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Verlagsvorstellung: Helvetiq

Mit den Spielen von Helvetiq habe ich seit Essen schon ein bisschen geliebäugelt: Sie sehen einfach so verdammt super aus! Ich hatte in Essen  selbst aber keine Zeit für den Verlag, aber irgendwann ist auch Zeit für ein Interview mit dem Verlagsgründer Hadi Barkat! Da der Verlag zudem so großzügig war, mir ein paar Freiexemplare zukommen zu lassen, gibt es ein paar Spieleeindrücke am Ende!

Bitte stelle Dich und Helvetiq kurz vor!

Ich habe den Verlag Helvetiq vor 10 Jahren gegründet. Damals hab ich die Schweizer Staatsbürgerschaft beantragt. Während dem Einbürgerungsprozess ist mir aufgefallen, dass viele meiner Freunde wenig über ihr Land wissen. So ist mir die Idee für das Spiel Helvetiq gekommen, um auf spielerische Art die Schweiz kennenzulernen. Das Spiel war – und ist noch immer – sehr erfolgreich. Von da an haben wir weitere Spiele, nicht nur über die Schweiz, entwickelt. Wir kreieren Gesellschaftsspiele für die ganze Familie, die schnell erlernt sind, damit man möglichst rasch mit dem Spielen beginnen kann. Für alle die, die Helvetiq noch nicht kennen, empfehlen wir Bandido als Einstiegspiel. Im Moment ist das unser Bestseller und kommt bei Gross und Klein gleich gut an.

Heute besteht Helvetiq aus einem internationalen Team von neun Leuten. Unsere Spiele werden in über 20 Ländern vertrieben, auch in Deutschland via Spiel direkt. Unser Büro liegt in Basel. Etwa 3 km von der deutschen Grenze entfernt.

Übrigens sind wir wohl der einzige Spielverlag, der auch ein Buch mit dem Namen Bierwandern veröffentlicht hat. :) Wir publizieren nämlich auch Bücher aller Art.

Was würdest Du sagen, charakterisiert Helvetiq-Spiele?

Wie bereits erwähnt, fokussieren wir vor allem auf einfache und schnelle Gesellschaftsspiele mit grossem Spielspass. Einige würden wahrschienlich sagen, dass das Format der kleinen Taschenspiele, die man überall hin mitnehmen kann, auch typisch Helvetiq ist. Das Design charakterisiert unsere Spiele sicherlich auch. Wir legen grossen Wert auf die visuelle Gestaltung unserer Spiele. Als Verlag wollen wir immer wieder für Überraschungen sorgen und setzen uns selbst möglich wenig Grenzen. Kreativität und Spass übertrumpfen bei uns normalerweise wirtschaftliche Überlegungen.

Was habt ihr für die Zukunft geplant?

Dieses Jahr ist unser erstes Spiel mit Holzteilen erschienen. Team UP ist eine Art Tetris in 3D, das auf einer Mini-Europalette gespielt wird. Die Verpackung aus Kraftpapier passt wunderbar zum Inhalt, finden wir. Diese Reihe von Holzspielen wollen wir in nächster Zeit vergrössern.Bald erscheint auch unser neues Spiel Kartel von Rainer Knizia. Die originellen Illustrationen der Gangsterbosse werden die Spieler hoffentlich zum Schmunzeln bringen.

Für 2019 haben wir ausserdem ein Outdoor-Spiel geplant, sowie ein komisches Partyspiel von einem koreanischen Spielautor. Wie vorhin gesagt, gibt’s für uns kaum Grenzen, wenn es darum geht, neue Sachen auszuprobieren.

Wir sind eigentlich immer offen für neue, unerwartete Projekte, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Wir sind also selbst auch gespannt, was die Zukunft bringt.

Ihr habt eine ganze Reihe mit „Streichholzspielen“ – Hat sich das so ergeben oder war das geplant? Wie kam es dazu?

 

Als Erstes sollten wir vielleicht festhalten, dass sich in den Spielen keine echten Streichhölzer befinden sondern Holzstäbchen.Die Idee für diese Reihe kommt von einem alten Spiel mit Streichhölzern, welches ich oft mit meiner Familie im Urlaub gespielt habe. Danach haben wir uns die kreative Herausforderung gesetzt, komplett unterschiedliche Spiele zu kreieren, die alle das gleiche Format und Spielmaterial (Karten und Holzstäbchen) haben. Dazu kommt, dass uns das Format der Strichholzschachteln einfach gefällt und wir die Spiele auch als Gegenstände schön finden. Man kann sie auf einem Couchtisch liegen lassen und sie sehen gar nicht wirklich aus wie Spiele.

 Nehmt Ihr auch Spieleideen von Außenstehenden an? Wenn ja, wie geht man am besten vor?
Ja, wir nehmen auch Ideen von externen Spielautoren an. Dabei ist es am einfachsten, uns eine kurze Zusammenfassung oder vielleicht sogar ein Video des Spiels zu schicken. Bei Interesse fragen wir dann einen Prototypen an. Unsere Entscheidungsmonate sind April und Oktober.
Wenn jemand mit einer oder mehreren Spielideen bei uns im Büro in Basel vorbeikommen will, ist er oder sie jederzeit herzlich willkommen. Wir freuen uns immer, Spielautoren persönlich kennenzulernen. Es vereinfacht auf jeden Fall den Arbeitsprozess und ermöglicht eine schnellere Rückmeldung.
Vielen Dank für das Interview!

Jetzt zu meinen PEEPS der von mir ausprobierten Spiele:

Bandido

Das Bandido ein großer Hit ist, düfte sicherlich auch an Eric Martin liegen, der das Spiel auf BGG vorgestellt hat. Aber auch daran, dass die Schachtel schön klein ist (ähnlich der OINK-Spiele). Und vor allem daran, dass das Spiel originell ist und Spaß macht! Prinzipiell ist Bandido so quasi Saboteur – die kooperative Patience oder so: Reihum legen die  Spieler Tunnelkarten an die Auslage mit dem Ziel alle Ausgänge zu verschließen – entweder durch Sackgassen oder durch das Verbinden zweier loser Enden zu einem „Kreiverkehr“. Dabei kämpft man ständig gegen Windmühlen: Für jeden Gang, den man verschließt tauchen zwei neue auf. Dabei gelingt dem kleinen Spiel die für kooperative Spiele wichtige Gradwanderung aus „Das schaffe ich nie“ und „Wir stehen kurz vorm Sieg!“. Abgesehen davon, dass die Auslage recht raumgreifend ist, ist Bandido ein ideales Reisespiel. Meine ältere mag es ebenso und da die Spieldauer kurz ist, wird man es gerne immer wieder rausholen. Der Autor Martin Nedergaard Andersen hat hier vielleicht sein bisher bestes Spiel abgeliefert. Hier spreche ich eine klare Empfehlung aus!


Roadkill

Roadkill würde ich dagegen nicht uneingeschränkt empfehlen. Das liegt aber in der Natur des Spieles: Roadkill ist ein hundsgemeines Ärgerspiel und liegt nicht unbedingt in der Zielgruppe dieses Blogs.

Prinzipiell hat jeder Spieler einen Straßenabschnitt und eine Kartenhand mit Tieren und Sonderkarten. Ziel ist es, am wenigsten tote Tiere bei Rundenende auf Straße und Hand zu haben und daher muss man die übergefahrenen Vierbeiner beim Gegner ablagen. Wortwörtlich. Tote Tiere können mit passenden lebenden Tieren reanimiert werden und umgekehrt. Sonderkarten verschieben ebenso Karten bei sich und beim Gegner, blockieren Straßenabschnitte oder blockieren Tierkadaver bis zum Rundenende.

1000 KM oder Mille Bourne ist so etwas wie der Urvater des „Ärgerkartenspielgenres“(Hier ein passender Meilenstein). Roadkill ist das, was übrig geblieben ist, wenn das Autorennen von Mille Bournes beendet ist. Quatsch, so wollte ich den Satz gar nicht beenden! Also noch mal: Roadkill ist das, was einem „modernen 1000 KM“ am nächsten kommt (vom genialen Saboteur einmal abgesehen). Ja, es ist immer noch ein Ärgerkartenspiel, mit allem was das bedeutet (hoher Glücksfaktor, viel negative Interaktion…), aber mit einigen potentiellen Entscheidungen  (wenn man die Karten hat), passender Spieldauer und vor allem einen schönen Rhytmus, der zu großen Frust verhindert: Die einzelnen Runden sind recht kurz, die Wertung nicht brutal (es werden Siegpunktchips aufgedeckt, die dann verteilt werden, je nachdem wie gut die Spieler die Runde überstanden haben, dadurch wird niemand wirklich abgehängt) und danach wird wieder Tabula Rasa gemacht. Dadurch ist man nie wirklich aus dem Spiel.

Roadkill ist und bleibt ein Ärgerkartenspiel. Wenn man das weiß und abkann, dann wird man daran Spaß haben. Ich hatte ihn (mit einer Gruppe Wenigspieler) – ich würds nicht jeden Tag spielen wollen, aber innerhalb dieser Gruppe ist Roadkill aufgrund des schlanken Designs sicherlich sehr weit oben! Zumindest wenn man sich am Thema nicht stört…

Forest

… sieht super aus! Vermutlich ist Forest das schönste der Helvetiq-Spiele. Spielerisch hat es leider nicht so überzeugen können: Man legt immer eine der Karten an den Wald an und wenn 7 (oder mehr) von einem der Tiere oder Weihnachtsmänner oder Feen zu sehen sind, bekommt man die entsprechenden Karten, was je nach Variante gut oder schlecht ist (Ich empfehle letzteres). Dabei kommt ein Wimmelbild-Mechanismus zum tragen, denn z.T. sind die Motive etwas versteckt. Das kann man durchaus zum Bluffen nutzen, aber dennoch ist man doch sehr seinen Karten ausgeliefert. Damit ist es auch ein Ärgerspiel, aber eher der Uno-Sorte (auch wenn es sich natürlich ganz anders spielt), in dem sinne, dass man die richtigen Karten braucht, um Ärgern bzw. Punkten zu können. Als Geschenk für Nichtspieler mit Kindern dennoch geeignet, weil der Spielablauf einfach ist und die Karten so schön sind. Für mich aber das Schwächste der hier vorgestellten Spiele.


Team Up!

Team Up ist ein 3D-Puzzle, wo man versucht Bauteile möglichst kompakt auf eine Palette zu stapeln. Da nichts überstehen darf, ist dies tatsächlich kein Geschickliichkeitsspiel, sondern ein Puzzle. Die Bauteilauswahl ist eingeschränkt: Eine Karte bestimmt Form oder Farbe des zu platzierenden Bauteils. Außerdem ist bei jedem Holzteil eine Seite als „oben“ deklariert. Daher sollte man so puzzlen, dass möglichst viele Ebenen fertig gestellt werden (dafür gibt es Punkte), man aber möglichst flexibel bleibt. Was nicht verbaut werden kann, gibt Minuspunkte.

Oben stand etwas von einer Gradwanderung bei kooperativen Spielen. Leider bekommt Team Up diese nicht so gut hin  wie Bandido, was vor allem an zwei Faktoren liegt: Zum einen gibt es keine Handkarten, man weiß also nicht, was demnächst kommt. Strategisch zu bauen ist daher schwierig. Vor allem aber gibt es keine „Niederlage“: Man hört auf, wenn man meint, dass es sich nicht lohnt weiterzu machen, weil man keine Ebenen mangelns Bauteile mehr beenden kann. Und dann gibt es mehr oder weniger Punkte. Da gibt es kein echtes „Mitfiebern“.

Außerdem macht es spielerisch keinen Unterschied, ob man mit mehreren oder alleine spielt – außer dass man sich natürlich Tipps geben kann. Da aber niemand Handkarten hat, ist Team Up nichts anderes ein Rätsel, das man gemeinsam löst. Ich habe es in der Osterwoche daher hauptsächlich alleine gespielt. Da sorgt es für eine gewisse Herausforderung (es geht auch schön schnell), aber ich bin kein großer Solopuzzler und mir persönlich fehlt einfach das gewisse „Etwas“. Das mag auch daran liegen, dass die ersten beiden Ebenen immer gelingen, die dritte eigentlich auch (wenn man keine blöden Fehler macht), die vierte aber dann schon sauschwer ist (zumindest für mich). Als Resultat liegen die Punktzahlen immer sehr dicht beisammen. Ich mag die Grundidee eigentlich wirklich, aber so ganz hat mich das Spiel bislang leider nicht packen können. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es deutlich Puzzle/Solobegeisterte Spieler als mich gibt.


Stickman
Die Idee: Man zeichnet auf dem Rücken der Mitspieler Streichholzfiguren nach und diese müssen die dann anschließend erkennen. Dabei gibt es noch einen kleinen Gedächtnis-Faktor, denn alle bekommen erst einmal ihren „Stickman“ aufgemalt, bevor sie anhand von Karten raten dürfen.

Ich finde die Idee gut und orginell und kann mir das gerade mit Kindern sehr gut vorstellen. Aber das Prinzip mit zwei Kartensätzen (einen zum bestimmen des Motivs, eine anderer für das Raten) war verwirrend und die Auswahl an Karten zu groß zum Raten. Auch haben wir bei zwei Karten gar keinen Unterschied feststellen können. Das mag der Frühjahrsmüdigkeit geschuldet sein, aber ich müsste mir Stickman noch einmal in Ruhe vornehmen (die Zeit vor Veröffentlichung des Interviews war knapp) und dann noch einmal ggf. darüber schreiben. Im Moment wirkt es, als hätte man aus der originellen Idee etwas mehr rausholen müssen.

Ob man dem Grundgedanken „Auf dem Rücken der anderen Malen“ überhaupt etwas abgewinnen kann, ist natürlich Geschmackssache…

 

Peer Sylvester
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