spielbar.com

Das Finspan-Problem

Vor einigen Tagen kündigte Stonemaier Games einen neuen Titel an, der auf unterschiedlichste Reaktionen stieß. Finspan soll das Spiel heißen und baut auf Elizabeth Hargraves Flügelschlag auf. Diesmal stehen jedoch weder Vögel, noch Drachen, sondern Fische im Mittelpunkt.

Neben den ersten Vermutungen, dass es sich dabei um einen Scherz handeln würde, gab es verhaltene positive Rückmeldung. Aber es gab auch die vertraute Kritik, dass diese Spiele „nur Geldmacherei“ wären. Eine Kritik, die so vertraut ist, dass auch ihre Antwort mittlerweile ausgeleiert scheint. So wird mit selbstgefälliger Aufgeklärtheit intoniert, dass ein Verlag nun mal das Ziel hat Geld zu machen und es ihnen frei steht wie sie das tun möchten. Ich persönlich finde diese pro-neoliberalen Argumente eher ekelhaft als überzeugend. Dennoch sehe ich den Vorwurf des „Geld machen wollen“ als nicht zutreffend an. Mein Eindruck ist, dass Spieler*innen eher enttäuscht davon sind, wenn solche oder vergleichbare Ankündigungen von Verlagen gemacht werden. Den Verlagen im Anschluss Gier vorzuwerfen, scheint mir oft eher aus einem Unvermögen zu entstehen diese Enttäuschung richtig zu fassen. „Geld machen“ ist ein bekanntes, aber darum nicht gleich das richtige Argument um an dieser Stelle zu zeigen, dass man enttäuscht ist.

Man muss sich also fragen, warum bestimmte Ankündigungen von Spielen überhaupt solche Ablehnung wecken. Es werden jedes Jahr hunderte von Spielen angekündigt. Die meisten dieser Ankündigungen werden bestenfalls mit einem Schulterzucken wahrgenommen. Falls sie überhaupt wahrgenommen und kommentiert werden. Ist Finspan (im Deutschen später Flossenschlag) so anders als andere Spiele? Fällt Stonemaier Games derart aus dem Rahmen mit ihrer Entwicklung von Spielreihen? (Mir ist natürlich bewusst, dass es Personen gibt die persönliche Abneigungen gegen den Verlag bzw. den Verlagschef hegen und daher bei Gelegenheit gerne mit harter Kritik um sich werfen. Aber auf diese individuellen Empfindlichkeiten werde ich hier nicht weiter eingehen.)

Meine Vermutung ist, dass viele Spieler*innen ein starkes Bedürfnis nach neuartigen Spielerlebnissen haben. Das ist zugegeben keine besonders gewagte These. Wenn ein neues Spiel in die Kritik gerät, dann wird oft angemerkt, dass es dem Spiel an Innovation fehlt. Bei der vierten, fünften oder zwölften Auflage eines Klassikers fällt das oft weniger ins Gewicht. Bei einem neu entwickelten Spiel jedoch erwartet man auch etwas Neuartiges, vielleicht sogar Außergewöhnliches. Eben diese Erwartungen scheint Finspan bisher nicht ausreichend zu bedienen. Zu wenig deutet darauf hin, dass Finspan wirklich anders genug ist, um die Aufmerksamkeit der Szene zu verdienen.

Ich erinnere mich daran, dass die Besprechungen von Schwingenschlag fast ausnahmslos mit einer ähnlichen Klarstellung verbunden waren: hier gäbe es mehr als nur ein ideenarmes Austauschen des Naturthemas mit Fantasywesen. Viele Kritiker*innen betonten, dass Schwingenschlag anders genug sei, um neben der großen Schwester zu stehen.

Wie es scheint ging die Absicht des Verlages den Wiedererkennungswert ihres Verkaufserfolg „Wingspan“ hier als Sprungbrett für ihr neues Spiel zu nutzen. Auch wenn das auf Kosten des Alleinstellungsmerkmals erfolgt ist.

Man muss aber auch anmerken, dass Flügelschlag damals nicht für seinen hohen Grad an Innovation gefeiert wurde. Dass es dem internationalen Erfolg des Spiels keinen Abbruch getan hat, legt nahe, dass Spielerliebhaber*innen Innovation vielleicht weit höher hängen als es die Spielergemeinschaft als solches tut. Was Flügelschlag jedoch auszeichnete – und in meinen Augen jedes gute Spiel auszeichnet – war der klare, eigene Charakter. Flügelschlag hatte eine eigene Identität, die es von anderen Brettspielen sofort unterscheidbar machte. Durch Thema, Grafik und Spielablauf ergab sich ein eigenes Spielgefühl.

An eben diesem Punkt fehlt Finspan der eigene Charakter. Thematisch und graphisch scheint sich Finspan nur in oberflächlichen Punkten von seinen Geschwistern zu unterscheiden. Die spielerischen Feinheiten werden erst noch in Kritiken festgemacht werden können. Finspan wirkt wie ein Aufguss, dem jedoch die Aufmerksamkeit eines neuen, spielerischen Highlights zukommen soll.

Auf reddit werden die Gags schnell gemacht
Die Ankündigung des Spiels ist gezwungenermaßen ein Kompromiss. Die breite Spielerschaft benötigt die Nähe zu einem bekannten Titel, um Finspan überhaupt in der Flut der neuen Spiele dieses Jahr herauszupicken. Der engere Kreis der Vielspieler*innen hingegen ist enttäuscht, dass hier kein Spiel im Mittelpunkt steht, dass ein merklich neuartiges Spielerlebnis verspricht.

Allein die Meme-Lords haben ihren Spaß, in dem sie unzählige Variationen zu den Titel durchexerzieren, um sich darüber lustig zu machen. Aus Marketingsicht ist das zumindest ein Teilerfolg. Finspan ist in aller Munde, aber der schale Beigeschmack des Lächerlichen haftet ihm auch an. Das ist – gerade für die Personen, die Arbeit in das Spiel gesteckt haben – schade.

Die Professionalisierung und Online-Sichtbarkeit der Spieleindustrie bringt ihre eigenen Chancen und Probleme mit sich. Darunter auch die Frage wie man ein Spiel ankündigt ohne es mit fragwürdiger Mundpropaganda zu verbinden. Die angekündigten Besprechungen und Videos bekannter Content Creator zum 17. Januar 2025 scheinen der Weg zu sein den Stonemaier Games dafür gewählt hat. Ich könnte mir vorstellen, dass der „eigene Charakter“ des Spiels dort oft Betonung finden wird.

Georgios Panagiotidis
Letzte Artikel von Georgios Panagiotidis (Alle anzeigen)