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Forget all your troubles, forget all your cares… it is Downtime!

Als Downtime bezeichnet der moderne brettspielende Mensch (homo ludicus brettalis) die Zeit, die man in einem Spiel warten muss, bis man wieder an der Reihe ist. In vielen Kreisen ist dieser Zeitraum verpönt und verhasst, da er mit Langeweile verbunden ist. Das haben auch einige Spieldesigner erkannt und versucht mit unterschiedlichen Mitteln dieser unträglichen Situation Herr zu werden. Oder wie Bo Burnham es kürzlich in seinem herausragenden Comedy Special „Inside“ genannt hat: boredom is a crime. Langeweile ist ein Verbrechen.

Um dieses Problem zugehen, gibt es einige gängige Hilfsmittel. Echtzeit ist eines davon. Oder die Möglichkeit auf Aktionen anderer Spieler zu reagieren. Das kann auf störende und unterbrechende Art sein, wie man es bei den Ärgerspielen und Take-That-Spielen kennt. Oder es kann auch bedeuten, dass man sich einer Aktion eines Mitspielers anhängt und so ebenfalls davon profitiert.

Das ist alles mal mehr und mal weniger erfolgreich. Manche empfinden Echtzeit-Spiele als große psychische Belastung und meiden sie aus Prinzip. Einige Spielerlebnisse geraten durch Unterbrechungen und parallele Aktionen eher ins Stocken. Erst nach vielen Spielsitzungen stellt sich ein angenehmer Spielfluss ein. Andere Spiele erweitern so den mentalen Aufwand, den man hat, um einen Spielzug zu planen. Anstatt die Optionen abzuwägen, die einem das Spiel zur Verfügung stellt; rutscht man unweigerlich in halb-paranoide Theorien ab. Jede Eventualität will berücksichtigt sein, um zu verhindern dass ein Kontrahent den eigenen Plan vereitelt oder – noch schlimmer – daraus sogar Gewinn schlagen kann.

In den meisten Fällen wird die verhasste Downtime mit solchen Mitteln verkürzt. Dabei ist das eigentliche Problem nicht, dass wir warten müssen. Jeder emotional halbwegs ausgeglichene Mensch kann bis zu einem Grad Geduld üben. Die eigentliche Frustration entsteht daraus, dass wir zum Nichtstun verdammt werden. Genauer gesagt: wir können uns nicht mit dem Spiel beschäftigen. Je nachdem wie wir uns mit dem Spiel auseinandersetzen, kann die Zeit zwischen den eigenen Zügen als besonders kurzweilig oder auch sehr belastend empfunden werden.

Eine typische Situation findet sich in Spielen, deren Beschäftigung allein aus mechanischer Interaktion besteht. Nur durch die Anwendung bestimmter Regeln, nehme ich derart am Spiel teil, dass ich so etwas wie Spielgenuss empfinde. Da ist es vollkommen schlüssig, die Zeit zu überbrücken, in der mir eine solche mechanische Interaktion verwehrt ist. Dominion ist dafür ein gutes Beispiel. Insbesondere in der Grundausstattung der ersten Edition. Es wurde gerade hier oft und wiederholt kritisiert, dass man nicht mechanische außerhalb des eigenen Zuges handeln konnte. Irreführenderweise wurde hier von fehlender „Interaktion“ geredet. Ein Begriff der zwar sehr klug und erfahren klingt, aber dank fehlender Trennschärfe in etwa so inhaltsleer ist wie „Spaß“. Spätere Erweiterungen fuhren daher die Zahl an Karten hoch, in denen auch außerhalb des eigenen Zuges Regelmechanismen Anwendung fanden. Damit wurde Dominion gerade bei hoher Durchmischung der Erweiterungen ein sperrigeres und unverständlicheres Spiel. Denn gerade die Phasen ohne Regelausübung helfen dem Verständnis größerer Zusammenhänge. Eine Hürde, die gerade unter Menschen mit viel Spielerfahrung gern und häufig vergessen wird.

Zufallselemente können manchem die Hauptbeschäftigung am Spiel zerreiben

Die nächste Form der Spielbeschäftigung abseits des eigenen Zuges, findet sich vor allem in den Eurogames wieder. Hier bietet es sich an den eigenen, oft recht anspruchsvollen, Spielzug vorauszuplanen und unterschiedliche Eventualitäten und Konsequenzen der eigenen Entscheidungen zu bedenken. Ein gutes Beispiel dafür liefert ein Spiel wie Hansa Teutonica. Gerade hier sorgt das gedankliche Durchexerzieren der Spielsituation, ihre mechanischen Interaktionen und Folgen, bei vielen für Spielfreude. Oft ist dieser Gedanke auch daran gekoppelt, wie die eigene Entscheidung sich auf die Situation anderer Spieler auswirkt. Das gilt natürlich für alle am Tisch. So wird man oft während der eigenen Downtime aus der gedanklichen Beschäftigung mit dem Spiel entrissen, weil jemand anderes die Spielsituation maßgeblich verändert hat. Das hat zur Folge, dass man mit die eigenen Überlegungen nun erneut durch gehen muss. Bereitet diese Auseinandersetzung uneingeschränkt Freude, so ist das unterhaltsam und fördert das eigene Eintauchen in das Spiel. Gleichermaßen kann diese Auseinandersetzung aber auch mit Mühe und Aufwand verbunden sein, welche man nun erneut aufbringen muss. Wer sich öfter in dieser Situation wiederfindet, entdeckt vermutlich bald eine Vorliebe für die sogenannten „multiplayer solitaire“-Spiele oder Spiele in denen man nicht direkt auf die Pläne anderer wirken kann. So genüsslich man sich auch an der Schadenfreude labt, wenn eine Mitspielerin genervt die Augen verdreht und sich ärgert, weil man diese eine Aktion gewählt hat; so ermüdend und lästig kann diese Erfahrung für jene sein, die nun ihre Überlegungen von vorne beginnen muss. Die Unterbrechung der Downtime wird erfahrungsgemäß öfter als Mangel empfunden, statt als Vorteil.

Eine weitere Art der spielerischen Beschäftigung während der Downtime hat nur indirekt mit den Mechanismen oder ihrer Anwendung zu tun. So gibt es auch einige Spiele, die es erlauben sich an der Narrative zu erfreuen, die aus dem Handeln der Spielgruppe entsteht. Dies kann auf verschiedenen Ebenen passieren. Eine davon ist recht gelungen im Spiel „History of the World“ eingefangen. Hier entstehen sehr unterhaltsame Momente, wenn sich unterschiedliche Völker der Menschheitsgeschichte auf vollkommen ahistorische Art und Weise auf den Kontinenten ausbreiten. Es ziehen die amüsantesten Bilder vor dem geistigen Auge auf, wenn die Goten mit Hilfe der Astronomie Nordafrika einnehmen. Diese organisch aus dem Spiel entstehenden Momente sind oft sehr überraschend und gewinnen so an Humor und Unterhaltungswert. Das kann bei manchen so weit gehen, dass die Downtime eine ganz eigene Beschäftigung mit dem Spiel ermöglicht.

Damit verwandt ist eine spielerische Beschäftigung mit dem Spiel, die nicht der mechanischen Ebene in die Quere kommt. Diese wird in vielen Kreisen als Trashtalk bezeichnet, aber im Rahmen eines Brettspiels ist die Umschreibung „Tabletalk“ oder schlicht Schauspiel besser geeignet. Hier taucht man ganz in die Rolle des Wettstreiters ein. Die Rivalität zwischen den Spielenden wird verbal mit Hilfe von Überzeichnungen, ironischen Beleidigungen oder ähnlichem unterstrichen. Das ist unterhaltsam, wenn so das Unechte des Wettstreits entlarvt wird. Je unglaubwürdiger der Wettkampf wirkt, umso amüsanter sind die großen Worte und Gesten mit denen man ihn umschreibt.

Ironischerweise kollidiert diese Beschäftigung mit dem Spiel während der Downtime ausgerechnet mit der ernsthaften und ambitionierten Spielweise, wie sie in komplexeren Spielen oft gesucht wird. Es fällt schwer sich ernsthaft mit den Zielen und Hindernissen des Spiels auseinanderzusetzen und sich gleichzeitig großmäulig über eben diesen Ehrgeiz und Siegeswillen lustig zu machen.

Es gibt daher keine Patentlösung für Downtime. Es gibt lediglich Versuche herauszuarbeiten was am Spiel eigentlich für Beschäftigung und spielerische Aktivität sorgen soll. Manchmal ist es das Anwenden der Mechanismen, manchmal ist es das Planen und Ausknobeln des eigenen Spielzugs und in manchen Fällen ist es die Stimmung am Spieltisch. Hat man den Kern erstmal ausfindig gemacht, kann man auch bewusster darauf hinspielen.


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Georgios Panagiotidis
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