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Worte, Worte, nichts als Worte

Um ein kompetitives Spiel gut spielen zu können, benötigt man bekanntermaßen bestimmte Kompetenzen. Man muss wissen wie man eine Spielsituation richtig liest. Das bedeutet, man muss wissen wie man die Entscheidung fällt, die einen näher ans Ziel bringt. Ab und an muss man vielleicht auch das Verhalten der Konkurrenz beurteilen und vorausschauend planen, um nicht auf dem falschen Fuß erwischt zu werden.

Diese Fähigkeiten können viele Spieler*innen auch in so einige kooperativen Spielen zielführend einbringen. Allerdings unterscheiden sich kooperative Spiele nicht nur darin, wer am Ende alles gewonnen oder verloren hat. Sie fordern auch andere Fähigkeiten von den Spieler*innen ein als jene, die sie in kompetitiven Spielen bereits zu Genüge geübt haben.

Die meisten davon haben mit sogenannten soft skills zu tun. In einigen Kreisen wird dies als Sozialkompetenz abgebucht.

Im Mittelpunkt der meisten kooperativen Spiele steht die Absprache mit den anderen. Das ist auch einer der Gründe weshalb irgendeine Form der Kommunikationseinschränkung in sehr, sehr vielen Vertretern des Genres vorhanden ist. Mal darf man überhaupt nicht miteinander reden und in anderen ist es nur erlaubt auf sehr genau durch die Regeln bestimmte Art Wissen miteinander zu teilen.

Wer sich schon länger in der Szene aufhält, wird wissen, dass kooperative Spiele ohne diese Einschränkungen vor allem unter dem gefürchteten „Alphaspieler“-Problem leiden. Die Situation in der sich ein Spieler aufschwingt, um den anderen zu sagen was sie tun müssen, um das Spiel zu gewinnen.

Solche Spielerlebnisse sind fast immer enttäuschend, ganz unabhängig davon, ob man das Spiel am Ende gewonnen hat oder nicht. Man fühlt sich in solchen Partien oft so als hätte man gar nicht selbst beigetragen, sondern war lediglich der verlängerte Arm des „Alphaspielers“. Einige haben vielleicht das gesamte Spielgenre aufgegeben, weil man darin entweder gar nicht miteinander reden darf oder einfach nur macht was man gesagt bekommt.

Dabei kann die Ursache dafür auch sein, dass die Fähigkeiten, die in einem kooperativen Spiel benötigt werden eben doch nicht identisch zu denen sind, die in einem kompetitiven Spiel zu einer positiven Spielerfahrung führen.

Eine davon setzt voraus, dass man zwischen unterschiedlichen Gesprächsformen wechseln kann und auch erkennen kann, in welcher man sich gerade befindet. Anders gesagt, man muss während des Gesprächs erkennen können welches Ziel und welchen Zweck das laufende Gespräch hat und wie man das eigene Verhalten sinnvoll daran anpassen kann.

Besser Rücken an Rücken… als „hab ich doch gesagt“

Der Unterschied zwischen Diskussion und Debatte ist hier der vielleicht griffigste Ansatz. Früher oder später wird man in einem kooperativen Spiel an den Punkt gelangen an dem unterschiedliche Ansichten aufeinander treffen. Nun gibt es im kooperativen Spiel (und auch im Leben) unterschiedliche Möglichkeiten mit anderen Ansichten umzugehen. Man kann sie zum Beispiel ignorieren. In einer gemeinsamen Aktivität wie einem Spiel, ist das jedoch eher unhöflich und führt lediglich dazu, dass jemand schwer gekränkt ist.

Man könnte auf einem Bein hüpfend seinem Metzger des Vertrauens eine Zuckerzange mit den Worten „Nimm das, du schmieriger Freimaurer-Arsch“ wuchtig ins Nasenloch rammen. Aber außer Freunden ausgefallenen britischen Humors wird man auch hier nur wenig Zustimmung finden.

Oder man kann miteinander reden.

Das Gespräch nun kann man wahlweise als Diskussion oder Debatte begreifen und so seine Ausrichtung verändern. In einer Diskussion versucht man die gegenseitigen Ansichten zu verstehen und vielleicht auch den eigenen etwas besser zu erfassen. Wir reden nicht miteinander, um Recht zu bekommen. Wir reden, um uns besser zu verstehen und zu verstehen wie unser Gegenüber über etwas denkt. Frei nach Habermas ist Erkenntnis hier das oberste Ziel, welches durch die Diskussion erreicht werden kann.

Allerdings spielen sich kooperative Spiele nicht in dem man lediglich miteinander redet. Für gewöhnlich benötigt es irgendwann eine Entscheidung. Idealerweise ist es eine Entscheidung, die alle tragen können und wollen.

Hier nun tritt der „Alphaspieler“ zu Tage. Dieser versteht die stattfindende Diskussion eben als Debatte. Genauer gesagt als argumentativen Wettstreit in dem es darum geht die faktisch zutreffende, taktisch richtige und strategisch klügste Ansicht zu bestimmen. Das muss zwar nicht zwingend die eigene sein, aber es sind vor allem Spieler, die von der Unfehlbarkeit der eigenen Ansicht überzeugt sind, die zum „Alphaspieler“ aufsteigen.

Das Ziel ist dabei nicht unbedingt falsch. Selbstverständlich geht es darum eine Entscheidung zu fällen, welche dazu führen wird eine Niederlage zu verhindern. Es ist lediglich der Weg der Debatte, der hier zu Schwierigkeiten führt. In einem kompetitiven Spiel baut das positive Erfolgserlebnis immer auf Selbstbestimmung. Es sind nicht Zufall oder Fremdeinwirkung (vgl. Königsmacher), die zum Sieg geführt haben. Es waren die eigenen Entscheidungen.

Vergleichbares lässt sich auch im kooperativen Spiel festhalten. Es ist nicht die leidenschaftlich geführte Debatte, auf der das positive Spielerlebnis fußt. Das erinnerungswürdige Spielerlebnis setzt nicht voraus, dass man argumentiert und rechtfertigt weshalb Option 1 der richtige Weg ist und Option 2 nur Tod, Verderben und trübes Leitungswasser einbringt.

Stattdessen legt das kooperative Spielerlebnis den Konsens als Fundament für das positive Spielerlebnis voraus. Eine Diskussion, das heißt eine Erkennen und Verstehen unterschiedlicher Ansicht, ist dafür der erste Schritt. Es verdeutlicht die unterschiedlichen Blickwinkel, welche erst durch das Spiel mit anderen vorhanden sind. Zwischen diesen Ansichten gilt es nun im Rahmen des gemeinsamen Spiels die größtmögliche Überschneidung zu finden.

Konsens treibt das kooperative Spiel voran, so wie auch die selbst gefällt Entscheidungen den Motor für das kompetitive Spiel liefern. Sind sind der Grund weshalb sich ein Erfolg „verdient“ anfühlt und das Spielerlebnis zu einer positiven Erfahrung macht. Ein kooperatives Spiel verlangt von seinen Spieler*innen nicht nur diskutieren zu können, statt nur zu debattieren, sondern den Konsens mit den anderen aktiv zu suchen.

Georgios Panagiotidis
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