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Operation am offenem Drachenherzen

Es kommt nicht oft vor, dass ich versuche an einem fertigem Spiel herumzupfuschen. Ich hab genug damit zu tun, an meinen eigenen Prototypen herumzupfuschen. Und wenn ich ein Spiel nicht mag, dann werde ich nicht meine Zeit verschwenden zu retten, was nicht zu retten ist und lieber was spielen, was mir gefällt. Ganz besonders gilt das, wenn ich das fragliche Spiel nicht einmal besitze – wie sollte ich dann entsprechende Änderungen testen?

Aber es gibt Ausnahmen. Sehr, sehr selten zwar, aber es gibt sie. Eine solche Ausnahme ist Drachenherz von Rüdiger Dorn.

Drachenherz hat einen ebenso einfachen wie faszinierenden Grundmechanismus: Beide Spieler haben einen identischen Kartensatz, von dem sie jede Runde eine Karte spielen. 5 Handkarten stehen jeweils zur Auswahl, nach dem Spielen wird also nachgezogen. Das Prinzip ist also so einfach wie bei Lost Cities. Das war das Einfache, jetzt das Faszinierende: Jeder Katentyp hat eine spezielle Ablagefläche auf dem Spielplan. Und abgelegte Karten beeinflussen bereits liegende Karten. Ein Troll z.B. erlaubt es alle Karten vom Prinzesinnenstapel zu nehmen. Eine dort abgelegte Karte erlaubt das Nehmen der abgelegten Drachen- oder der abgelegten Schatzkarten. Manchmal sind mehrere Karten notwendig: So werden drei Bogenschützen benötigt, um einen Flugdrachen zu erlegen. Daher ist es möglich beliebig viele gleiche Karten abzuspielen und entsprechend nachzuziehen. Natürlich zählen abgeräumte Karten Punkte (je nach Wert). Im prinzip wars das am Mechanismus, wobei einige Stapel etwas anders funktionieren: Krieger und Bogenshcützen gehen etwa nach Gebrauch in ein gemeinsames Deck (die anderen Karten bleiben ja liegen, bis sie abgeräumt werden) und können mit dem dritten ausliegenden Schiff genommen werden. Zwerge beeinflussen gar nichts: Die vierte Zwergenkarte nimmt alle Zwergenkarten auf.

Das nette ist, dass man ja immer eine Karte spielen MUSS, auch wenn man nichts hat, um etwas abzuräumen. Da man auch nicht weiß, was der Gegner auf der Hand hält muss man abwägen: Spiele ich jetzt den Schatz (um ihn loszuwerden) und hole ich ihn mir nächste Runde wieder? Dann riskier ich, dass der Gegner ihn vor mir nimmt. Aber er hat ja schon den Drachen nicht genommen, wird also keine Prinzessin haben. Oder ich spiele einen Bogenschützen, dann braucht er immer noch zwei für den Flugdrachen. Wenn er die aber hat? Dann ist das eine Vorlage. Hmmm…

Das ist ein interessantes Dilemma. Und für ein solche lockeres Kartenspiel auch durchaus schmackhaft. Leider gibt es ein Problem: Der Glücksfaktor ist enorm. Alle Überlegungen sind im Prinzip nur subtiles Stochern im Nebel. Wer keine passenden Karten zieht, wird verlieren, ebenso wer immer nur Schatz- und Drachenkarten zieht, denn die beeinflussen keine anderen Karten. Außerdem ist durch das vorzeitige Ende über die Schiffe keineswegs gewährleistet, dass beide Spieler dieselben Karten ziehen – es kann durchaus sein, dass ein Spieler, die Schatzkarten nicht spielen muss, weil sie unten im Stapel liegen.

Wer schlecht zieht, kann nichts machen. Wer gut zieht, holt sich die Punkte ab. Einzig mittlere Blätter erlauben einen Hauch von Finesse. Das ist mir aber auf Dauer zu wenig Spielkontrolle und so verlier Drachenherz bei mir bereits nach wenigen Partien stark an Reiz – Es ist einfach demotivierend gegen einen solch großen Glücksfaktor gegenan spielen zu müssen.

Dennoch: Der Mechanismus (der übrigens hervorragend durch die Spielplangestaltung unterstützt wird) reizt mich. Und so hab ich mir einige Änderungsmöglichkeiten überlegt, die aus Drachenherz vielleicht etwas mehr Substanz herauskitzeln könnten. Wohlgemerkt: Alles ungetestet! Kommentare sind willkommen und wem es so geht wie mir (aber das Spiel sein eigen nennt) kann ja mal ausprobieren – Die kurzen Partien laden ja durchaus dazu ein. (Und noch ein Disclaimer: Natürlich ist Rüdiger Dorn ein guter Autor, der hier sicherlich das abgeliefert hat, was er erreichen wolte. Nur stehe ich an einem anderen Ziel und möchte etwas anderes erreichen… :-) )

Hier also meine Vorschläge:

Erstens: Keine Hausregel sondern einfach etwas Material: Um überhaupt planen zu können ist es Pflicht, zu wissen wie viele Karten jedem Typs im Deck sind. Das gilt besonders für Bogenschützen (6) und Prinzessinen (4) und die Info hätte auf den Spielplan gehört. Aber ein entsprechendes Übersichtsblatt ist schnell geschrieben

Zweitens: Wer Schatz- oder Drachenkarten ablegen muss wird doppelt bestraft: Nicht nur kann er damit keinesfalls etwas gewinnen, er liefert dem Gegner auch eine Vorlage. Daher mein Vorschlag: Wer Schatz oder Drachenkarte abräumt bekommt nicht den ganzen Stapel, sondern nur die oberste Karte. Der Rest der Karten geht aus dem Spiel. Dadurch kann es sich lohnen gleich einen Schwung Schatzkarten zu spielen und so sein Deck schneller durchzuackern. Damit aber nun nicht immer die Vieren auf den Ablagestapel wandern, gibt es die Möglichkeit weitere Karten zu nehmen und zwar in dem man mehrere Karten ablegt. Wer z.B. zwei Prinzessinnen auf einmal spielt, darf auch die obersten beiden Karten des Drachen- oder Schatzstapels mitnehmen. Durch das Spiel der Dubletten wird das Spiel auch schneller und ein Spielende durch das Abspielen des Stapels wahrscheinlicher (was das Spiel etwas ausgleichen dürfte)

Drittens: Klappt alles bis hierhin würde ich versuchen noch etwas an das Spiel anzubauen: Magische Gegenstände.

Wer Schätze oder Drachen spielt, hat bislang nichts davon. Mit dieser Änderung ändert sich das! Wer Schatz- bzw. Drachenkarten spielt kann für den kombinierten Wert magische Gegenstände erwerben. Dafür stehen einige zur Auswahl, jeder Gegenstand kann nur einmal erworben werden (von irgendeinem Spieler) (eventuell braucht man Regel 2 dann nicht mehr, mal sehen).

Also: Schatzkarten im Wert von z.B. 5 ablegen und Gegenstand mit Wert 5 oder kleiner nehmen und vor sich hinlegen. Als Beispiele für Gegenstände stelle ich vor:

Bag of holding (Kosten: Niedrig): Handkarten werden um 1 ergänzt (also auf 7 mit Drachen!)

Kristallkugel (Kosten: Hoch): Es werden immer zwei Karten nachgezogen, von denen der Spieler eine behält und die andere unter den Stapel schiebt.

Juwelen (Kosten: Mittel): Siegpunkte + 5

Flammenschwert (Kosten: Mittel): Erhöht die Anzahl der Schatz/Drachenkarten die nach Variante 2 genommen werden kann um 1 (oder 2)

Rekruit (Kosten: Niedrig): Kann als Joker benutzt werden

Elfenrüstung: (Kosten: Mittel): Erlaubt es einen Bogenschützen als Krieger oder Prinzessin zu spielen

Viel Spaß beim ausprobieren ;-)

Ciao

peer

Peer Sylvester
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8 Kommentare

  • hallo peer,

    mit großem interesse habe ich gerade deinen kommentar zu drachenherz gelesen.
    Du schreibst: Natürlich ist Rüdiger Dorn ein guter Autor, der hier sicherlich das abgeliefert hat, was er erreichen wolte.
    Das („wollte“) ist nicht ganz richtig – mein prototyp war eine kante komplexer, da die spieler noch einen identischen plättchensatz mit einmaligen sonderaktionen vor sich liegen hatten, die einem spieler einen doppelzug, oder den tausch der eigenen kartenhand, u.a. effekte ermöglichten. das spiel war taktischer, aber in den augen der verantwortlichen nicht zielgruppengerecht und evtl. nicht finanzierbar.
    als autor muss man sich entscheiden, was man will – in diesem fall – veröffentlichung oder nicht-veröffentlichung – und ich bin kosmos sehr dankbar, dass dieses einfache, aber reizvolle spiel überhaupt veröffentlicht wurde – in der aktuellen spiellandschaft nicht selbstverständlich.
    wenn drachenherz gut läuft – meine sonderplättchen schlummern in der schublade ;-) – vielleicht, vielleicht ….

    verspielte grüße
    rüdiger

  • Hallo Rüdiger, danke für deinen Kommentar! Also gab es die „Gegenstände“ i bereits, wenn auch in anderer Form. Hätte mich auch gewundert – das bietet sich für das Spiel ja geradezu an.
    Dann wünsche ich Dir viel Erfolg mit dem Spiel – nicht ganz uneigennützig, denn auf die „Erweiterung“ wäre ich schon gespannt :-)

  • Gibt es denn die Möglichkeit, diese einmaligen Plättchen als Übersicht zu bekommen? Ich finde Drachenherz recht interessant und würde diese „Fortgeschrittenen-Variante“ liebend gerne mal ausprobieren.

    Gruß,
    Frog

    spielerfrosch(at)aol.com

  • Sorry für den Doppelkommentar, aber als ich mir eben die von dir, Peer, vorgeschlagene Übersicht basteln wollte, habe ich festgestellt, dass keine 5, sondern bloß 4 Prinzessinnen pro Stapel im Spiel sind. Nur für den Fall, dass jemand die Zahlen verwenden möchte.

    Gruß,
    Frog

  • Jetzt haben ja bestimmt schon einige den Kartenstapel durchgezählt und eine kleine Übersicht erstellt.
    Wäre jemand von Euch so nett und postet die Kartenanzahl hier in den Kommentarbereich?

    Vielen Dank schon mal für diese nützliche Information.
    Grüße,
    Martin