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Gelesen: Oxford History of Boardgames

Guten Abend, meine Damen und Herren! Matthias ist noch in Nürnberg also bin ichs mal wieder. Matthias kommt dann nächsten Sonntag zurück und schreibt vielleicht was über die Messe oder auch nicht oder so.

Ich habe mal wieder was gelesen und zwar „The Oxford History of Boardgames“ von David Parlett. Dies ist der Nachfolger von The history of Cardgames, dass ich hier bereits kurz besprochen habe. Dieses Buch ist relativ selten und ist eigentlich nur zu Mondpreisen zu bekommen. Aber Geduld zahlt sich aus und als bei Amazon ein Buch für 30€ verfügbar war, habe ich gleich einmal zugegriffen. Ich will hier einmal ein bisschen was über das Buch schreiben und dann einen Aspekt herausgreifen, den ich interessant fand:

Wie der Titel schon sagt, geht es um die Geschichte der Brettspiele, wobei sich Parlett auf die eher klassischen Spiele konzentriert, auch wenn moderne Spiele durchaus ihren Platz haben (insbesondere wenn sie einen „klassischen“ Aspekt weiterentwickeln). Das letzte Kapitel geht auch kurz auf moderne Spiele ein, wobei er vor allem den thematischen Aspekt hervorhebt – aber wegen dieses Kapitel kauft man sich das Buch bestimmt nicht!

Wer die anderen Bücher von Parlett kennt, weiß dass er sehr präzise schreibt und hier liegt eine Stärke des Buches: So versucht er sich am Anfang an einer Definition von „Brettspiel“ so wie an einer grundsätzlichen Einordnung der abstrakten Spiele in verschiedene Gruppen. Zwangsläufig muss eine solche Zuordnung problembehaftet sein, weil es einfach zu viele Grauzonen gibt und weil Spiele historisch zusammengehören, die sich dann aber in verschiedenen Gruppen wiederfinden. Aber weil Parlett diese Probleme erkennt und eben schön präzise schreibt, sind diese Abhandlungen sehr lesenswert und ich fand gleich auf den ersten Seiten mehrere Sätze, die ich gerne eingerahmt hätte. Wer sich für Spieldesign interessiert, findet hier viel lesenswertes.

Das eigentliche Buch befasst sich ja aber nun mit der Brettspielgeschichte und die ist -soweit ich das beurteilen kann – umfassend dargestellt. Die größte Schwäche ist, dass das Buch mindestens hätte doppelt so lange sein müssen, denn oft werden viele Varianten vorgestellt, ohne komplett auf die Regeln oder die Auswirkungen der Unterschiede einzugehen. So sind manche Spielebeschreibungen weder Fisch noch Fleisch: Zu lang, für die Informationen, die sie bieten, aber zu kurz, um wirklich etwas damit anfangen zu können. Und manchmal verliert Parlett einem bei dem Tempo auch. Tatsächlich sind die stärksten Kapitel die, in denen er sich ausführlicher einem Spiel widmet. Sicher, gibt es z.B. reine Schachhistorienbücher, aber dennoch ist das Kapitel über die verschiedenen Entwicklungsstufen des Schachs absolut schlüssig und lesenswert, auch weil es sich auf die ganzen Kapitel davor beziehen kann, in denen die Geschichte der Vorgänger beschrieben wurden (nebenbei zerstört er dabei den oft gehörten Mythos, dass Schach ein Autorenspiel sei, ziemlich vollständig, genauso wie, dass es ursprünglich mit Würfeln gespielt worden wäre).

Insgesamt würde ich nach wie vor nicht empfehlen sich für eine gebrauchte Version dieses Buches zu verschulden, aber die 30€, die ich bezahlt habe, ist es definitiv als Nachschlagwerk wert – auch gerade wegen den oben erwähnten Nebensätzen und Beoachtungen.

Eine davon ist:

„A point of interest about modern boardgames is their gradual shift of emphasis from the board and into the circle of players.“

(Ein interessanter Punkt ist die Verlagerung des Schwerpunktes bei modernen Brettspielen: Weg vom Spielbrett und hin zu den Spielern selbst.)

Er führt das noch etwas aus: Bei klassischen Brettspielen wie Schach oder Mühle findet alles auf dem Brett statt. Bei Spielende kann ein Unbeteiligter einen Blick auf das Brett werfen und weiß, wer gewonnen hat. Bei den meisten modernen Spielen kommt ein Großteil des Materials gar nicht in Kontakt mit dem Spielbrett. Der Spielplan wird zwar noch benötigt, aber er ist nicht die einzige Spielfläche, ein Blick auf ihn reicht i.A. nicht aus, um den Gewinner zu ermitteln – Terraforming Mars ist ein schönes Beispiel, bei dem der Spielplan  nur einen kleinen Teilaspekt abbildet, eine Schnittmenge zwischen den Spielern. Bei anderen Spielen ist das Brett dann nur noch eine Punkteanzeige und das eigentliche „Spiel“ findet woanders statt – Man denke an Der Wiederstand, aber auch an Quizspiele. Rollenspiele sind dann die logische Fortsetzung des Prozesses, wo es dann (normalerweise) gar kein Spielbrett mehr gibt. Auch Rätselspiele wie Escape-Games würde ich hier erwähnen wollen.

Diese Beobachtung finde ich höchst interessant! Natürlich gibt es nach wie vor „reine“ Brettspiele, aber der Trend geht in der Tat runter vom Brett – und in erster Linie in Karten. Karten ermöglichen Überraschungen (verdeckte Informationen) und können extrem flexibel gestaltet werden. Spiele, die komplett auf dem Brett gespielt werden, fühlen sich tatsächlich manchmal recht „Old School“ an (ohne dass das jetzt negativ oder positiv wäre).

Mehr noch: Das Brettspiele jetzt immer breiter aufgestellt sind – mit den ganzen modernen „Partyspielen“ , Rätselspielen, Bluffspielen etc. kann man darauf zurückführen, dass man das Brett durch etwas anderes ersetzt, das man sich langsam davon löst. „Brettspiele“ sind natürlich historisch bedingt an ein Brett gekoppelt (Sagt ja schon der Name…) und daher ist es kein Wunder, dass sich Autoren schwer getan haben, sich von dem zu lösen und die Möglichkeiten zu nutzen, die im Brettlosen Spiel stecken. Sicherlich wieder ein Zeichen dafür, dass Originalität im Regelbruch steckt!

ciao

peer

 

Peer Sylvester
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