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Was es heißt mit Themen zu lernen

Lange Zeit war es üblich die Beschäftigung mit Spielen dadurch zu rechtfertigen, dass man so viel dabei lernen könnte. Ich war froh als dieser Reflex zur Rechtfertigung immer seltener wurde. Nun schleicht er sich langsam wieder in das Gespräch ein. Diesmal jedoch nicht über das Spielen selbst, sondern über die Wahl des Themas. Spiele wären ja deshalb so wertvoll, da sie einem ihre Themen näher bringen würden. Das Spielen selbst ist dabei lediglich Mittel zum Zweck. Es ist das Laufband auf das man sich bewegt, um zu mehr Wissen und Verständnis transportiert zu werden. Dies scheint mir Didaktik auf sehr einfache und plakative Art auf Spiele anzuwenden. Wir lernen das Thema kennen und verstehen, weil es im Rahmen des Spiels präsent ist.

Ich denke dieser Ansatz greift zu kurz. Er mag sich zwar durch anekdotische Evidenz belegen lassen, aber geht hier dennoch vom beiläufigen Lernen aus. Bestenfalls kann man hier von Lernen durch Immersion sprechen. Also ein unbewusstes Verarbeiten und Aufnehmen von Wissen ohne didaktischen Impuls, Hilfestellung oder Einordnung. Entsprechend hat ein solcher Ansatz zur Folge, dass das Thema eines Spiels vor dem Spielen aufbereitet werden muss und im Anschluss des Spiels nachbereitet werden muss. Es muss eine Einordnung des thematischen Wissens stattfinden. Was im Spiel erlebt wurde, muss ausgearbeitet und nach bekannter Manier erfasst und im Gedächtnis verankert werden.

Das Spiel selbst ist damit eher Motivationshilfe für die Lernenden. Aber es ist in sich kein valider oder zielführender Lerngegenstand. Allerdings sehe ich den Grund, weshalb Spiele überhaupt so viel Aufmerksamkeit diesbezüglich auf sich ziehen nicht in dieser Einsatzweise. Es ist vielmehr die Lernfähigkeit, die Spiele in Spieler*innen freischalten können. Eine Beobachtung, die auch Jane McGonigal in „Reality is Broken“ aufgreift.

Nach wenigen Partien sind Namen und Effekte der Karten ins Gedächtnis gebrannt

Das Bemerkenswerte an Spielen ist, wie einfach es scheint Menschen dazu zu bewegen komplexe Sinnzusammenhänge zu erfassen. Wie selbstverständlich trainieren sie Menschen darauf eine Situation nach bestimmten Kriterien zu analysieren, Ziele zu identifizieren und nach Lösungsansätzen zu suchen diese Ziele zu erreichen. Zusätzlich laden sie dazu ein zwischenmenschliche Kompetenzen (zumindest in der Einschätzung und Antizipation des Verhaltens anderer) zu üben und führen nicht selten dazu, dass Spieler*innen spezifisches Fachwissen in kurzer Zeit verinnerlicht haben.

Es ist vor allem der letzte Punkt, der viele hellhörig werden lässt. Vielleicht sind Spiele ja eine Methode, um Fachwissen effektiv und langfristig zu vermitteln. Dabei gibt es meiner Meinung nach ein wichtiges Detail, welches man hier nicht übersehen darf. Denn es reicht eben nicht, Spieler*innen thematische Inhalte zu präsentieren, damit diese als Faktenwissen bzw. Kompetenz aufgenommen werden. Einen historischen Fakt auf einer Spielkarte gelesen zu haben, ist nicht genug, um ihn sich auch gut zu merken. Es reicht nicht wiederholt eine Küstenstadt in einem Spiel zu besuchen, um ihre Bedeutung für den internationalen Handel zu begreifen. Der Name mag danach bekannt sein, ob dessen inhaltliche Relevanz in Erinnerung bleibt, ist fraglich.

Wir eignen uns komplexe Sinnzusammenhänge und auch spezialisiertes Wissen erst dann durch ein Spiel an, wenn dieses Wissen auch spielrelevant ist. Wenn das Begreifen thematischer Zusammenhänge notwendig ist, um für ein positives Spielerlebnis zu sorgen, erkennen wir die Wichtigkeit dieses Wissens an und haben ein Interesse daran, es zu verinnerlichen. Das große Potential von Spielen besteht darum nicht im Präsentieren von Themen, die wir beiläufig erlernen. Wir wollen beim Spielen Spaß haben und sind gewillt bestimmte Mühen auf uns zu nehmen, um diesen Spaß auch zu erleben. Wenn das bedeutet, dass wir uns dafür bestimmtes Wissen und Kompetenzen aneignen müssen, so werden wir das tun.

Natürlich müssen dafür unser Aufwand und der zu erwartende Spielspaß in einem Verhältnis stehen, welches wir akzeptabel finden. Ein Quiz ist nur so lange eine lernfördernde Spielform, bis die Freude daran mehr zu wissen als andere, den Lernaufwand nicht mehr rechtfertigt. Entsprechend helfen kompetitive Spielformen nur so lange inhaltliche Zusammenhänge erlernen zu wollen, wie man sich daran erfreut besser zu sein als jemand anders. Wenn dieser Eigenantrieb nicht mehr oder nur noch schwach vorhanden ist, muss man auf eine andere Spielform wechseln.

Der Schlüssel zum Lernen mit Spielen bleibt meiner Meinung nach der Selbe. Wir werden uns Wissen und Kompetenzen aneignen, wenn diese eine notwendige Vorbedingung sind, um konstruktiv mitspielen zu können. Spiele machen Spaß und wir sind gewillt die Hürden zu überwinden, die uns davon abhalten Spaß zu haben. Das Vermitteln von Inhalten mit Hilfe des Spielthemas ist dann effektiv, wenn sie an den Spielakt gebunden sind. Ein historischer Fakt auf einer Karte ist dann wertvoll und erinnerungswürdig, wenn er mir dabei hilft das Spiel besser zu spielen. Ist er nur eine nette Ausschmückung eines abstrakten Regeleffekts, dann bleibt er eine Nebensächlichkeit. Etwas mit dem ich mich bestenfalls zum Zeitvertreib beschäftigen werde.

Im Rahmen eines Spiels wird bestimmten Kompetenzen und speziellem Wissen ein Wert zugeschrieben. Sie sind im Rahmen der spielerischen Aktivität wichtig und haben darum einen direkten Nutzen für die Spieler*innen. Es ist ganz selbstverständlich, dass sie diese Dinge im Kopf behalten wollen.

Georgios Panagiotidis
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