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Letzte Erstseindrücke vor der Autobahn

Demnächst trete ich einen langen Urlaub an. Ich werde auch weiter bloggen, nur weniger regelmäßig und weniger pünktlich. Insbesondere werde ich versuchen einigermaßen zeitnah zur SdJ-Prämierung was einigermaßen kohärentes zu schreiben. Und am kommenden Mittwoch gibts ne neue Verlagsvorstellung  (da bin ich aber auch noch nicht im Urlaub).

Quasi als Einstimmung in die Urlaubszeit gibt es ein paar sommerliche Ersteindrücke!

Perpetual-Motion Machine: Ein kleines Spiel, hier wohl schwer zu bekommen (hab meines in England bestellt): Wer an der Reihe ist, zieht entweder Karten (wie viele hängt von seiner „Maschine“ ab), wandelt einzelne Karten in Würfel um (wie viele hängt von der „Maschine“ ab) oder spielt Pokerkombinationen um Würfel auf die eigene Maschine abzulegen und diese so zu verbessern. Wer als erstes alle Würfel auf der Maschine abgelegt hat, gewinnt. Ein schönes minimalistisches „Engine“-Spiel! Die Hauptentscheidungen sind: Auf welche Kombinationen gehe ich (und damit: Welche Bereiche möchte ich verbessern? Handkartenlimit, Anzahl zu ziehender Karten oder Umwandlungsratio?) und spiele ich lieber etwas runter, um weiter zu kommen, oder versuche ich mein Blatt zu optimieren, auch wenn ich dadurch etwas länger brauche? Nette Entscheidungen, allerdings kaum interaktiv. Daher aber gut zweit! Meine einzige Befürchtung ist, dass sich die einzelnen Partien eventuell zu sehr ähneln könnten.

Pastiche: In einer Schachtel, die so stabil ist, dass man damit Nägel in die Wand hämmern kann, kommt einer der Mensa-Gewinner des laufendes Jahres, das wunderschön gestaltete Pastiche, das den größten absolut überflüssigen Spielplan meiner Sammlung aufweist.  Im Prinzip geht es darum Farbkombinationen zu sammeln, um damit Gemälde zu malen (Die Farbkarten liegen in Stapel auf besagtem Spielplan, dessen Zweck damit auch schon vollständig dargelegt wurde!). Um Farbkarten zu bekommen, legt man sechseckige Plättchen an die Auslage an. Dann darf man entweder die Grundfarbe nehmen, die in der Mitte des Plättchens aufgedruckt steht oder man nimmt die Mischfarben, die durch benachbarte Ränder gebildet werden (Die Ränder der Plättchen zeigen jeweils eine Grundfarbe). Anschließend darf noch eine Farbe nach etwas komplizierten Regeln getauscht werden. Wer dann ein Gemälde fertig bekommt, macht das in der Regel. Der Mechanismus ist nichts bahnbrechend neues, aber ich mag Legespiele und das hier ist ganz nett. Allerdings muss man sehr viel im Kopf haben, sonst wird es sehr unübersichtlich: Welche Farben ergeben gemischt welche anderen Farben? Welche Farben brauche ich für die Gemälde? Wenn man ersteres erst einmal weiß  (Was ergibt 2x rot und 1x blau?)  geht es bedeutend schneller aber auch dann ists ein ziemliches Gegucke, um alle Optionen abwägen zu können. Und wenn man nicht selbst dran ist, kann man Däumchen drehen. Nicht schlecht, aber für mich auch nix dolles.

King of Tokio: Eine positive Überraschung! Dieses Spiel ist hoffnungslos überproduziert, macht aber selbst zu zweit Spaß! Im Prinzip spielt jeder ein Monster und haut aufeinander ein. Es gewinnt, wer als erstes 20 Siegpunkte gesammelt hat oder am Ende noch steht, wenns alle anderen geschmissen hat. Wer dran ist würfelt. Da kann er direkt ein paar Siegpunkte bekommen oder er kann Heilungssymbole sammeln und sich so erholen oder er bekommt quasi Geld, mit denen er sein Monster verbessern kann. Am wichtigsten sind aber die Prügelsymbole: Damit greift man an und hier kommt der geniale Mechanismus zu tragen: Ist man in Tokio greift man alle anderen Monster an UND bekommt Siegpunkte, wenn man dort ausharrt. Ist man nicht in Tokio greift man das Monster in Tokio an! Ein schönes Dilemma: Bleibe ich ein Runde, bekomme ich Siegpunkte und kann allen Mitspielern auf einmal schaden – bin aber auch das Ziel von jedem Angriff und das kann wehtun! Insbesondere darf man in Tokio nicht heilen, sollte also einigermaßen gesund die Stadt betreten. Noch besser: Wird man angegriffen, kann man nach dem Einstecken des Schadens beschließen, Tokio zu verlassen. Dann kommt der Spieler, der das Monster vertrieben hat seinerseits nach Tokio – auch wenn der gar nicht will. Ein Angriff will also wohlüberlegt sein! Ein rundes, launiges Prügelspiel mit genügend Entscheidungsspielraum, als dass man sich nicht den Würfeln ausgeliefert fühlt. Und so interaktiv, dass Wartezeiten erträglich sind.

Battlestar Galactica: Ich werde mal ein Experiment machen und versuchen diesen Absatz zu verfassen, ohne ein Wort über die Regeln zu verlieren. BG ist ein typisches Fantasy Flight Game: Recht hohe Einstiegshürde (auch wegen der wie üblich …ach, vergesst es), zumindest bei der ersten Partie lange Spieldauer und viel, viel Thema (Ein Mitspieler meinte bei der Regelerklärung: „OK, ab jetzt sage ich zu jedem Satz ´…wie in der Serie!´“). Dabei ist es aber auch nicht dramatisch, wenn man nie die Vorlage gesehen hat. Wichtig ist nur: Die Mannschaft der Battlestar Galactica versucht den ständigen Angriffen und anderen Krisen lang genug auszuweichen, dass sie in sicheres Gebiet kommen. Das Problem: Die Mannschaft ist von Zylonen (die Bösen) unterwandert, die versuchen alles zu unterminieren. Das geschieht in wesentlichen dadurch, dass bei Krisen quasi geheim abgestimmt wird und die Zylonen hier negative Karten einwerfen können. Dabei hat das Spiel einen schönen Spannungsbogen: Bei unserer 5er-Partie gab es am Anfang nur einen Zylonen und entsprechend gut lief es. Beim Mittelspiel kam dann noch ein zweiter „Schläfer“ dazu und dann wurde es echt spannend. Einerseits waren die Menschen schon recht weit, andererseits konnten jetzt zwei Leute stören. Das Spiel war so spannend, dass ein Mitspieler bei mir übernachtete, weil er seine letzte Bahn nach Hause nicht nehmen wollte, da er das Spiel nicht abbrechen wollte. Absolute Empfehlung! Es ist auch noch besser als Resistance, wobei hier imho keine Konkurrenz ist: Resistance funktioniert erst richtig ab 6 Spielern, BG geht maximal zu 6. Und Resistance ist ein eher kurzes Spiel, wo BG eine abendfüllende Veranstaltung ist.

Übrigens gewannen die Zylonen. Nicht zuletzt weil der Präsident ein Zylon war. Der saß am Ende zwar in der Brigg, aber die Menschen hatten einfach keine Zeit mehr, das Kommando zu verschieben. Hier half die Regel (neuer Absatz!!!), denn wir wussten nicht, wie mächtig die Zwölferratskarten waren und so fiel deren sehr sparsamer Einsatz (eine Karte) nicht weiter auf.

Strasbourgh: Hat mich gleich angesprochen. Auf dem Brett passiert altbewährtes: Einsetzen, Aufträge erfüllen und so. Aber: Der Versteigerungsmechanismus! *Schwärm* Sehr schön! Man sucht sich vor jeder Runde raus, wie viele Karten man verbraten will und baut damit Stapel. Bei einer konkreten Versteigerung sucht man sich jetzt reihum einen Stapel aus und deckt die Karten davon auf. So noch die dagewesen und definitiv kein Blind Bidding, da man ja mehrere Stapel zur Auswahl hat. Dadurch kommt richtiges Poker-Feeling auf: Nehme ich den Stapel A oder B? Vor allem wenn man vorlegen muss, muss man spekulieren. Hinzu kommt noch, dass man für die verschiedenen Spielplanbereiche jeweils nur 3 Versuche hat, was aufs Brett bringen zu können. Nach einer Partie bislang auf meiner Sylvester-Shortlist (Und noch vor dem ebenfalls guten Burgen vom Bund).

Pantheon: Ich wiederhole an dieser Stelle: Das hier hier sind Ersteindrücke! Eine Partie! Und die reicht im Falle von Pantheon für mich nicht zur Meinungsbildung aus. Es ist vom Verlauf her ein ungewöhnliches Spiel: Kleine Entscheidungen und kleine Veränderungen durch glückliches Ziehen können exponentielle Wirkungen haben. Irgendwie ist es da so wie St.Petersburg: Wer am Anfang nicht optimal gespielt hat, aber noch irgendwie mithalten konnte, kann das nun am Ende nicht mehr und wird erbarmungslos abgehängt- nur dass hier der Glücksfaktor höher ist. Wieviel höher vermag ich nicht zu sagen, aber der einzige am Tisch, der das Spiel kannte, gewann mit einer Umrundung Vorsprung. Ob ich das alles mag oder eher nicht weiß ich noch nicht, um das zu entscheiden müsste ich das Spiel erstmal besser erfassen. Aus Autorensicht lobe ich aber den unkonventionellen „In your Face“-Ansatz, der sich von anderen, „braveren“ Aufbauspielen abhebt.

Hanabi (Aus der Doppelpackung Hanabi&Ikebana): Dieses Spiel wird wohl demnächst einen etwas größeren Verlag finden und das ist gut so. Es ist ein kooperatives Spiel, aber ganz anders als alle anderen Koops: Zum einen wird hier nicht kommuniziert: Jeder hat eine Kartenhand, die er aber verkehrt herum hält: Man kennt also alle Karten, ausser den eigenen! Ziel ist es, die Karten nach Farben sortiert und in aufsteigender Reihenfolge auszulegen. Jeder Fehler verursacht einen roten Chip und nach drei Fehlern in Schluß. Das funkioniert nur, weil es die Möglichkeit gibt, jemanden alle Karten einer bestimmten Zahl oder einer bestimmten Farbe zu zeigen. Diese Möglichkeit ist aber natürlich begrenzt und so kommt es auch darauf an, was einem nicht gesagt wurde – Sehr subtil! Die andere Besonderheit ist, dass es im Falle eines Nicht-Scheitern eine Punktwertung gibt, im wesentlichen sagt die aus, wie viele Karten in einem Durchgang ausgelegt werden konnten. Mit anderen Worten: Man spielt auf den „Highscore“! Die Aufgabe selbst ist lösbarer als andere Koops, so dass man hier durchaus Ambitionen haben sollte. Mir hats sehr gefallen, auch weils vom Spielgefühl her absolut einzigartig ist. Allein schon deswegen sollte man es zumindest mal ausprobiert haben!

Lancaster: Noch einmal die Erinnerung, dass dies hier Ersteindrücke sind. Mit Lancaster bewegt sich Queen Games in Bereiche, die sonst LudoArt und so vorbehalten sind: Viel hochwertiges Material, welches seinen Preis hat. Wer Spiele haben will, die so hochwertig ausgestattet sind, muss auch mit diesen Preisen leben können! So, das wollte ich mal loswerden. Zum Spiel: Im wesentlichen setzt man seine Ritter irgendwo ein, um Siegpunkte, mehr Ritter, bessere Ritter, Geld oder Knappen zu bekommen. Knappen werten Ritter temporär auf, gehen danach aber weinend nach Hause. Der Kniff: Wer auf der Englandkarte einsetzt, kann durch einen besseren Ritter (oder Ritter mit Knappenverstärkung) vertrieben werden. Eingesetzt wird so lange, bis alle Ritter eingesetzt sind. Das bedeutet, wenn man einen Ritter vertreibt, darf der Spieler diesen woanders (oder aufgewertet an dieselbe Stelle) einsetzen – Im Prinzip Das Amun Re / Evo – Versteigerungsprinzip als Einsetzspiel. Dadurch gibt es eine interessante Dynamik, denn bis alle Ritter liegen kann sich durch Vertreibungsaktionen viel ändern auf dem Brett.  Das ist einerseits spannend, andererseits hats bei uns in den beiden letzten Runden leicht angefangen zu ziehen, weil ständig hin- und her vertrieben wurde (die letzte Runde dauerte inkl. Wertung 45 Minuten, was definitiv zu lang ist – auch wenns sicherlich ein Ausreißer nach oben darstellte). Insgesamt ist das Spiel sauber designed und macht Spaß, ein Spiel ohne Fehl und Tadel. Viel neues entdeckt man aber nicht und so aufsehen erregend ist das auch alles nicht. Die Nominierung zum Kennerspiel ist nachvollziehbar, aber die anderen beiden Nominierten gefallen mir um Längen besser.

ciao

peer

Peer Sylvester
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