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Ist das jetzt Journalismus oder nicht?

Vor einiger Zeit hatte ich einen kurzen Austausch auf Mastodon in dem es auch darum ging ob sich Spielkritiker*innen als Journalisten verstehen. Meine Position war (und ist), dass Spielkritiker*innen, welche die Vergünstigungen von Pressetickets und Rezensionsexemplaren in Anspruch nehmen, sich zumindest formal als Journalist*innen identifizieren. Daraus folgt in meinen Augen auch die Verpflichtung Spielkritik als journalistische Disziplin zu begreifen und zu behandeln. Was genau heißt es also, wenn wir Spielkritik als Journalismus verstehen?

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, sehe ich vor allem drei Schritte in denen sich die Arbeitsweisen gleichen.

1. Recherchieren
2. Kontextualisieren und Gewichten
3. Dokumentieren

Der letzte Punkt ist hier sicherlich am einfachsten zu übertragen. Ähnlich wie journalistische Arbeit auf bestimmte Art und Weise in ein Publikationsmedium überführt werden muss, muss auch eine Spielkritik als Artikel, Podcastaufnahme, Video oder auch Social Media-Post aufbereitet werden. Ich habe den Eindruck, dass es zu diesem Punkt bereits viel Material und Unterstützung gibt. Daher werde ich nicht weiter darauf eingehen. Die meisten Tipps sind in der Regel an die Plattform gebunden, auf der man veröffentlicht, entsprechend lassen sie sich nicht immer verallgemeinern.

Im Gegensatz dazu benötigt aber jede Spielkritik Recherchearbeit. Damit ist vor allem das Spielen des Spiels selbst gemeint. Das Spielen findet nicht allein zum Spaß statt, sondern auch zum Sammeln von Beobachtungen und Erfahrungen auf denen unsere Spielkritik aufbauen wird. Wir beschäftigen uns beim Spielen mit der Frage wie sich Regeln, Thema, Komponenten und andere Facetten des Spielens auf unser Erlebnis auswirken. Man kann aber auch einen Schritt weiter gehen und sich mit den Hintergründen der Designer*innen, des Verlags und des Spielthemas beschäftigen. Das ist kein Muss, und auch nicht immer ein Mehrgewinn für eine Spielkritik. Aber es kann helfen sich ein runderes und besseres Bild zu machen. Entsprechend ist die Frage wie oft man ein Spiel spielen sollte, bevor man eine Kritik verfasst, identisch zur Frage wie viel man zu einem Thema recherchieren sollte, bevor man einen Artikel schreibt. Theoretisch gibt es kein Limit, aber praktisch ist man oft an Deadlines gebunden. Am Ende muss man schlicht so lange recherchieren, bis man genug Material hat für einen guten Artikel bzw. eine gute Kritik hat.

Der nächste Punkt in dem Spielkritik der journalistischen Arbeit gleicht, ist wenn es darum das Ergebnis der Recherche (in der Regel das Spielen) zu reflektieren und bestimmte Aspekte des Spielerlebnis in den Vordergrund zu stellen. Hier muss man herausarbeiten was im Mittelpunkt der Kritik stehen soll. Wie auch in anderen Formen des Journalismus ist es dieser Fokus, der eine Spielkritik auszeichnet und einen wichtigen Teil der Arbeit darstellt. Darum ist der Versuch ein Spiel aus möglichst allen Blickwinkeln zu betrachten oft kein Garant für eine gut gemachte Kritik. Es kommt eher dem Abarbeiten einer Checkliste gleich, die auf mechanische und repetitive Weise ein Spiel beurteilt. Sie steht damit einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Spiel selbst im Weg.

Innerhalb dieser Frage der Gewichtung, versteckt sich jedoch ein viel wichtigerer Punkt, der gerade im Rahmen der Spielkritik mehr Beachtung erfahren sollte. Neben den Facetten des Spiels selbst, kann die Gewichtung der Kritik auch auf das persönliche Spielerlebnis geschoben werden. An diesem Punkt wird meiner Meinung nach oft nicht sauber unterschieden, so dass Spielkritiker*innen dazu neigen über sich selbst zu sprechen, statt über das Spiel. Das kann gerade zu Zeiten von Social Media und Community-bindung zu einem gewissen Grad unverzichtbar sein. Aber es trägt nur wenig zu einer Spielkritik bei. Anstatt sich kritisch mit dem Spiel zu beschäftigen, wird vor allem die eigene Person in den Mittelpunkt gesetzt. Eine solche Verschiebung sollte meiner Meinung nach bewusst gemacht werden und nicht aus Unwissen oder Unachtsamkeit. Denn dadurch findet ein grundlegender Perspektivwechsel statt, der das Ziel einer Spielkritik untergraben kann.

Was jedoch nicht heißt, dass das Einnehmen einer solchen Perspektive nicht auch bereichernd sein kann. Wenn sich ein Spielthema etwa aus dem persönlichen Kulturkreis oder Fachbereich bedient, ist eine solche Perspektive wertvoll. Sie trägt viel dazu bei, dass wir Spiele stärker als kulturelle Objekte verstehen, statt als seichte Unterhaltungsmaschinen. Im Gegensatz dazu scheint mir das Wiedergeben der eigenen Spielerfahrung mit Themen, die einem unbekannt sind, nur wenig Substanz zu bieten. Ob jemand Spaß mit einem Spiel hatte oder nicht, mag meine Kaufentscheidung beeinflussen, aber sie sagt wenig über das Spiel aus.

Natürlich ist – wie oben bereits erwähnt – das persönliche Spielerlebnis der erste Schritt einer Kritik. Es ist das Fundament auf dem unsere Spielkritik aufbaut. Aber es ist auch ganz ausdrücklich nicht die Spielkritik selbst. Die Erfahrungen, die wir mit dem Spiel gemacht haben, benötigt die oben angesprochene Einordnung und Gewichtung durch uns als Kritiker*innen, um zu einer Spielkritik zu werden.

Damit rechtfertigt sich in meinen Augen die Einordnung der Spielkritik als journalistische Arbeit. Allerdings hängt verhältnismäßig wenig an einer Spielkritik. Es ist kein investigativer Journalismus, der Missstände aufdeckt und es ist auch kein politischer Journalismus, der wichtige gesellschaftliche Fragen beleuchtet und darüber informiert. Es ist am Ende des Tages „nur“ das Schreiben über eine Form der Populärkultur. Dennoch hoffe ich, dass jede medienschaffende Person in der Brettspielszene versucht durch ihr Tun den Austausch über Spiele zu bereichern. Vielleicht in dem sie ihre Kritiken als journalistische Arbeit begreift und nicht lediglich als Content um Klickzahlen zu generieren.

Georgios Panagiotidis
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