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Mythbusters: Themen in Eurogames

Bei Boardgamegeek las ich vor etwa einem halben Jahr die Behauptung: „Autoren von Eurogames kümmern sich nicht ums Thema. Sie fangen mit einem Mechanismus an und suchen sich dann ein beliebiges Thema aus, dass sie dann drüberstülpen“.
Da im Spielbox-Forum neulich eine ganz ähnliche Behauptung aufgestellt wurde, dachte ich, es ist mal eine gute Gelegenheit mit diesem Irrglauben auszuräumen.

Sicherlich ist es richtig, dass es eine Reihe von Autoren gibt, die mit dem Mechanismus beginnen. Das sind aber längst nicht alle. Sicherlich ist auch richtig, dass viele Verlage das Thema meistens als „änderbar“ einstufen. Und damit fängt es schon an. Sicherlich kann man bei vielen Euros das Thema austauschen, doch das heißt nicht, dass es beliebig gewählt wurde! Selbst „Dune“ – imho eines der Spiele mit der gelungensten Verbindung von Mechanismus und Thema überhaupt – hatte ursprünglich ein anderes Thema, nämlich das alte Rom. Ein möglicher Themenwechsel sagt nichts über den Ursprung des Spieles aus. Auf der anderen Seite hat Wolfgang Kramer erzählt, dass bei ihm das Thema oft als erstes da war und es bei seinen Spielen auch relativ selten geändert wurde, weil die Einbettung stimmt (man denke nur an Tikal). Auch darf man nicht vergessen, dass Verlage viele Dinge anders sehen als Autoren…

Woher kommt aber der Irrglaube? Das Verlage die Themen ändern ist eine Sache, eine andere ist, dass viele Themen (insbesondere bei Kartenspielen) tatsächlich aufgepappt sind. Aber warum stehen dennoch alle Eurogames unter Generalverdacht? Vermutlich liegt das an der Heransgehensweise: Wenn ein Eurogames-Autor ein Thema bearbeitet, so sucht er sich entweder nur einen Teilaspekt heraus (z.B. die Wirtschaft oder die Logistik) oder es geht ihm weniger um die genaue Simulation der Teile, sondern um das generelle Gefühl für das Ganze. Z.B. König von Siam. Das Spiel wurde vom Thema her entwickelt, aber es ging mir nicht um die genaue Simulation der Epoche nach 1874  im Königreich Siam, sondern um das generelle Gefühl politischen Lavierens. Oder auch um die Erstellung eines Spieles mit dem entsprechenden Hintergrund. Das es etwas abstrakt geworden ist ist halt so passiert – ich habe aber dennoch mit dem Thema angefangen.

Noch extremer ist es bei einem bislang unveröffentlichen Prototyp: Da ging es mir um das Wachsen und Sterben einer Population. Das wird auch recht gut eingefangen, das ganze ist aber völlig abstrakt (Was nicht überrascht: Conways Game of Life ist ja z.B. auch völlig abstrakt) und das Thema daher mittlerweile relativ austauschbar. Der Prototyp sieht aus wie ein Spiel von Clemens Gerhards. Nichts deutet mehr darauf hin, dass es vom Thema her entwickelt wurde.

Viele Spiele machen beides: Vasco da Gama konzentriert sich auf die Vorbereitung einer Expedition, nicht auf die Expedition selbst. Und dieser Teilaspekt wird sogar noch abstrahiert – Kein Wunder, dass es manchmal als „unthematisch“ bezeichnet wird!

Ich denke das ist auch der grundsätzliche Unterschied zwischen „Euros“ und „Ameris“/Cosims : Letztere simulieren ein Thema, wobei es vor allem auf Detailtreue ankommt. Erstere abstrahieren das Thema weitestgehend und stellen damit automatisch den Mechanismus mehr in den Vordergrund.

Das bedeutet aber nicht, dass der Autor sich um das Thema nicht kümmert oder dass es nachträglich eingefügt wurde.

ciao

peer

Peer Sylvester
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12 Kommentare

  • Hallo Peer,

    persönlich bevorzuge ich sehr die Herangehensweise „Thema zuerst“. Ich bin aber auch (berufsbedingt) eher visuell veranlagt. Bei mir ist ein potenzielles Spiel zunächst „ein Bild“ (oder die bildhafte Umsetzung).

    Aktuell habe ich mit Verlagen die Erfahrung gemacht, dass ein Prototyp von mir als „zu sehr“ auf ein Thema hin entwickelt angesehen wurde und damit in die Kategorie „special interest“ fällt. Vielleicht steht dahinter auch eine grundsätzliche Sorge der Verlage, sich nicht zu eng an ein bestimmtes Thema zu halten um die Zielgruppe nicht schon vorab zu stark einzugrenzen.

    Prototypische Grüße
    Gead

  • Möglicherweise liegt es auch an den eigenartigen Formulierungen, die in manchen Spielregeln stehen. Beim ansonsten gar nicht mal schlechten „Bison“ von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling kann man zum Beispiel laut Regelheft neue Indianer „am Markt kaufen“. Anwerben von Indianern aus weit entfernten Stämmen gegen Geld hätte besser zum Thema gepasst und wäre spielerisch das Gleiche gewesen. Bei einem Spiel, an dessen Übersetzung ins Deutsche meine Wenigkeit gerade mitwirkt, werden sowohl Gebäude als auch Krieger in der englischen Übersetzung als „Konstruktionen“ bezeichnet.

  • Schachtelhalm (darf ich dich „Schachtel“ nennen?), das ist sicherlich richtig. Solche Formulierungen kommen natürlich vor allem dann zustande, wenn das Thema tatsächlich aufgestülpt ist (kommt ja durchaus recht oft vor – aber eben nicht immer) oder um die Anleitung klar zu halten. „Fachausdrücke“, sind oft thematischer, erschweren aber die Regellektüre, da die ja erst gelernt werden müssen. Und einige Mechanismen machen auch thematisch Sinn, aber die thematische Erklärung fällt beim Regelschreiben dann unter den Tisch, denn die Regel soll ja möglichst kurz sein.

  • Hi Peer,

    Das ist so nicht korrekt! – Bei CoSim’s kommt es nicht auf die Detailgetreue des Themas an, sondern auf die Korrektheit! – Das ist ein Riesenunterschied! – Auch stellst du die Diskussion nicht ganz richtig dar – der Kritikpunkt war (und ist) das die Themen bei Euros austauschbar sind (was sie absolut sind) – dabei ist es völlig egal ob das Spiel vom Thema her entwickelt ist oder nicht.
    Auch ein kleiner Lapsus: Du erwähnst Dune, vergisst aber das Dune überhaupt kein Eurogame ist!

  • Eben weil Dune kein Eurogame ist, habe ich es erwähnt :-)
    Das Thema war offensichtlich austauschbar (vom alten Rom zum Wüstenplaneten). Meiner Meinung nach gibt es keine Spiele, bei denen man das Thema nicht austauschen kann – auch wenn es bei einigen deutlich einfacher ist als bei anderen :-)

  • Der Hauptunterschied zwischen „Eurogame“ und „Amitrash“ ist m.E. vor allem der, dass – unabhängig davon, ob das Thema zuerst da war – das Eurogame i.A. besser designt ist. Genauer:
    Euro := Gerne komplex, aber unkompliziert, „elegant“ => Spiel
    Ami := Weniger komplex als kompliziert (viele Details), „unelegant“ => Simulation

  • Hi Peer,
    Es gibt sehr viele Spiele wo das Thema nicht austauschbar ist. Nimm den Grossteil der CoSims – wenn wenn du das Thema austauscht, ist das Spiel sinnlos. Es geht bei diesen Spielen darum Verständnis für politische, mitlitärische u./o. gesellschaftliche – allgemein Historische Gegebenheiten und bezüge zwischen dessen zu erkennen und zu verstehen.
    Ein CoSim lässt sich nur sehr schwer auf seine reine Spielmechanik runterbrechen – wenn man das tut, hat man viele Sachen die Spielmechanisch völlig unerklärbar sind.

    @Jost: Amitrash ist von einer Simulation so weit weg wie es überhaupt möglich ist. CoSims sind i.d.R. weitaus komplexer als *jedes* Eurogame und meistens auch komplizierter. Wobei in den letzten 10 Jahren die eleganten Mechanismen der Eurogames sich auch in den CoSims wiederfinden – und so gibt es inzwischen durchaus CoSims die wenig kompliziert sind aber unglaublich komplex. Vieleicht sollte ich mal ein Mythbuster zum Thema CoSims machen. :-)

  • @Oliver: Du verwechselst doch nicht etwa Komplexität und Kompliziertheit, oder? ;o)
    Zur Klarstellung:
    komplex := vielschichtig (auch bei wenigen Regeln)
    kompliziert := viele Details („Chrome“) wegen (zu) vieler Regeln

  • @Jost: Exakt. Genau so ist es gemeint. Vermutlich kennst du einfach rel. wenige CoSims.

  • […] zeitgt und in dem Spieltrieb wohl bewusst auf Abgrenzung setzt), eine Behauptung gegen die ich mich schlicht wehre. Außerdem steht ein Spiel mit einer Standardthematik nun gleich unter Generalverdacht, das […]