spielbar.com

Spiele erfinden als Ferienprogramm

Vorweg ein kurzes Wort in eigener Sache: Ich werde nicht jedes Mal ankündigen, wenn es neue Rezis gibt (die sieht man nämlich rechts angezeigt, die neueste ist Lumis) und ich werde meinen Spieleflohmarkt aktuell halten; aber hier ebenfalls nicht jedes Mal posten, wenn sich was ändert – am besten immer mal wieder kurz reinschauen :-) .

Nachdem ich die Woche sowohl Broom Service als auch Elysium gespielt habe, wollte ich eigentlich etwas über den Kennerspiel schreiben und darüber, dass die Jury sich da imho nicht an ihre eigenen Regeln hält und generell eher Unsicherheit verbreitet, wer die Zielgruppe des Preises eigentlich sein soll. Aber ehrlich gesagt, fand ich das schon langweilig zu schreiben – was muss dann erst der potentielle Leser über den gefühlten hundersten Kommentar zu den diesjährigen Preisträgern denken?

Stattdessen möchte ich wieder mal über das Spiele erfinden schreiben. Diesmal möchte ich ein paar Tipps abgeben – ich bin ab nächster Woche im Urlaub und weiß nicht, wie regelmäßig hier was neues kommt. So habt ihr wenigstens was zu tun :-) Außerdem sind ja auch viele ein paar mindesten ein Redakteur  unter meinen Lesern und ergänzen vielleicht das eine oder andere.

Natürlich gibt es viele allgemeine Tipps, deren Umsetzung jedoch schwierig ist und die eigentliche Designkunst ausmacht: Sorgt für interessante Entscheidungen! Zufallsfaktor und Spiellänge müssen zum eigentlichen Spiel passen. Die Übersicht muss groß genug sein, damit die Spieler die Lage möglichst schnell erfassen können und Spielsiege aufgrund von „Sehfehlern“ sollten vermieden werden. Keine Regeln, die das Spiel nur komplizierter machen, aber nicht besser.  Usw. Konzentrieren möchte ich mich aber auf ein paar kleine Dinge. Eher Nebensächlichkeiten, die mich oft bei ansonsten guten Spielen stören und die vielleicht die entscheidenden 10% ausmachen können. Natürlich gilt: Für jedes Beispiel gibt es viele, viele Gegenbeispiele. Aber als Richtlinien vielleicht ganz brauchbar. Für irgendwen.

Rundensteine: Es gibt 3 harmlose Dinge, die mich immer wieder ärgern: 1. Wenn Superhelden gegen eine andere Version von sich selbst kämpfen (Fällt denen nichts besseres ein?) 2. Wenn in Filmen Leute aus anderen Ländern miteinander englisch sprechen (Das sollte seit Lost und Inglorious Basterds gar kein Thema mehr sein!) und 3. Rundensteine, die vorgesetzt werden müssen, obwohl man das ständig vergisst. Ein Spiel mit einer festen Rundenzahl auszustatten kann viele Gründe haben, in der Regel wird so die Spieldauer auf ein akzeptables Maß zusammengeschraubt. Manchmal ist das logisch (weil sich in weiteren Runden nichts mehr tun würde z.B.), manchmal wirkt das extrem willkürlich. Deswegen empfehle ich immer erst einmal zu gucken, ob eine andere Spielendebedingung nicht besser wäre (Man denke an Siedler, dass durch das Wettrennelement deutlich gewinnt – man stelle sich vor, Siedler würde auf bestimmte Rundenanzahl beschränkt werden!). Aber manchmal bietet sich eine fixe Rundenzahl einfach an. Dann ist da eben der Rundenzähler. Und der wird gerne vergessen – Moment! Sind wir nicht schon in Runde 3 oder erst 2 oder schon in Runde 4? Vergessen wird er insbesondere dann, wenn sonst nichts bei Rundenende zu tun ist – und womöglich das Spiel dann einfach weitergeht. Also: ABCD setzen, Rundenzähler weiter und dann wieder ABCD… Der Rundenzähler wird vergessen. Garantiert. Also: Bitte, bitte, immer prüfen, ob ein Rundenzähler wirklich nötig ist! Ist vielleicht ein Material bei Spielende einfach alle? Oder eine Leiste vollbesetzt? Dann braucht man keinen Zähler und das Spielende ist logisch, zudem wird die Buchhalterei um einen Faktor reduziert. Wird z.B.  jede Runde eine Ereigniskarte (o.ä.) aufgedeckt, dann endet das Spiel wenn die letzte aufgedeckt wurde (vor Spielbeginn nimmt man einfach entsprechend viele Karten aus dem Spiel, so dass der Stapel die richtige Kartenanzahl enthält). Einfach und effektiv.

Startphase abkürzen: Gerade Gaia gespielt. Alle zogen Handkarten, denn das ist immer sinnvoll. Erst als alle Spieler so oft an der Reihe waren, dass sie ihr Handkartenlimit erreicht hatten, wurden Aktionen durchgeführt. Meine Frage: Warum beginnt man nicht gleich mit einer vollen Kartenhand? Wie ich hier fast wöchentlich schreibe: Bei Spielen geht es um Entscheidungen. Wenn ich bei Spielbeginn keine echten Entscheidungen treffen kann (weil nur eine Aktion überhaupt sinnvoll ist), dann beginnt das Spiel mit einer langweiligen Einstiegsphase. Ein gutes Spiel sollte den Spieler aber von Beginn an fesseln. Das ist auch ganz einfach umzusetzen: Wenn die Testspieler immer so ziemlich die gleichen Aktionen bei Spielbeginn machen, bevor es losgeht, dann einfach das Spiel dann beginnen lassen, wenn sie diese Aktionen bereits durchgeführt haben. Die Aktionen werden dann einfach im Spielaufbau mit eingebaut (Ein Schloß hier, drei Handkarten mehr für jeden da…) Ein Spiel sollte dann beginnen, wenn nicht mehr vorhersehbar ist, was die Spieler machen. Und sollte es nur darum gehen, ob Land 1 oder Land 2 mit einer Mühle besetzt wird: Wenn diese Entscheidung das Spiel um 10 Minuten verlängert, ist sie es nicht wert, getroffen zu werden: Ein paar Dinge können bereits feststehen. Jeder Zeitaufwand muss im Verhältnis zu seinem „Impact“ auf das Spiel stehen.

 „Gleichzeitig“ einen Chip nutzen: Wir verlassen jetzt das Gebiet der „Dinge die ich mal anmerken wollte“ und betreten das Gebiet „Aaaargh! Das ist wirklich eine Sch…Regel!“. Es gibt immer wieder Spiele, bei denen die Spieler zwischendurch eine Aktion unterbrechen können – z.B. um einen Chip zu spielen oder Veto zu rufen oder so. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn es nicht darauf ankommt, wer was wann gerufen hat. Aber wenn es darum geht, wer etwas als erstes getan hat, dann gibt es Schwierigkeiten. Wer war der erste? Ich oder Du? Wenn es nicht sowieso um ein Partyspiel handelt, bei denen Reaktionen eine Rolle spielen, ist das immer eine dumme Regel. Besonders blöd, wenn man auf den Chip noch reagieren kann oder wenn es besser ist, wenn jemand anderes sein Veto opfert. Dann kommt es gerne zu solchen lustigen Szenen: „A Veto!“ B: „V… OK“ A: „Oh, wenn du Veto rufen wolltest, brauche ich nicht mehr. Ich ziehe mein Veto zurück!“ B: „Nein, nein, will ich gar nicht, mach nur!“ A: Ne, ich will doch nicht.“ B: „Du hast gerufen, du musst jetzt!“ A „Du aber auch!“ Aber du hast doch schon!“ A“Nein, ich war nur lauter“ (…)

Bitte, bitte, bitte, mit Zucker oben drauf: Regelt klar wer wann Veto rufen kann/darf/muss/soll!

Kollateralschaden: Abseits von reinen Funspielen würde ich immer versuchen zu vermeiden, dass man lange planen muss (weil die Züge eben diffiziel sind), nur damit jemand anderes alles kaputt macht. Insbesondere ist das ein Problem wenn dieser jemand die eigenen Pläne eher zufällig kaputt macht. Das frustriert nämlich. Das frustriert vor allem mehr, als wenn jemand gezielt die Pläne eines Konkurrenten stört, weil dieser besser steht als man selbst. Dieser Punkt ist zugegeben sehr allgemein, aber er liegt mir am Herzen: Das Problem mit Kollateralschäden ist nämlich, dass es nicht selten denjenigen trifft, der eh hinten liegt. Kann ich gezielt jemanden Schaden (und das macht auch sinn), dann wähle ich normalerweise jemanden, der besser steht, der mehr Geld hat o.ä. Es lohnt sich nicht auf den zu Treten, der eh hinter einem liegt. Konfrontation ist so ein ausgleichendes Element, wenn sie gezielt eingesetzt werden kann. Ist aber nicht steuerbar, wer Schaden nimmt, bekommt der Hintenliegende nicht selten kein Bein mehr auf der Boden, weil er immer noch zusätzlich auf den Kopp bekommt. Das macht demjenigen keinen Spaß und dem Täter meistens auch nicht.

Und jetzt beginnt die Sommermitarbeit: Bitte postet doch noch weitere Regeln, die euch ärgern (allgemein oder konkret) und/oder Tipps. Ich werde versuchen immer mal zu kommentieren, aber weiß nicht, wie oft das gelingt :-)

ciao

peer

 

 

 

Peer Sylvester
Letzte Artikel von Peer Sylvester (Alle anzeigen)