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Berlin-Con 2019 – Level up!

Die Berlin-Con 2019 ist nun seit einigen Tagen vorbei und mit der nötigen Distanz lässt sich vielleicht besser abschätzen, wie man diese Veranstaltung einzuordnen hat. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass sich der Umfang als auch die Professionalität der Veranstaltung deutlich gesteigert hat. Das ist zum Teil der neuen Örtlichkeit anzurechnen. Statt des vertikal aufgebauten und ironisch betitelten Kühlhaus, fand die Berlin-Con diesmal in der weitläufigeren Station Berlin statt. Das machte die Veranstaltung nicht nur einladender, sondern auch zu einem Ort an dem man sich dieses Wochenende gerne länger aufhielt.

Nicht nur die Zahl der Essenstände auf dem Innenhof hatte deutlich zugenommen, auch die Organisation und Menge der Ausstellerstände hat durch den Umzug gewonnen. So erinnerte die Ausstellerhalle an die Messehallen der Spiel in Essen. Nur mit der dankenswerten Besonderheit, dass man sich gut und ohne Gedränge von Stand zu Stand bewegen konnte. Der Vergleich mit den Internationalen Spieletagen ist dabei in keinster Weise als Kritik, sondern ausschließlich als Lob zu verstehen. Während Berlin in den letzten Jahren in Sachen Brettspiel-Events durchaus dünn aufgestellt war, ist der Berlin-Con spätestens jetzt eine deutliche Ansage. Hier in Berlin wird Brett gespielt!

Die Aufteilung des Geländes in eine Aussteller- und eine Spielhalle macht aber auch sofort deutlich, dass die Berlin-Con einen anderen Schwerpunkt setzt als die Spiel. Letztere ist die wohl wichtigste internationale Neuheitenmesse der Branche. Die Berlin-Con setzt hier jedoch die Spielergemeinschaft, also die “Community” an oberste Stelle.

Konkret lässt sich das an der üppig aufgestellten Spielebibliothek erkennen, bei der man ohne Probleme Spiele ausleihen und vor Ort spielen konnte. Das Angebot reichte von Familienspielen oder Partyspielen wie Bang! bis hin zu schweren Brocken wie Brass Lancashire oder das nicht mehr erhältliche Verbotene Welten. Die oft hohe Auslastung der Spieltische zeigt dabei, dass dieses Angebot von den Besuchern mit offenen Armen empfangen wurde. Hier kamen frisch gekauftes wie auch alte Klassiker (in diesem Zusammenhang bedeutet das Spiel aus den Jahren 2015-2018) auf den Tisch.

Dieser Schwerpunkt auf das Spielen selbst, hebt die Berlin-Con in meinen Augen deutlich von anderen, eher nach innen gerichteten Speilveranstaltungen ab. Hier trifft sich nicht nur eine große Bandbreite der lokalen Gesichter, sondern auch Spieler aus dem unmittelbaren Umland (ja, in Brandenburg sollen wieder Brettspieler wohnen), kommen hier zusammen. Es wird deutlich, dass die Berlin-Con Wasser auf den trockenen Boden der Brettspielzene in und um Berlin gießt.

Der öffentlichen Spieletreffs gibt es in Berlin durchaus nicht wenige, aber sie alle leiden ein wenig darunter, dass das Klientel dann doch spezialisierter und, ja, auch nerdiger wirkt, als es etwa eine Veranstaltung wie die Berlin-Con suggeriert. Ganz davon abgesehen, dass gerade Brettspieler es oft schwer haben toxische Persönlichkeiten in ihre Schranken zu weisen. Ein Problem, welches in privaten Runden mit etwas Unwohlsein gelöst werden kann; aber in öffentlichen Veranstaltungen sich oft nur durch anhaltende Abwesenheit bemerkbar macht.

Wenn die Berlin-Con einen Feind hat, dann ist es auch dieses Jahr wieder das Wetter bzw. die Temperaturen außerhalb und innerhalb der Hallen. So war die Ausstellerhalle aufgrund des direkten Sonneneinstrahls in einzelnen Bereichen, und geringer Luftzirkulation in den anderen eine schweißtreibende Angelegenheit; selbst wenn man nur gesessen und gespielt hat. Die Spielhalle war im direkten Vergleich einige angenehme Grad kühler. Das machte den Spielbereich ungewollt attraktiver, was sicherlich auch kein Fehler ist.

Aufsehenerregend war in der Berlin-Con sicherlich der Flohmarkt, der bereits kurz nach Öffnen der Tore eine derart lange Warteschlange nach sich zog, dass diese sich wohl durch die gesamte Ausstellerhalle bis hin zum Laufgelände zog. Nachdem sowohl Aussteller als auch Brandschutz sich zu Wort meldete, legte sich der Andrang mit der Zeit. So konnten dann spätere Flohmarktbesucher über ambitionierte Preisvorstellungen für Spiele schmunzeln, die vermuten ließen, dass der Verkäufer sich nicht wirklich vom Spiel trennen wollte.

Aber Brettspieler sind nun auch oft Schnäppchenjäger, weshalb die besonders begehrten Artikel dann auch schnell einen Abnehmer fanden und fleißige Sammler umgehend mit großen Tüten beladen ihre Errungenschaften zum Auto schleppten. Der Flohmarkt wirkte zu Beginn der Veranstaltung wie ein alles zu sich ziehende Masse, die erst mit der Zeit an Reiz verlor. Das mag die Con kurzfristig ins Stocken gebracht haben, aber ob es eine bessere, oder sogar faire Lösung gibt, das im nächsten Jahr anders zu handhaben, kann ich nicht einschätzen. Zumindest rutscht der Flohmarkt auf meiner To-Do-Liste so deutlich nach unten.

In einem Gespräch mit einem der ehrenamtlichen Helfer der Berlin-Con, konnte ich auch einen kurzen Einblick darüber gewinnen, wie Leute zur Berlin-Con und auch zum Brettspiel kommen, die nicht schon seit über 15 Jahren Resourcen zu Siegpunkten umwandeln. So wurde Splendor zum Einsteigerspiel und Terra Mystica zum Folgespiel, mit dem das Hobby einen neuen treuen Anhänger gewann. Auch die Mithilfe schien in diesem Fall nicht direkt über das Hunter&Cron-Fan-Dasein zu kommen, sondern freiwillige Hilfe, um etwas Tolles auf die Beine zu stellen. Ganz ohne monetäre Vergütung. Aber das ist nicht die einzige Art wie die Berliner Start-Up Kultur auch auf der Berlin-Con am Leben gehalten wird.

Neben dem Blick hinter die Kulissen, und dem gelegentlichen Erstkauf-Recht bei einem besonders begehrten Flohmarkt-Angebot, gibt es auch prestige-trächtige “Team”-Badges. Ein typischer YouTuber läuft eben doch mit deutlich geschwollener Brust und einem Hauch von Wichtigtuerei durch die Gänge, wenn er aufgrund des eigenen Anhängers überall Zutritt erhält. Community schon und gut, aber es geht manchen eben nichts darüber zu den Very Important Gamers zu gehören.

Die Berlin-Con war eine Veranstaltung, die beeindruckt hat und zumindest mich mit einem mehr Zuversicht in die Zukunft der lokalen Spielszene blicken lässt. Aber auch, da Berlin nun mal durchaus eine Stadt mit Signalwirkung ist, auch auf das Hobby als solches. Während die Neuheitenschau in Essen immer deutlicher vom internationalen Fachpublikum dominiert ist, kann sich die Berlin-Con sichtlich anders positionieren. In wenigen Jahren könnte sie die Brettspiel-Veranstaltung für Jedermann und Jederfrau sein, der es gelingt jenseits des Vielspieler-Klientels neue Menschen für das Hobby zu begeistern. Da passt die zeitliche Nähe zur Spiel des Jahres Verleihung am darauffolgenden Montag morgen zumindest thematisch perfekt.

Ansprechend und einladend ist die Berlin-Con schon dieses Jahr gewesen. Jetzt muss es sich nur noch bei den Menschen jenseits unserer eingeschworenen Spielegemeinde herumsprechen.

Georgios Panagiotidis
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