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Die Kinderspiele des Jahres

Die Wahl zum Kinderspiel des Jahres wurde hier traditionell etwas stiefmütterlich behandelt. Aber da am Montag die Preisverleihung ist und ich diesmal mehr oder weniger zufällig alle drei Nominierten mit meinen Kindern spielen konnte, bietet sich einmal an, die drei aus meiner Sicht hier ausführlich vorzustellen.

Was mir vorher noch nicht aufgefallen ist: Der KSdJ hat gegenüber den anderen Pöppeln der Jury eine weitere Hürde zu nehmen. Ist es in Rot schon schwierig Spiele verschiedener Genres miteinander zu vergleichen (Azul oder The Mind?), müssen hier auch Spiele für verschiedene Altersklassen miteinander verglichen werden. Funkelschatz richtet sich z.B. an eine andere Altersklasse als Panic Mansion. Ich merke das schon an meinen eigenen Kindern: Das eine wird von meiner Fünfjährigen geliebt, das andere von meiner Neunjährigen. Beide würden das jeweils andere Spiel niemals von sich aus vorschlagen. Emojiito geht mit beiden, ist aber jeweils unter den hier vorgestellen nur jeweiils zweite Wahl. Vielleicht die Kompromisslösung morgen?

Über Funkelschatz (von Günter und Lena Burkhardt, erschienen bei Haba, 2-4Spieler, Spieldauer 10-15 Minuten, ab 5 Jahren) hat Jürgen bereits was gesagt. Im Prinzip wird eine becherähnliche Konstruktion verkleiner und die Spieler versuchen zu schätzen welche Edelsteinfarbe dabei hauptsächlich herausfällt. Die Altersklasse ab 5 ist dabei traditionell schwierig: In diesem Alter wollen die Kinder schon überall mitspielen, können aber meistens noch nicht lesen oder schreiben. Simpelspiele funktionieren nicht mehr unbedingt und das Thema muss stimmen. Das alles ist bei Funkelschatz der Fall. Vor allem ist es aber originell: Kinder haben realitische Siegchancen, ohne dass es einen Memory-Effekt gibt. Hier muss man sich nichts merken! Es geht ja um reines schätzen – und auch wenn ich Funkelschatz sicherlich nicht in einer Erwachsenenrunde auspacken würde, fühle ich mich beim spielen nicht genervt oder unterfordert. Die Kinder finden es spannend und freuen sich, dass sie hier gewinnen können. Zudem funktioniert Funkelschatz auch ohne Spaßverlust zu zweit, was ich ja recht wichtig finde. Aufgrund der Originalität und dem Spielspaß für die Altersgruppe definitv ein guter Kandidat – aber es ist auch altersspezifisch. Kein Spiel für die ganze Familie. Ich weiß nicht, ob das ein Kriterium beim KSdJ ist, aber vermutlich eher nicht – dafür ist ja der Hauptpreis da!

Panic Mansion (von Asger Harding Granerud und Daniel Skjold Pedersen, erschienen bei Blue Orange/Asmodee, 2-4 Spieler, Spieldauer 10-20 Minuten, ab 6 Jahren) könnte meine jüngere von den Regeln her auch spielen (und hat das auch getan). Nur hat sie noch nicht die Motorik ihrer älteren Schwester oder ihrer Eltern und daher ist der Frustfaktor eher hoch. Panic Mansion ist nämlich ein waschechtes Geschicklichkeitsspiel.

Sie kennen vielleicht diese Geduldsspiele, bei denen man kleine Metallkugeln in noch kleine Löcher bugsieren muss, in dem man den Kasten bewegt? Panic Mansion ist im Prinzip dasselbe, nur hat man hier einen in Räume unterteilten Kasten und man muss bestimmte Gegenstände in einen bestimmten Raum bugsieren. Und statt Kugeln ist alles mögliche Zeugs drin, und verschiedene Dinge bewegen sich unterschiedlich: Die Kugeln sind von Natur aus sehr kugelig, während die Plastikspinnen mittlere Gewaltanwendung benötigen um aus dem Knick zu kommen. Ziel ist das Erledigen einer Auftragskarte und das ist völlig in Ordnung, da es ein Geschwindigkeitsspiel ist: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst! Das ist aber eben auch das potentiell frustrierende für die jüngeren Geschwister – wer nie eine Karte abbekommt, ist schnell frustriert. Nach oben hin ist der Schwierigkeitsgrad aber mit Hilfe diverser Varianten skalierbar.

Meine ältere Tochter und deren Freunde mögen Panic Mansion sehr, weil es schnell geht und eigentlich keine Erklärungen benötigt. Es sit herrlich frustrierend, wenn man nur…noch..diesen…Klotz…da rein..argg…jetzt…ist..die Schlange …im Weg… jetzt aber…nein der…Geist …ist …wieder…zurück..mist, jemand anders ist fertig. Wie auch bei Funkelschatz musste ich mich auch hier spielerisch nicht zurücknehmen.

Mir persönlich bietet das Spiel nicht genug Wums, als dass ich es ohne Kinder auf den Tisch bringen würde. Letztlich ist es eben ein aufgebohrtes Geduldsspiel – es ist sehr gut aufgebohrt, vermutlich das Maximum, was man aus der Idee herausbohren kann (wegen der verschiedenen Figuren und Spielmodi), aber es ist eben auch eine Idee die nicht viel Tiefe bietet. Meine Lieblings-Geschicklichkeitsspiele bieten entweder noch einen Zungenschlag Taktik oder zumindest etwas Push-Your-Luck (wie z.B. Looney Quest). Panic Mansion fragt nur eine Fähigkeit ab: Kleine Dinge möglichst schnell von A nach B zu bewegen. Das ist im Rahmen dieser rezensionsähnlichen Besprechung von Belang – für die Preisvergabe morgen aber eher nicht. Da dürfte es in erster Linie auf den Spielspaß ankommen.

Oder doch? Rein innerhalb der jeweils spezifizierten Altersgruppe kommen beide Spiele gut an, aber Funkelschatz ist für mich noch etwas origineller, besonderer. Wenn ich nach Empfehlungen gefragt werde, würde ich für die jeweilige Altersklasse immer Funkelschatz empfehlen, aber für die andere würden mir andere Spiele einfallen, bevor mir Panic Mansion einfällt. Panic Mansion ist als Geschenk eine gute Wahl, aber es ist keine herausragende Wahl.

Zu Beginn der Besprechung von Emojito! (von Urtis Šulinskas, erschienen bei Desyllas/Huch, 2-14 Spieler, Spieldauer ca 20-30 Minuten  ab 7 Jahren) ein bisschen investigativer Journalismus: Die Aussprache des Titels richtet sich nach „Emoji“, nicht nach „Mohito“.

Die Idee bei Emojito! ist simpel: Mache das Gesicht nach, dass Du auf einer Karte siehst und die anderen müssen die Karte identifizieren. Bereits vor zwei Jahren hatte meine Tochter ein Spiel mit dem Titel Face Game, dass aber leider komplett durchgefallen ist. Emojito! macht einiges besser als das damalige Face Game: Erst einmal sind die nach zu machenden Bilder keine Fotos, sondern witzig gezeichnete Bilder, meistens Tiere, manchmal auch unbelebte Objekte (wie Kaugummi) mit Gesichtern. Das ist deutlich lustiger und herausfordernder. Dann muss das Gesicht lediglich aus insgesamt 7 Karten herausidentifiziert werden (Bei Face Game waren immer alle Karten in der Auslage). Und drittens kann jeder mit Drehscheibe raten und punkten und je mehr Spieler das Gesicht erkennen, desto besser für den Grimassenschneider. Handwerklich ist aus meiner Sicht die Idee wirklich optimal herausgearbeitet worden. Das ist gut – denn die Idee ist so einfach, dass entgegen der Altersangabe auch meine Fünfjährige mitspielen kann. Umgekehrt hatten beim Beeple-Wochenende auch die Erwachsenen ihren Spaß – um 2.00 morgens. Die perfekte Wahl?

Nicht unbedingt.

Ich kreide dem Spiel nicht an, dass es zu zweit eigentlich nicht gut  funktioniert (dass es funktioniert liegt daran, dass man es auch kooperativ spielen kann) – das ist bei Partyspielen eben so. Der Grund warum das Spiel auch bei meinen Kindern -die beide mitspielen! – nicht erste Wahl ist, ist dass es zwar lustig sein kann, man aber in der richtigen Stimmung dafür sein muss. Nicht immer ist das schneiden von Grimassen lustig. Manchmal ist die Wahl eindeutig, manchmal ist sie zu beliebig. Nicht alle Gesichter machen automatisch Spaß. Bei Face Cards von Ravensburger (funktioniert anders, aber es geht auch um Gesichter), ergibt sich die Komik schneller von selbst und das Spiel bietet darüber hinaus noch etwas mehr. Emojito! kann ein tolles, spassiges Erlebnis sein, es kann aber auch frustrieren (wenn derselbe Spieler immer danebenliegt) und es kann auch mal ein Karten abarbeiten sein – ich habe schon alle Spielverläufe miterlebt.

Objektiv betrachtet sind die drei Kandidaten vermutlich ziemlich gleich auf- und das auf einem hohen Niveau. Alle drei kann ich mir als Preisträger vorstellen. Wünschen würde ich mir aber Funkelschatz.

ciao

peer

Peer Sylvester
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