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Ein- und Ausblicke

Jetzt ist das Jahr schon fast wieder vorbei. Nächste Woche ist Matthias dran, dann ist Weihnachten und dann Zeit für den Sylvester und dann 2016. Wer hätte das gedacht?

2016 wird ein gutes Jahr und das weiß ich, weil nächstes Jahr gleich drei Spiele von mir erscheinen sollen – zwei Verträge sind unterschrieben, einen unterschreib ich (hoffentlich) noch vor Weihnachten. Außerdem mache ich mir große Hoffnungen, dass ich einen Verlag für mein Mikrogame finde, dass ich beim Hamburger Autorenwettbewerb eingereicht habe – bin da guter Dinge, denn ich bin absolut von dem Spiel überzeugt.

Über eine kommende Neuheit darf ich bereits berichten und zwar über die, die bei Schmidt Spiele im Frühjahr (So Februar/März vermutlich) erscheinen wird: Stadt, Land, Fluß Extrem.

Der Titel deutet es schon an: Dies ist kein zweites Wir sind das Volk :-) Tatsächlich ist die Idee so einfach, dass ich mich fast dafür schämen muss – aber auch nur fast, denn gerade einfache Spiele werden ja verzweifelt von den Verlagen gesucht. Tatsächlich habe ich noch niemals so kurz nach Einsendung des Prototypens das Vertragsangebot bekommen – und das spricht sicherlich auch für sich.

Das Spiel selbst ist eine Mischung aus Stadt, Land, Fluss und Ein solches Ding: Insgesamt 6 Karten mit Eigenschaften werden so ausgelegt, dass ein 3×3 Raster entsteht. Auf jedes Feld des Rasters beziehen sich genau zwei Karten. Und für jedes Feld muss man etwas finden, auf das beide Begriffe zutrifft. So könnte man z.B, auf Feld 1 etwas suchen, das Groß und Salzig ist, auf Feld 2 etwas das Gelb und Salzig ist und auf Feld 3 etwas das in einem Kinderlied besungen wird und salzig ist. Auf Feld 4 dann eventuell etwas das mit einem Vokal beginnt und endet und groß ist usw. Also ein einfaches, lustiges, kreatives Schreibspiel :-)

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Was hat das vergangene Jahr gebracht, was kommt im nächsten?

Die vielleicht  deutlichste Entwicklung im Spielebereich ist dass Spiele jetzt verstärkt Geschichten erzählen. Ob T.I.M.E Stories, Pandemic Legacy oder The Grizzled: Es wird weniger gefragt „Wer wird gewinnen“? sondern vielmehr „Was passiert mit uns?“ „Spoiler“ war etwas, dass lange Zeit im Brettspielbereich kaum ein Problem war, jetzt liest man plötzlich überall  „Spoilerfreie Rezensionen“, eben weil plötzlich Überraschungen und Wendungen möglich sind, etwas was bislang in Brettspielen fehlte (Kleine Anekdote – und sorry, wenn ich die Geschichte schon wieder erzähle, aber sie passt einfach so schön: Vor 4 (?) Jahren zeigte ich einem Redakteur einen Prototyp eines Spieles, dass man mittlerweile als eine Art „T.I.M.E Stories meets Betrayal at the house of hill“ beschreiben konnte. Der zuständige Redakteur meinte: „Ich kann mir nicht vorstellen, wo der Spaß sein soll, Informationen zu sammeln. Die Spieler können doch gar nicht strategisch spielen!“. Tja war eben kein Franzose ;-) ). The Grizzled braucht keine verdeckten Informationen aber auch dort liegt der Schwerpunkt auf einer Geschichte. Und das nicht einmal auf einer glücklichen Geschichte – The Grizzled zeigt, dass Brettspiele durchaus auch Dramen erzählen können. Lange Zeit hieß es, dass niemand Brettspiele mit negativen Themen spielen möchte –  das wurde wiederlegt.

Man verstehe mich nicht falsch: Diese Spiele sind nicht besser als normale Euros oder Co-Sims oder wasweißich, sie sind eine Ergänzung des Marktes- allerdings eine Ergänzung, die (so meine Prognose) eine zunehmend wichtige Rolle spielen wird. Vielleicht sogar eine so wichtige Rolle, wie es die „German Games“ in den Neunziger waren.  Um diese Rolle einzunehmen müssen allerdings auch kompetitive Geschichten-erzähl-Spiele auf den Markt kommen. Das ist noch schwieriger, denn mögliche Strategien hängen eben auch von den verfügbaren Informationen ab und die Spiele sind potentiell auch schwerer auszubalanzieren, aber jetzt wo die Möglichkeiten und der Markt existieren, wird das auch kommen. Ein Schritt dorthin ist die Chronicles-Reihe,  deren erstes Spiel nächstes Jahr erscheinen soll. Hier beeinflusst der Ausgang des (kompetitiven) ersten Spiel die Ausgangslage des zweiten. Dadurch soll es eben auch zu dem Gefühl kommen, dass eine Geschichte erzählt wird. Ich denke aber schon, dass Geschichten auch ohne das Legacyprinzip gut möglich sind, wenn Autoren eben mehr Fokus auf diese legen und das Thema nicht nur als Beiwerk bezeichnen.

Was auch in diese Überlegungen passt: Nächstes Jahr kommen verstärkt kooperative Versionen von Kultfilmen auf den Markt, z.B. Ghostbusters oder Teenage Mutant Ninja Turtles. Auch hier setzt sich „kooperativ“ als Mittel durch, Geschichten zu erzählen. Wann kommt Indiana Jones?

Ein zweiter Trend ist der Aufstieg des Partyspieles. Ich kann nur vermuten, dass aufgrund der allgegenwertigen komplexen Euros mit viel regel- und Beiwerk es zwangsläufig zu einer  Gegenbewegung kommt. In den letzten zwei Jahren waren das die Mikrogames, jetzt sind es die Partyspiele: Spiele die mit wenig Regelaufwand einfach Spaß bieten: Flick em Up oder Codenames sind da prominente Beispiele. Was mir aber besonders auffällt: Die Werwölfe sind tot, lang leben die Werwölfe! Mafia/Werwölfe von Düsterwald waren lange so etwas wie ein eigenes Genre. Die meisten Spiele, die auf diesem Original basierten machten wenig mehr, als den Ablauf etwas zu verkomplizierteren oder neue Rollen einzuführen oder ähnliches. Mittlerweile sind viele, viele Spiele mit verdeckten Rollen auf dem Markt, die gar nichts mehr mit dem Original zu tun ahben: Bei Mafia de Cuba darf man z.B. seine Rolle selbst wählen. Bei Agent Undercover denkt man sich selbst fragen aus. Bei Secret Moon darf man nicht lügen und es gibt vorgefertigte Antworten. Damit hat jedes dieser Spiele einen ganz eigenen Charakter – und man muss kein Hellseher sein, dass dieses System weiter ausgebaut wird. Nicht zuletzt weil es meistens relativ kleine Spiele sind, die meistens eine relativ große Mitspieleranzahl ermöglichen. Während die Mikrogames schon wieder am abebben sind, werden uns Partyspiele und „Social Deduction games“ noch eine Weile begleiten. Vor allem aber sehe ich diese Kommuinikationsspiele/Partyspiele (oder wie immer man die jetzt nennen mag) als Bindestelle zwischen dem Viel- und dem Wenigspieler. Ich habe in letzter Zeit oft von diversen Vielspielern gehört, dass diese sich jetzt auf einfache Spiele mit hohem Spaßfaktor konzentrieren. Ich denke die Anzahl an Worker-Placement-Spielen, die man besitzen muss, ist eben irgendwo endlich. Da die Schere zwischen Vielspieler- und Wenigspielerspiel im Taktikbereich aber nach wie vor sehr weit geöffnet ist, entdecken diese Vielspieler eben den Bereich für sich, der noch vor kurzem eher verpönt war. Sicherlich spielt es da eine gewichtige Rolle, dass Vielspielerautoren wie Vlaada Chvátil eben auch Kommuinikationsspiele machen und dass diese Spiele mittlerweile auch interessante Entscheidungen und originelle Mechanismen bieten (und zumindest letzteres ist im „Komplexen Vielspielerbereich“ mittlerweile imho deutlich seltener der Fall)

Ein Trend aus 2014 konnte sich nicht nach 2015 hinüberretten. Brettspiele mit Apps sind nach wie vor Nischenspiele. Das liegt sicherlich einerseits daran, dass sowohl die App als auch das Brettspiel essentiell sein sollte und sich nicht nur wie ein Gimmick anfühlt. Hinzu kommt, dass ein Autor eben auch eine solche App erst einmal hinkriegen muss und da die meisten Brettspielautoren ja nun keine Profis mit entsprechendem Budget sind, werden Spielehybride wohl auch erst einmal Ausnahmen bleiben. Es gibt gute Beispiele für das Nutzen von Smart phones – etwa Bycatch oder X-Com, aber die sind eben Ausnahmen. Dieses Jahr in Esen sah man deutlich weniger in diesem Bereich als noch 2014. Und ich denke da wird 2016 nicht wesentlich mehr dazukommen.

Soweit meine hellseherischen Fähigkeiten.

ciao

peer

P.S. Ich habe keine Ahnung, was Spiel des Jahres werden könnte.

P.P.S:  Frohe Weihnachten :-)

Update: Scheibt, dass ich beim Spieleautorenwettbewerb nicht unter die ersten drei gekommen bin, was natürlich schade ist. Aufgrund meiner Erfahrungen in diversen Testgruppen bin ich aber zuversichtlich, dass ich da einen Verlag finde. Wer würde nicht gerne ein Spiel mit verdeckten Teams in seinem Programm haben, bei dem es nicht darum geht zu lügen, sondern wo es tatsächliche taktische Möglichkeiten gibt? Aus einer Kreuzung aus Ohne Furcht und Adel, Mikrogame und Resistance? Eben! ;-)

Peer Sylvester
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