In Essen kommen sehr viele Spiele raus und selbst bei meiner Minimalliste schaffe ich nicht alle. Eines der Spiele, die ich mir ansehen wollte, aber es einfach nicht geschafft habe war Sol: Last Days of a star. Als ich nach der Messe dann gelesen habe, dass es ein sehr ungewöhnliches Spiel sei, wurde ich sogar noch neugieriger. Ich habe mich mit Ryan Spangler von Elephant Labratories unterhalten und da er so freundlich war, mir ein Reziexemplar zu schenken, kann ich im Anschluss auch meine Eindrücke kundtun!
Bitte erzähle uns doch ein bisschen etwas über euer Spiel!
Was ich sehr beeindruckend fand war die mehrseitige Kurzgeschichte in der Schachtel – Wie kam die zustande?
Die Hintergrundgeschichte zum Spiel war von Beginn an sehr wichtig. Wir wollten ein Spiel über die Sonne machen und der Grundgedanke der drohenden Zerstörung steuerte jede Entscheidung bei der Entwicklung.
Allerdings hatten wir nicht geplant, die tatsächlich auszuformulieren und dem Spiel beizulegen – dies geschah erst im Laufe der Kickstarterkampagne. Als wir da mittendrin waren, bekamen wir deutlich mehr Unterstützung als erwartet und uns gingen die Ideen für Stretch Goals aus. Die ersten Strech Goals waren klar: Holzmarker für die Effekte, bessere Qualität für die Karten, unterschiedliche Miniaturen für die Mutterschiffe usw. Irgendwann waren die Ideen, die wir uns vor der Kampagne überlegt haben, aber verbraucht. Die Hintergrundgeschiche – das „Mythos Book“ – war etwas, von dem wir immer geträumt haben, aber da es praktisch ein eigenständiges Projekt ist, haben wir es als höchstes Stretch Goal eingestellt – weil wir dann sicher waren, dass das niemals erreicht werden würde. Natürlich lagen wir da falsch…
Also fing ich sofort an zu schreiben. Mein Schreibstil ist ziemlich speziell und surrealistisch und daher war ich etwas unsicher, ob das was werden würde. Zu der Zeit schickte uns ein Backer, die auf der „Benenne einen Planeten“-Stufe gebacken hatte ihren Planetennamen (Sideralis) zusammen mit einem kleinen Text, wie das Leben dort wohl wäre. Der Text war super! Der Text war so gut, dass wir sie sofort gefragt haben, ob sie nicht unseren Mythos schreiben wollte. Es stellte sich heraus, dass sie Autorin ist und sie war begeistert von diesem Vorschlag. Ich habe mich ein paar mal mit ihr getroffen und wir haben über den Hintergrund gesproche und den Charakter der fünf Welten und sie hat dann diese Fäden aufgenommen und mit meinen Aufzeichnungen zu einer tiefen Geschichte für jede Welt versponnen. CJ Hallowell ist eine wahre Heldin!
Wir haben auch einen Künstler (Ben Flores) angeschrieben und er hat alle Bilder in dem Mythos Book gemacht und ein Freund aus der Szene (Adam Murdoch)hat das Layout gemacht. Insgesamt hat das fertige Buch unsere Erwartungen weit übertroffen und es wurde zum erfüllensten Teil des Projektes.
Bei dem Thema hätte ich ein kooperatives Spiel erwartet – Ist das etwas, dass ihr überlegt habt?
Ja, es gibt auch eine kooperative Variante, die mittlerweile Seans (mein Bruder) favoristierte Variante ist [Anm. d.Ü. Ja, ich habe die Frage gestellt, bevor ich die Regeln gelesen habe…] Natürlich macht Kooperation von der Geschichte her mehr sinn, aber es funktioniert meines Erachtens auch kompetitiv. Grundsätzlich hindert man sich ja gegenseitig nicht, das System zu verlassen, es ist mehr so, dass jeder versucht erst einmal sich selbst zu retten und nicht auf den anderen schaut. Auch basiert das Spiel auf dem Prinzip des „Beidseitigem Nutzens“ (im Gegensatz zu „beidseitigem Schaden“ – wie bei Kriegsspielen), so dass wir uns auf eine indirekte Art gegenseitig helfen. Und wie die Story impliziert überlebt der Spieler mit den größten Anschub am Ende nicht unbedingt – wir nennen ihn nur Gewinner, weil er die größten Überlebenschancen hat. Bei aller Wahrscheinlichkeit sterben wir eh alle in der Leere des interstellaren Raumes….
Werdet Ihr Euch auf Eigenkreationen konzentrieren oder auch Spiele von anderen Autoren machen?
Im Moment ist Elephant Laboratories eine Möglichkeit unsere eigenen Spiele zu veröffentlichen. Das heißt nicht, dass wenn wir interessante, beeindruckende Spiele sehen, die niemals machen würden – im Gegenteil. Ein Freund von mir hat ein Spiel, bei dem ich überlege, es zu machen. Allerdings hat uns Sol gezeigt wieviel Arbeit in einem solchen Projekt steckt und das ist nichts, was wir mal eben so machen würden. Nur die besten Spiele geben uns die Motivation, sie mit der Welt so zu teilen, wie wir es bei Sol getan haben.
Vielen Dank für das Interview!
Ich schrieb in der Einleitung, dass Sol ein ungewöhnliches Spiel ist und das hat sich bestätigt. Prinzipiell baut man Krams, die einem entweder kleine Energiewürfel bringen oder es erlauben jene Würfel gegen kleine Schiffe oder gegen Siegpunkte (=Schubkraft) einzutauschen. Das klingt jetzt nicht so originell, aber die Art und Weise wie das geschieht fühlt sich schon anders an: Man braucht die kleinen Schiffe, um die Gebäude zu errichten und zu aktivieren. Daher muss man mit denen hin und her fliegen. Dichter bei der Sonne gibt es bessere Umtauschkurse (außerdem kann man seine Schiffe direkt in Siegpunkte umwandeln, wenn man diese opfert und in den Kern fliegt), aber um dort hinzu gelangen benötigt man Gateways, die auch errichtet werden müssen. Was dabei sehr ungewöhnlich ist, ist dass man sich hier nicht im Wege ist, sondern im Gegenteil: Alles Gebaute kann von allen genutzt werden, man schafft also Optionen für die Mitspieler, anstelle sie zu behindern. Da man als Erbauer auch eine Belohnung erhält, ist die richgige Platzierung der eigenen Strukturen wichtig – man sollte sie den anderen schon irgendwo anbieten. Das ist interessant.
Sol hat einen abstrakten Zungenschlag: Prinzipiell erinnern mich die einzelnen Zugoptionen an ein abstraktes Zweierspiel, auch weil es praktisch keinen Glücksfaktor gibt (außer dem Mitspielerchaos eigentlich nur das Karten ziehen). Aber innerhalb der Geschichte machen die eigentlich abstrakten Mechanismen allesamt sinn. Man merkt, dass Geschichte und Spiel gemeinsam entstanden sind. Einer der wenigen Glücksmomente ist das Spielende – Es ist nicht ganz klar, wann dies eintritt und so ist das Finale tatsächlich spannend: Schaffe ich noch die gewünschten Aktionen oder nicht? Allerdings verzeiht das Spiel vorher wenig Fehler und wer schon abgehängt ist, der wird da eher frustriert sein, weil er weiß, dass er nichts mehr erreichen kann. Auch empfinde ich die Anlaufphase des Spieles als zu lang – auch wenn diese sich mit einer Variante abkürzen lässt, bei der die Spieler schon mit ein paar Bauwerken beginnen.
Sol ist ein ungewöhnliches Spiel – natürlich nicht so ungewöhnlich wie Fog of Love oder so, aber schon anders als die übliche Euro-Kost. Das ist gut, denn ist jetzt kein absolutes Spitzenspiel. Wer aber auf diese leicht abstrakten, glückslosen und interaktiven Spiele steht -und ich tue das! – der findet hier ein solides Spiel, dass zudem sehr abwechslungsreich ist, da sich die unterschiedlichen Mitspielerzahlen zum Teil recht unterschiedlich spielen und weil bei jeder Partie andere Sonderaktionen möglich sind. Der Lang- und Wiederspielreiz stimmt also in meinen Augen.
ciao
peer
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