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Seines Glückes Schmied?

Gestern haben wir mal wieder das alte Entdecker gespielt. Und das völlig verrissene Beowulf. Als Resultat dieser Erfahrung schreibe ich mal etwas über das Unwort der Spieleszene: Glücksfaktor.
Warum stört der Glücksfaktor in Spiel A, während er in Spiel B nicht auffällt? Warum müssen Rezensionen glücksabhängiger Spiele immer den Satz enthalten „Natürlich wird viel gewürfelt (oder was auch immer), aber…“?
Natürlich läuft viel auf Geschmackssache heraus, aber auch hier gibt es einen größeren Bereich, bei dem ich hoffe, Konsens zu erlangen. Am Ende werde ich mal anstelle eines Fazits die beiden Spiele vergleichen und versuchen einen Grund zu finden, warum das eine glücksabhängige Spiel so beliebt, das andere so verachtet wird.

Ich fange aber erst einmal mit einigen häufigen Aussagen über Glücksfaktoren an:

1.) Ein Spiel ohne Glücksfaktor ist berechenbar und belohnt damit den besten Spieler:
Zugegeben, ich glaube nicht, dass jemand das so allgemein wirklich formulieren würde, denn in der Allgemeinheit ist es natürlich vollkommener Blödsinn (man denke an „Schere-Stein-Papier“, ein Spiel ohne äußeren Glücksfaktor). Dennoch schwingt diese Aussage gerne immer mit: Wenn es bei Siedler nicht dieses Würfeln gäbe, würde ich gewinnen (Naja, abgesehen davon: Wenn meine Tante ein Mann wäre, wäre sie mein Onkel. Oder anders ausgedrückt: Manche „Wenn“-Sätze machen keinen Sinn). Irgendwie werden Spiele ohne Glücksfaktor als „reiner“ angesehen. Komisch eigentlich, denn Spiele ohne Glücksfaktor enthalten immer noch den größten Unsicherheitsfaktor überhaupt: Den Mitspieler.
2.) Ein Spiel mit Glücksfaktor ist nicht kontrollierbar
Der Umkehrschluß von 1.) und der quasi der „große Bruder“ denn dies wird tatsächlich immer explizit oder implizit irgendwo geäußert. Nun hängt natürlich viel vom Spiel selbst ab, aber selbst bei Backgammon (einem Würfelspiel!) gibt es Meister und Schüler. Wer auf sein Glück vertraut und alles auf einen Wurf setzt, ist dem Glück ausgeliefert, klar. Wer aber mehrere Möglichkeiten in Betracht sieht, kann das Glück -in Maßen- kontrollieren. Folgt aber daraus:
3.) Ob ein Spiel ein Glücksfaktor hat oder nicht ist für den Spielspaß ohne Belang ?
Jein. Es kommt auf das Spiel an. Es gibt so viele Arten von Glücksfaktoren und entscheident ist letztlich das Spieldesign: Welcher Glücksfaktor passt zum Spiel? Hier sind wir beim Knackpunkt angelangt. Einmal ist da der Faktor Kontrolle-Glück. Überhaupt keine Kontrolle in einem Spiel ist in den meisten Fällen ziemlich sinnlos. Aber wenn in Spielen wie Can´t Stop das Glück dominiert ist das nicht schlimm, denn es passt zum Spiel. Es geht um den Zock, die Spannung beim Würfeln. Und: Die Spieldauer ist kurz. Ein glücksabhängiges Spiel darf nicht zu anstrengend sein, darf keine Denkorgie sein, sonst ist es frustrierend. Eine Schachpartie die nach 2 Stunden durch Würfelwurf entschieden ist führt die gesamte Denkleistung zuvor ad adsurdum. Etwas ähnliches werfe ich dem (allerdings recht beliebten) In 80 Tagen um die Welt vor: Die Wahl der Karte wurde in unserer Partie immer genau überdacht. Letztlich ist das Spiel aber glücksabhängig. Im Resultat bringt das ganze Gedenke gar nichts, wird aber dennoch gemacht. Die Spieler haben das Gefühl, dass Spiel führt ihre gedankliche Arbeit zunichte. Das frustriert
Zudem gibt es frustrierende und nicht-frustrierende Glücksfaktoren. Wenn ich bei Relikt meine eigenen Karten nicht bekomme frustriert das – auch wenn die anderen ihre ebenfalls nicht bekommen und das Spiel eher leichte Kost sein will. Vergeige ich bei Cant Stop einen Wurf ärger ich mich über mich selbst, weil ich noch einen Wurf gewagt habe. Ich kann mir die Schuld geben. Bei Relikt hat „Das Spiel“ die Schuld. Das wirkt frustrierend, ist also ein Ärgerfaktor – Ärger über das Spiel.
Der Unterschied zwischen einem guten Zockspiel und einer drögen Würfelorgie ist es also die bessere Einbindung des Glücksfaktors in das Spieldesign: Glück und Spiel bilden eine runde Einheit, das Glück ist kein Fremdkörper.
Davon ab gibt es natürlich auch Leute die Zockspiele generell nicht mögen. Das ist OK, ich mag die meisten Bluffspiele nicht. Nur würde ich nicht auf die Idee kommen, zu sagen, dass Spiele, bei denen geblufft wird, schlecht designt sind. Wenn Christian Klein in der Spielbox schreibt, dass Siedler von Catan einen Designfehler hat, weil ja die Würfel nicht genau in den Wahrscheinlichkeiten fallen, dann antworte ich: Sollen sie ja vermutlich auch gar nicht. Teuber hat einen glücksabhängigen Verteilungsmechanismus erfunden, der funktioniert und der Anhaltspunkte wie beim Pokern erlaubt: Ich sehe die Karten in der Mitte und denke mir: Ich werde wahrscheinlich das bessere Blatt haben – Die Chance das er ausgerechnet den Pik-Buben hat, ist zu klein. Verliere ich, heisst das nicht, das Poker fehlerhaft ist. Zumal bei Siedler ja ein ausgleichendes Element dabei ist: Das Handeln. Dennoch kann Siedler frustrierend sein – siehe oben – denn wenn meine Rohstoffe einfach nicht kommen, ist „Das Spiel“ schuld. Allerdings gilt dies hauptsächlich für die Anlaufphase. Ist das Spiel im Gang wird der Sieger eher von seinen Fähigkeiten her gekürt werden (Wer mal bei der Siedler-WM dabei war, sieht was ich meine)

Warum ist jetzt Entdecker trotz Glücksfaktor beliebt und Beowulf aufgrund des Glücksfaktoren nicht? Nun, einmal ist zumindest das alte Entdecker kürzer. Zweitens ist Beowulf weniger thematisch, erweckte aber große Erwartungen ob des Themas (zumal Herr der Ringe ja sehr gut umgesetzt war). Aber auch bei den Glücksfaktoren gibt es Unterschiede: Der von Beowulf kann frustrierend wirkend: Wenn die Gegner beim Wagnis immer die richtigen Karten umdecken und ich nicht, ist das frustrierend. Wenn ich bei Entdecker nicht die richtigen Plättchen umdrehe und mein Zug endet, bin ich selbst Schuld, dass ich nicht mehr Plättchen gekauft habe. Zudem erweckt Beowulf den Eindruck planbar zu sein: Die abgestuften Ereignisse, die verschiedenen Stufen, das nötoge Handmanagement usw. Dass das Spiel aber mit viel Glück über die Risiken gewonnen werden kann überrascht und scheint nicht zum Spiel zu passen. Entdecker dagegen versteckt den Glücksfaktor nicht. Hey, es wird etwas unbekanntes entdeckt! Natürlich ist das glücksabhängig.
Wie ich die beiden Spiele mag? Nun, Entdecker spiele ich auch anch 10 Jahren noch gerne. Beowulf fand ich nicht so schlecht, wie es im Forum gemacht wurde, es kommt aber nicht an die richtig guten Spiele heran. Dafür finde ich es zu lang für den, naja, für den Glücksfaktor eben.
ciao
peer

Peer Sylvester
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4 Kommentare

  • Moin Peer,
    wieder ein sehr schöner Artikel, der dazu anregt, sich über das Thema überhaupt mal Gedanken zu machen. Das hatte ich bisher nämlich nicht so sehr.

    Dass Glücksfaktoren mitunter so verrissen werden verstehe ich auch nicht. Nach dem Lesen deines Artikels, kann ich jetzt sagen: wenn der Glücksfaktor nicht zum Spiel passt, verstehe ich, wenn er negativ auffällt ;-)

    Ansonsten kann ich aber nicht nachvollziehen, was daran schlecht sein soll. Das Leben ist schließlich auch nicht planbar. Und in einem Spiel ist dann einfach der Spieler der bessere, der mit den Glücksfaktoren besser umgehen kann. So fördert doch ein Glücksfaktor gerade auch die Flexibilität. Man muss sich an die gegebene Situation anpassen. Survival of the fittest.

    Ich für meinen Teil spiele unheimlich gern Antike. Ein super Spiel in meinen Augen. Es hat keinerlei Glücksfaktor.
    Allerdings hab ich mich auch längst als Pokerspieler geoutet.

    Welches dieser beiden Spiele nun besser ist kann ich nicht sagen. Sie sind einfach nicht miteinander vergleichbar.

    Andreas (der hofft, dass er Glück hat und jetzt in seinem Briefkasten neue Magickarten findet)

  • „Ansonsten kann ich aber nicht nachvollziehen, was daran schlecht sein soll. Das Leben ist schließlich auch nicht planbar“

    Tja, es gibt Spieler, die lehnen jeden Glücksfaktor ab. Dabei geben sie meistens die „Wettkampf“-Begründung: Das Spiel soll den „Besten“ ermitteln. Und das bedeutet, dass der Sieger auch wirklich wegen seiner Fähigkeiten, nicht wegen seines Glücks, gewinnen soll. Dass dieses Argument zu kurz greift, hast du ja ebenso angesprochen, denn i.d.R. sind auch Spiele mit Glücksfaktoren planbar.
    Der zweite Satz (aus dem Zitat) von dir ist auch interessant, denn er spricht etwas an, dass ich nicht mehr im Artikel erwähnt habe: Die Korrelation Glücksfaktor-Leben. Thematische Spiele müssen oft Glücksfaktoren enthalten, um das Thema abbilden zu können. Und da ist es natürlich eine Philosophie-Frage ob das Thema oder das „abstrakte Gerüst“ darunter mehr Spaß macht. Eine Frage, die ich hier sicherlich auch mal ansprechen werde ;-)

  • Eine Frage, bei der ich mich dann sicher auch wieder beteiligen werde ;-)

    Es mag ja durchaus Spieler geben, die lieber Spiele ohne Glücksfaktor spielen. Auf die hatte ich damit aber auch nicht abgezielt, denn auc solche muss es geben, um die Vielfalt zu gewährleisten. Ich meinte damit eher die Rezensoren, die einen Glücksfaktor automatisch als negativ darstellen. Sicher sind Rezensoren am Ende auch nur Spieler mit persönlichen Vorlieben. Aber vielleicht sollte man an der Stelle etwas neutraler an die Sache gehen. Denn wie wir beide uns einig sind (und ich hoffe, der nächste Satz wird das Zitat des Tages):

    „Glück ist nicht unbedingt etwas schlechtes“ ;-)

    Andreas (der am Briefkasten kein Glück hatte)

  • […] schwierig ist und die eigentliche Designkunst ausmacht: Sorgt für interessante Entscheidungen! Zufallsfaktor und Spiellänge müssen zum eigentlichen Spiel passen. Die Übersicht muss groß genug sein, damit die Spieler die Lage möglichst schnell […]