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Der lange Weg zurück

Irgendwann wird diese Epidemie vorbei sein. Lange bevor sie jedoch in ihrer Gänze hinter uns liegt, werden wir uns alle wieder ein klein wenig Normalität zurückholen. Manche werden vielleicht etwas vorschnell sein, manche etwas übervorsichtig. Das liegt vor allem daran wie sehr uns dieses Gefühl der Normalität fehlt. Sei es das Grillfest im Sommer, das Konzert im Freien oder ein Picknick im Park. Wir werden uns alle früher oder später ein kleines Stück Normalität zurückerobern.

Ein wichtiger Teil meiner Normalität und der Punkt, den ich derzeit mit Abstand am meisten vermisse, sind natürlich Spieleabende. Es fehlt mir mit Freunden zusammenzusitzen, zu knobeln, zu wetteifern aber auch nur gemeinsam das Spiel zu erleben und die Gesellschaft der anderen zu genießen.

Wenn es ein Verhaltensmuster gibt, das ich mir aus Spielen abgeschaut habe, dann das Visualisieren, Planen und Überdenken wie man an die Dinge kommen kann, die man haben will. Daher überlege ich nun auch was ich tun kann, um mein Stück der Normalität wiederzuerlangen.

Selbstverständlich könnte ich warten bis dieser Virus keine Gefahr mehr für unsere Spielgruppe, unsere dazugehörigen Familien und Freunde mehr darstellt. Ich könnte darauf hoffen, dass sich ein Impfstoff findet und dieser weiträumig verbreitet wird. Ich könnte auf den Tag warten an dem ich darauf vertrauen kann, dass weder ich noch meine Mitspieler Infektionsgefahren darstellen. Nach dem was ich bisher darüber in Erfahrung bringen konnte, sollte ich vor Mitte 2021 nicht mit einem solchen Tag rechnen. Das wäre eine sehr lange Zeit, um auf Normalität zu verzichten. Falls dieser Tag überhaupt einmal kommen sollte. Denn das Entdecken eines verlässlichen Impfstoffs ist keineswegs garantiert.

Wahrscheinlicher und vielleicht auch weniger weit in der Zukunft liegend ist die Entdeckung einer Behandlungsmethode, die wirkungsvoller und effektiver als die Jetzige ist. Zumindest würde das die Angst vor dem Schuldgefühl verringern, wenn man durch Kontakt mit Leuten möglicherweise eine Infektionskette mit tragischem Ausgang gebildet hat. Das Unwohlsein beim Gedanken selbst infiziert zu werden und zu den Fällen zu gehören, die nicht milde verlaufen, ist damit zwar nicht aus der Welt geschafft, aber zumindest reduziert.

Aber was dann? Würden wir an dem Tag dann wirklich zur Normalität, d.h. zu unseren Spieleabenden in alter Form zurückkehren? Ich kann mir kaum vorstellen, dass wir unser Chips, Nüsse und Knabbereien umgehend wieder aus den gemeinsamen Schüsseln nehmen würden. Ich bin mir noch nicht ein mal sicher, ob wir nicht jede Spielrunde damit beginnen würden unsere Hände wie Oberärzte zu waschen und zu reinigen. Sorgfältig 20 Sekunden einseifen, mit sehr warmen Wasser abspülen und mit dem eigenen Handtuch trocknen. Vielleicht sogar eine Gesichtsmaske anlegen, bevor man sich an den gemeinsamen Tisch setzt.

Es ist befremdlich sich vorzustellen, dass der gemeinsame Spieleabend in naher Zukunft so aussehen könnte. Aber zumindest würde der Spieleabend dann eine Form haben, die ihn in den Bereich das Machbaren legt. Ein klein wenig Normalität würde wieder in unsere Wohnungen und Häuser zurückkehren. Die Alternative wäre, dass unser Spieleabend nur einen kleinen engen Teil an Menschen einbeziehen kann, deren Kontakte zu anderen Menschengruppen gering bis kaum vorhanden ist. Eine Enklave der Miteinander-Spielenden, die ihr soziales Leben auf wenige Aktivitäten mit eingeschränkter Teilnehmerzahl beschränkt.

Aber um es deutlich zu sagen: alles was ich schreibe ist Spekulation. Manches aus Hoffnung heraus entstanden, manches aus Befürchtung. Aber nichts davon ist eine belastbare These wie das gemeinsame Spielen bald aussehen könnte. Wovon ich aber überzeugt bin: unsere Spielrunden werden sehr lange brauchen bis wir sie mit der gleichen Unbeschwertheit genießen können, wie wir es im letzten Jahr noch getan haben. Denn ich unterstelle mal den Leuten, die das hier lesen, genug Verantwortungsgefühl und Vorsicht dieses Thema erst dann auf die leichte Schulter zu nehmen, wenn es wirklich so ungefährlich wie eine Grippe ist.

Wir werden vorsichtiger sein, wenn wir uns irgendwann wieder zum Spielen treffen. Vielleicht werden die Spielgruppen anfangs viel kleiner sein, als wir sie in Erinnerung hatten. Vielleicht wird unsere Spieleauswahl auch unter dem Gesichtspunkt statt finden, wieviel Spielmaterial tatsächlich die Hände wechselt. Oder ob wir auch mit etwas Abstand zu einander am Tisch sitzen können.

Die Normalität in Form eines Spieleabends wird wohl nur langsam zurückkommen. Ein Spieleabend ohne die eine oder andere neue Vorsichtsmaßnahme wird wohl noch länger auf sich warten lassen. Wir müssen nun ausharren bis wir wieder Gelegenheit haben werden mit Freunden an einem Tisch zu sitzen, zu lachen und zu spielen.

Wir befinden uns in einem Marathon, der unsere Ausdauer auf die Probe stellen wird. Eine Probe, die vor allem deswegen an unserer Willensstärke zehrt, weil wir nicht wissen werden wann unser Ziel tatsächlich erreicht wurde und wann wir uns einfach nur wünschen, dass es so ist.

Georgios Panagiotidis
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