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Alles hat ein Ende…

Keine Angst, ich stelle den Blog nicht ein! Aber nach langer Zeit habe ich neulich mal wieder Martin Wallace Liberté gespielt.  Es kam wie es immer kommt, wenn die Spieler das Spiel nicht kennen oder schon wieder alles vergessen haben: Es endete vorzeitig durch den Sieg der weissen Fraktion. Wer das Spiel nicht kennt: Eine von zwei vorzeitigen Enden wird dadurch ausgelöst, dass die Royalisten(eine von drei Farben) gewonnen hätten, wenn es eine Wertung geben würde – also durchaus zwischen den Wertungen. Ein Spieler hat darauf spekuliert, gewinnt und alle fühlen sich ein bisschen unbefriedigt durch diesen spielerischen Äquivalent eines Coitus Interruptus.

Jedes (Brett-) Spiel endet irgendwann (hoffentlich) aber es gibt Spiele die tun das besser als andere.

Da ist zum einen natürlich der Spannungsbogen. Der muss stimmen und auf das Spielende zugeschnitten sein: Ist der Höhepunkt bereits überschritten, bevor das Spielende erreicht ist, schleppt sich das Spiel nur noch hin und wird nur noch abgewickelt – kaum eine Freude für die Beteiligten. Besonders bei Spielen in dem es am Ende nur noch marginale Siegpunkte abzuholen gibt, besteht diese Gefahr. Viele Martin-Wallace-Spiele haben dieses latente Problem, insbesondere bei unterschiedlich starken Spielern (man denke an das ansonsten gute Tinner´s Trail).

Worum es mir hier aber primär gehen soll ist um ein organischen Spielende. Damit meine ich ein Spielende, dass sich aus dem Spielverlauf heraus ergibt. Ich empfinde Spiele mit organischen Enden als befriedigender als mit „aufgepappten“ Enden. Ich werde mal zwei Beispiele geben:

Organisch enden eigentlich alle Rennspiele: Das Spiel endet wenn die Spieler das Ziel erreicht werden. Das ergibt sich zwingend aus dem Spiel, denn was soll dann noch kommen?

Nicht organisch ist dagegen das Ende von den Siedlern: Das Spiel ist zu Ende wenn jemand 10 Siegpunkte erreicht hat. Dafür mag es spielmechanische Gründe geben (Die mögliche Siegpunktzahl ist begrenzt und wenn die zu erreichende Grenze zu knapp unter der theoretisch möglichen liegt fallen Spieler raus UND das Spiel wird zu lang), aber aus der Spielgeschichte heraus gibt es keinen Grund dafür. Ich hab schon einige Partien erlebt, wo (insbesondere mit den Seefahrern) ein Spieler „plötzlich“ gewonnen hat und alle meinten „Ach nö, wir spielen gerade so schön, lasst uns doch bis 14 Punkte spielen!“. Das spricht für das Spiel. Das spricht gegen das Spielende.

Ein organisches Spielende ergibt sich also aus dem Spielverlauf heraus. Möglichkeiten sind da z.B. das Verbrauchen eines Rohstoffes oder das Vollbesetzen der kompletten Fläche oder das Erreichen eines Zieles – das dann aber nicht abstrakt („12 Siegpunkte“) sein darf, sondern konkret („Als erster die Ziellinie erreicht“) sein muss.

Oft sprechen aber spielerische Gründe gegen ein solch organisches Spielende: z.B. gibt es kein logisches Ende (bei Aufbauspielen z.B. könnte die Spielwelt beliebig erweitert werden) oder das Erreichen des logischen Endes würde zu lange dauern. Dann muss das Spiel künstlich beschnitten werden und dafür gäbe es mehrere Möglichkeiten. Am beliebtesten ist aber wohl die feste Rundenzahl. Die hat einen Nachteil: Nichts wird wohl so gerne vergessen wie das Bewegen des Rundenzählers. Zudem passt die Bewegung des Rundenzählers oft nicht zum Spiel, wird als störend empfunden. Spiele mit fester Rundenzahl müssen diese, um wirklich gut zu sein, voll ins Spiel integrieren. Gut gelungen ist das z.B. bei Vasco da Gama oder Tore der Welt: Bei ersterem gehen die Marker am Ende der fünften Runde einfach aus. Selbst wer das Vorsetzen des Zählers vergisst, weiß also was die Stunde geschlagen hat. Und durch das Ausgehen der Marker ist das Spielende besser ins Spiel integriert (wenn auch noch nicht 100%ig gelungen – aber das Spiel ist eh noch relativ abstrakt für ein Entdeckungsspiel). Tore der Welt geht da noch einen Schritt weiter: Zum Rundenende wird die Checkliste vorgelesen was zu tun ist und da gibt es für jedes Kapitel eine eigene. Vor allem aber ergibt sich durch die Ereignisse ein relativ logischer Spielverlauf: Pest kommt ins Spiel, wird (eventuell) besiegt, die wichtigsten Gebäude werden gebaut usw. Es ergibt sich ein recht logisches Ende, so dass man kaum merkt, dass das Spielende eigentlich künstlich ist. Ähnliches gilt im abgeschwächten Maße für Säulen der Erde und dem Bau der Kathedrale, obgleich die wirklich nur Rundenzähler ist (aber immerhin werden die Spieler immer effizientere Bauherren).

Und das vorzeitige Ende bei Liberté? Ich bin da unentschlossen. Es passt natürlich zum Thema. Und auch spielerisch ist das Alternativende reizvoll. Aber es nicht an eine Wertung zu knüpfen ist mir doch zu speziell: Ich mag es nicht, wenn ich Nachteile habe, weil ich etwas nicht gesehen habe (damit ist nicht das Übersehen von Strategien oder guten Zügen gemeint, sondern wirklich physisches Übersehen von Buchhalterei); deswegen mag ich auch nicht die „Geisterregelung“ bei Kings&Things oder die Meuterei-Regelung von Plunder. Libertés „Weißer Sieg“-Bedingung funktioniert dann, wenn etwas übersehen wird. Das ist unbefriedigend. Gäbe es eine Vorwarnung (etwa dass eine Wertung droht) wäre es wohl etwas anderes. In der Tat empfinde ich den „Erdrutschsieg“ (die andere vorzeitige Endebedingung) als nicht so kritisch, denn die kündigt sich an. Unangekündigte Enden  sind aber oft noch schlimmer als organische. „Ah ja, schon zu Ende. Hm.“ ist da meine Reaktion… Der Blogpost geht jedenfalls auch langsam zu ende…

ciao

peer

Peer Sylvester
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