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5 Techniken gegen schlechte Anleitungen

Niemand mag schlechte Spielanleitungen. Sie sind wahlweise zu lang, zu kurz, zu detailliert oder zu ungenau. Manche sind zu trocken geschrieben, andere sind zu flapsig formuliert. Aber wie die englische Lebensweisheit schon bemerkt: „Only a bad craftsman blames his tools“ (Nur ein schlechter Handwerker gibt seinem Werkzeug die Schuld.) Egal wie schlecht die Anleitung auch sein mag, als die Person, die ein Spiel erklärt (oder sogar zum Spielen eingeladen hat), muss man dennoch dafür sorgen, dass die erste Partie so gut wie möglich über die Bühne geht.

Es gibt dabei Techniken, mit denen man bestimmte Unzulänglichkeiten einer Spielanleitung ausgleichen kann.

Regeln verallgemeinern

Spielanleitungen sind darauf ausgelegt vollständig und detailliert zu sein. Sie müssen genug Einzelheiten präsentieren, um Verständnisfragen vor zu greifen. Aber auch so viele Beispiele bieten, dass die Anwendung der Regeln in möglichst allen Situationen nachvollziehbar ist. Mit dieser guten Absicht kann aber eine Anleitung schon mal über das Ziel hinausschießen und viel zu viel ausführen.

Eine Erklärung am Spieltisch muss daher Regeln abstrahieren und vereinfachen. Denn es reicht aus, wenn man als Erklärende*r weiß wie Sonderfälle gehandhabt werden. Nach dem Lesen einer Anleitung sollte man in der Lage sein alle Spielsituationen abwickeln zu können. Nach der Erklärung eines Spiels sollte man in der Lage sein, dass Spiel zu spielen. Diese beiden Dinge sind nicht das Gleiche. Darum muss eine Spielerklärung auch nicht alles wiedergeben, was in der Anleitung steht.

Neue Spieler*innen müssen verstehen wie eine Regel funktioniert und in welchen Fällen sie angewandt wird. Wenn man feiner unterscheiden muss, dann sollte man auf Wiederholung und Vertiefung setzen. Also eine Regel zu einem späteren Zeitpunkt noch mal erwähnen und die Unterschiede dann erklären, wenn man auch nachvollziehen kann, warum diese Unterscheidung eine Rolle spielt.

Entscheidungen vor dem Spiel benennen

Es ist schon ein wenig verwunderlich wie selten eine Anleitung genau sagt, was man in einem Spiel eigentlich macht. In sehr seltenen Fällen werden die Entscheidungen, die man beim Spielen fällt, umrissen oder herausgestellt. Oft werden nur die Möglichkeiten beschrieben. Aber wie Entscheidungen aussehen, oder welche davon mehr Gewicht haben, bleibt unklar. Es ist offensichtlich, dass nicht jede Entscheidung in einem Spiel von gleicher Bedeutung sein wird. Manche haben weitreichende Folgen. Andere gehen im unüberschaubaren Geflecht an Abhängigkeiten schon mal unter. In vielen Fällen muss man das Spiel erst in Aktion erlebt haben, um diese Unterschiede zu erkennen.

Aus den Überlegungen über unsere Entscheidungen, entwickeln wir die ersten Strategien. Es gibt Spiele, die diesen Schritt den Spieler*innen ganz und gar selbst überlassen. Ob eine Entscheidung über die man minutenlang gegrübelt hat am Ende wichtig oder vollkommen belanglos war, soll man erst im Nachhinein verstehen. Das führt in der Regel nicht zu einer guten ersten Partie, der weitere folgen werden.

Darum hilft es gerade bei etwas komplexeren Spielen ein grobes Verständnis zu haben, worauf man achten sollte. Eine erste Partie sollte idealerweise bereits den Fokus auf die Punkte des Spiels legen, die für Spielspaß sorgen. Diese Entscheidungen beim Erklären des Spiels direkt zu benennen, hilft dabei.

Stimmung vorbereiten

Es gibt einen subtilen, aber dennoch umso ärgerlichen Fehler, der sich Anleitungen einschleicht. So kann es passieren, dass Schreibstil und Darstellung der Anleitung ein anderes Spielerlebnis kommunizieren, als es das Spiel tatsächlich bietet. Eine umfangreiche und trocken geschriebene Anleitung legt ein Spiel nahe, welches sehr ernst und penibel verläuft. Vergleichbares gilt für ein Spiel mit einer kurzen, knappen Anleitung mit vielen schönen Bildern, welches eher ein kurzweiliges und nicht besonders forderndes Spielerlebnis nahelegt.

Eine gute Spielerklärung stimmt die Gruppe auf die Art von Spielerlebnis ein, welche sie auch erwartet. Ein lustiges, flapsiges Spiel braucht keine detaillierte Auflistung penibler Regelfeinheiten. Ähnlich wie ein komplexes und sehr kleinteiliges Spiel nicht davon profitiert, wenn man sich über einzelne Regeln oder thematische Entscheidungen lustig macht oder sich oft verhaspelt. Hier braucht es eine sichere Erklärung, die Vertrauen in die Robustheit der Regeln spendet, um eben auch ein ähnlich robustes Spielerlebnis zu ermöglichen. Egal welche Stimmung ein Spiel voraussetzt oder erzeugen will, eine gute Spielerklärung sollte genau diese Stimmung ebenfalls vermitteln.

Vom Tatsächlichen ins Thematische beschreiben

Zum Leidwesen der meisten Menschen, die öfter Anleitungen lesen, scheinen viele Redaktionen nicht davon ablassen zu können, ihr Spiel allein mit thematischen Begriffen erklären zu wollen. Dahinter steht fast immer der naive Gedanke, dass ein Spiel besonders immersiv ist, wenn jede Regel und jedes Spielelement nur thematisch umschrieben wird. Diesen Fehler sollte man unter gar keinen Umständen am Spieltisch wiederholen.

Stattdessen sollte eine Erklärung immer die Verbindung zwischen den realen Inhalten (Komponenten und Handlungen) und den thematischen Umschreibungen aufbauen. Das geschieht jedoch nicht in dem man sie – wie in der Inhaltsübersicht der Anleitung – einmalig erwähnt. Es ist weit effektiver auf beiläufige Wiederholungen zu setzen. Ein Erklärung, in der zum Beispiel immer wieder der schwarze Holzwürfel mit „Kohle“ und der orange-farbene Würfel mit „Eisen“ verbunden wird, verankert eine solche Verknüpfung in den Köpfen der Spieler*innen. Erst wenn die realen Abläufe am Tisch verstanden sind, kann man sich die thematische Ebene des Spiels erschließen. So wie man auch ein Dach erst auf ein Haus bauen kann, wenn Fundament und Wände stabil stehen.

Ziele identifizieren

Es ist völlig klar, dass es Spaß macht Strategien in einem Spiel selbst zu entdecken. Wenn man durch Ausprobieren lernt was besonders starke (und manchmal auch schwache) Strategien sind, dann fühlt sich das fast immer toll an. Manche Gruppen haben eine unausgesprochene Regel daraus abgeleitet, welche auch in Spielanleitungen zu oft eingehalten wird. Man glaubt, dass eine Einführung in ein Spiel möglichst nichts über Strategien sagen sollte. Die schöne Spielerfahrung soll durch einen solchen „Spoiler“ nicht geschmälert werden. Aber das ist in einigen Fällen der falsche Ansatz.

Ein Spiel, das unvertraut ist oder eines bei dem man andere Erfahrungen nicht direkt übertragen kann, wird dadurch in der ersten Partie unverständlich. In diesen Fällen ist es wichtig bei der Spielerklärung zumindest für eine grobe Orientierung bei den Spieler*innen zu sorgen. Man sollte bereits in der ersten Partie ein Ziel kennen, welches über „Gewinnen“ hinausgeht. So kann man die eigenen Entscheidungen darauf ausrichten und aktiv am Spiel teilnehmen.

Wir kennen Abläufe wie den folgenden aus vielen anderen Spielen bereits. Erst wollen wir das erste Ziel erreichen (z.B. eine bestimmte Karte kaufen), dann Ziel 2 nehmen (z.B. diese Karte für bestimmte Ressourcen zu benutzen) und mit Ziel 3 abschließen (z.B. Ressourcen in Siegpunkte umtauschen).

In einem neuen Spiel zeichnet sich ein solcher Ablauf jedoch nicht immer sofort ab. Die erste Spielpartie kann sehr viel mehr an Fahrt gewinnen, wenn man bei der Erklärung bereits eine Richtung vorgeben kann. Sobald man ein erstes sinnvolles Zwischenziel sieht, fällt es zunehmend leichter andere Zwischenziele im Spiel zu finden. Denn gerade, wenn man nicht weiß was man sich als nächstes Ziel aussuchen sollte, dass man anfängt auf Dinge hinzuspielen, die das Spielerlebnis eher beeinträchtigen.

Eine schlechte Spielanleitung verringert die Wahrscheinlichkeit, dass man eine tolle Erstpartie haben wird. Aber als Person, die das Spiel erklärt, kann man zumindest darauf hinarbeiten, dass auch ein Spiel mit einer schlechten Anleitung mehr als ein Mal auf den Tisch kommt.

Georgios Panagiotidis
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