artikel geschrieben, die leider zu einem zusammengewachsen sind. Beide haben ihre Berechtigung und sind richtig. Aber miteinander zu tun haben sie nichts. Da eine Verbindung zu sehen, wäre für mich ein klassischer Fehlschluss.
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