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Spielen in Zeiten der Cholera

Die Pandemie ist leider immer noch nicht zu Ende und es sieht auch nicht so aus, als würde es sich in absehbarer Zeit ändern. Das ist keine Überraschung, bereits im Frühjahr wurde geschätzt, dass vor Februar 2021 kein Impfstoff bereitsteht (und das was eine eher optimistische Schätzung) und damit auch keine echte Entspannung ansteht. Auch wenn sich die Ansätze zur Bekämpfung der Pandemie in der Zwischenzeit geändert haben, herrscht eigentlich kein Zweifel daran, dass unser Leben weiter eingeschränkt bleibt.

Um so überraschender, dass die Spielwiesn offenbar fest damit gerechnet haben, dass sich wildfremde Menschen an Spieltischen treffen und miteinander spielen wollen. Jedenfalls wird der Ausfall der Veranstaltung nicht mit der Pandemie begründet, sondern damit, dass so viele Verlage abgesagt haben. Trotz Hygienekonzept ist den Verlagen das Risiko zu groß, dass sich die Mitarbeiter anstecken. Eine sinnvolle Maßnahme – Mitarbeiterschutz sollte generell vorgehen, aber offensichtlich sieht man das bei den Veranstaltern der Spielwiesn anders.

Dabei ist gar nicht gesagt, dass die Mehrheit der Spieler überhaupt groß anders denkt. Ich liebe Spieleveranstaltungen, vor allem weil es eine Möglichkeit ist, Leute zu treffen, die ich sonst nicht treffe. Aber ich kenne kaum jemanden, der bereit wäre auf eine entsprechende Veranstaltung zu gehen. Mit Maske zu spielen ist nicht das, was ich mir unter einem gepflegten Spieleabend vorstelle und ich glaube auch nicht, dass eine Maskenpflicht von jedem konsequent befolgt worden wäre – und auf die Konflikte am Spieltisch, weil der gegenüber seine Maske unter der Nase trägt, habe ich keine Lust. Allein die Möglichkeit erhöht den inneren Wiederstand mich aufzuraffen. Und der ist aufgrund der generellen Ansteckungsgefahr bei einer solchen Veranstaltung eh schon hoch.

Dass es nicht nur mir so geht, dafür reicht ein Blick in die Kinos. In den USA wurden gerade trotz hoher und steigender Zahlen die Kinos wieder hochgefahren, um die Kinosbesitzer zu retten. Wie sich herausstellte ist die Bevölkerung in den USA vorsichtiger als erwartet – trotz Hygienekonzeptes wurde das Angebot deutlich weniger angenommen, als erwartet. Die allgemeine Verunsicherung ist hoch – und dasselbe dürfte hierzulande für Spieleveranstaltungen gelten. Ich wäre überrascht, wenn die auf Dezember verschobene Berlin Con wie geplant stattfinden würde.

Ich kann dabei natürlich nachvollziehen, dass es schwerfällt, eine geliebte Veranstaltung abzusgen – vom finanziellen einmal abzusehen. Ist eine Online-Veranstaltung eine Alternative?

Tatsächlich ist eine Online-Veranstaltung eine Alternative, in dem Sinne, dass es etwas völlig anderes ist. Es ist ein großer Unterschied, ob ich selbst ein Spiel am Tisch spiele oder jemanden zusehe, wie er es spielt. Online-Platformen wie Boardgamearena oder Tabletop Simulator setzen Spiele gut um, aber dennoch bleibt bei mir das Gefühl, ein Computerspiel zu spielen. Das Problem ist, dass die direkte Interaktion zwischen den Spielern, das fehlende Haptische fehlt. Online-Veranstaltungen werden sich daher m.E. daran messen lassen müssen, ob sie nicht nur versuchen, das Spielerlebnis abzubilden, sondern darüberhinaus eine Alternative anbieten, etwas machen, was vor Ort weniger gut funktioniert. Ein Beispiel wären Spiele mit einer großen Anzahl von Leuten (also 10-20), was online funktioniert, aber nur begrenzt offline. Die Frage ist aber, ob eine solche Alternative gewünscht wird. Am Ende des Tages wünschen wir uns ja eigentlich den Normalzustand zurück. Der einzige Trost: Im Moment geht es uns in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern gut. Wenn ich mit meinen Freunden aus dem Ausland rede bekomme ich fast immer zu hören, dass dort Spieleabenden außerhalb der Familie gar nicht denkbar sind.

 

 

Peer Sylvester
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