spielbar.com

Die Pflicht eines Bloggers

Irgendwie gehört es zum guten Ton des Bloggens über Spiele, dass man viele Ersteindrücke von Neuheiten postet. Offensichtlich reichen Rezis in dieser schnelllebigen Zeit nicht mehr, jetzt muss schon schnell ein möglichst ausführlicher erster Eindruck gepostet werden. Nunja, dem kann ich mich auch nicht ganz verschließen und deswegen kommen jetzt ein paar Ersteindrücke aktueller Spiele (da ich weder das Geld noch die Spielrunden habe alle Neuheiten schnell zu testen, werden solche aktuellen Einblicke auch in Zukunft eher die Ausnamen bilden. Immerhin hatte ich in der vergangenen Woche das Glück 2 der 3 imho interessantesten Neuheiten Nürnbergs spielen zu können. Jetzt fehlt nur noch Zooloretto).

Notre Dame: Sicherlich das Spiel über das im Moment am meisten geredet wird. Das überrascht nicht: Endlich wieder ein gutes Vielspieler-Alea-Spiel, ein innovativer Mechanismus, ein einigermassen neuartiges Thema (zumal mit Rattenplage) und ein originell geformter und schön gestalteter Spielplan. Erdacht hat das Spiel Stefan Feld, einer der „neuen Garde“, die sich anschickt auf den Spielemarkt zu drängen (Ich zähle auch Andreas Odenhöven, Martin Schlegel, Inka und Markus Brand und Sebastien Pauchon zu diesen Newcomern). Ich will jetzt nicht in epischer Breite auf den Spielverlauf eingehen – das geschieht anderswo. Wichtig ist, dass jeder in jeder Runde drei Karten zur Verfügung hat, von denen er 2 spielt. Der Witz ist, dass er die Karten in einer Art Draftmechanismus erhält – also ist nur eine Karte tatsächlich von ihm, die anderen bekommt er von seinen Mitspielern. Mit den Karten müssen jetzt Gold, „Caballeros“ und die Rattenplage gemanaged werden und dabei dürfen Siegpunkte nicht vernachlässigt werden. Ein Pfiff ist, dass es in der Regel mehr bringt eine Aktion massiv zu nutzen, als alles auszuprobieren. Dennoch ist alles wichtig – ein schönes Dilemma.
Eigentlich wäre bei dem Spiel alles gut: Man knobelt so vor sich hin und versucht alles auszubalanzieren, obwohl man mit dem auskommen muss, was man von den Mitspielern bekommt. Das Spiel ist flüssig, originell, gut austariert und nicht trivial. Mir gefiel es beim Spielen recht gut, aber es hinterläßt einen etwas merkwürdigen Nachgeschmack, wenn das Spiel zu Ende ist. Ich bin nicht ganz sicher woran das liegt. Es könnte daran liegen, dass dem Spiel etwas das spielerische fehlt: Außer dem Kartengeben tendiert diw Interaktion gegen Null. Man beschränkt sich genaugenommen auf Buchhalterei (unterhaltsame Buchhalterei, aber dennoch Buchhalterei). Viele Wege führen zum Ziel aber letztlich glaube ich nicht, dass man GUT spielen kann. Man kann sicherlich SCHLECHT spielen, aber (und das ist mein Eindruck nach 2 Partien) wirklich überraschend gute Züge sind wohl eher nicht möglich (das liest sich vielleicht etwas kryptisch. Aber ich denke z.B. an Euphrat & Tigris, wo ich durch ganz überraschende Züge mir einen massiven Vorteil erarbeiten kann. Oder Puerto Rico, bei dem die es gezielte Strategien -je nach Gebäudewahl – existieren. Hier muss alles balanziert werden und auf einiges konzentriert man sich dann und auf was bestimmen die Mitspieler mit).
Insgesamt ist das aber Jammern auf sehr hohem Niveau: Notre Dame ist ein gutes Spiel. Allerdings bin ich mir noch unsicher ob ich es mir kaufen soll.

Collosseum ist eine Materialschlacht (mit Anleitung wie man die Teile wieder in die Schachtel packen muss, damit alles passt!) von Days of Wonder und anders als das letztjährige Kleopatra eines das eher Vielspieler anspricht. Im Prinzip müssen Aufträge erfüllt werden. Dazu werden bestimmte Plättchen benötigt, die in Sets versteigert werden. Um die Wahrscheinlichkeit was passendes zu bekommen zu erhöhen darf auch in bester Siedler-Manie gehandelt werden. Außerdem kann man seine Arena auf verschiednerweise ausbauen. Jede Runde wird dann ein Auftrag erfüllt (man kann denselben Auftrag auch mehrmals erfüllen) und bekommt dafür Geld und Siegpunkte je nachdem wie gut man den Auftrag erfüllt, wieviele Boni man bekommt (gibts für Ausbauten, bereits erfüllte Aufträge etc.) und ob und welche Pöppel ins Stadion gewürfelt worden sind. Siegpunkte sind übrigens nicht kumulativ sondern es zählt nur die höchste im Spiel erreichte Summe. Da die Siegpunkte in der Regel steigen ist es i.A. wichtig in der letzten Runde die beste Punktsumme zu erreichen (und da hab ich mich bei meiner einzigen Partie völlig verzockt und bin von 1 auf den letzten platz zurückgefallen).
Insgesamt hat mir Colosseum ne ganze Ecke besser gefallen als Notre Dame. Das Spiel lebt mehr: Es ist interaktiv, das Thema ist gut umgesetzt und man kann selbst entscheiden welchen Weg zum Ziel man beschreiten möchte. Das ist ein Spiel nach meinem Geschmack! Ich werde es mir definitiv früher oder später zulegen.

Ansonsten habe ich zum ersten Mal Ubongo gespielt. Der Grundgedanken gefällt mir sehr gut – ich mag solche Legepuzzles (Drei oder Vier Plättchen müssen passend abgelegt werden). Aber die Wertung, bei der man diese Steine zieht gefällt mir überhaupt nicht. Imho passt sie auch nicht zum Spiel, denn manchmal wäre es besser das Puzzle nicht als erster zu lösen, um an begehrte Steine zu kommen. Und das wiederspricht dem Geist des Spieles – Vielleicht sollte man die ersten beiden Farben werten? Naja, so greife ich lieber zu Maniki oder Flickwerk/Turbo Taxi wenn ich Wettpuzzle spiele spielen möchte.

ciao
peer

Peer Sylvester
Letzte Artikel von Peer Sylvester (Alle anzeigen)

2 Kommentare

  • Notre Dame war on top auf der Fairplay Scout Liste, dann Best of Show Nürnberg 07 und Gewinner beim Pfefferkuchel. Und doch war ich nachdem ich es gespielt hatte, alles andere als begeistert (es ging mir also ähnlich wie Dir, Peer).
    Mein Verstand sagt mir, Du musst es loben, wegen der innovativen Karte, welche sich an die Anzahl Spieler anpasst usw.). Aber mein Gefühl sagt mir, dass es eben nicht so viel Spass bereitet hat. Als Stratege fühle ich unterfordert, denn aus 2 Karten pro Runde lässt sich keine Planung erstellen, allenfalls taktisch reagieren. Manchmal ist man geradezu schmerzlich eingeschränkt, wenn man Nachschub an Würfelchen bräuchte, aber keine passende Karte kriegt. Die Interaktion ist zu gering und bei manchen Personenkarten fragt man sich, welchen Zusammenhang es gibt zwischen der Bedeutung der Person und des Effektes, was man bei Bestechung kriegt. (Thema vs. abstrakter Mechanismus).
    Alles in allem ein Spiel, das in Ordnung ist, aber kein Überflieger für die Zielgruppe von Alea (anspruchsvolle Spieler). Es wird deshalb auch nicht auf meinem Wahlzettel für den DSP 2007 stehen.