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Spielefaible

Interview Spielfaible

Auch in Deutschland gibt es Verlage, die kleiner sind und ein interessantes Portfolio haben. Spielefaible ist m.E. ein solcher Verlag. Er lokalisiert hierzulande unbekannte Spiele wie Airship City, veröffentlicht aber regelmäßig auch Eigenentwicllungen. Ich habe mich mit dem Verlagsgründer Henning Voss unterhalten. Im Anschluß ans Interview gibt es eine kurze Rezension von Freshwater Fly.

Bitte stelle Dich und Deinen Verlag kurz vor!

Mein Verlag ist 1 Jahr jung und ich bin 50 Jahre alt. Gespielt habe ich schon immer. Und schon mit 12 Jahren hatte ich zusammen mit meinem Freund die Idee einen Spieleverleih zu starten. Nachdem unser erstes ausgeliehene Spiel dann leider kaputt zurück kam, haben wir die Start Up  Idee schnell wieder verworfen. Trotzdem hat mich das nicht davon abgeschreckt Unternehmer zu werden. Und weil mir das mindestens genauso viel Spass bringt, wie Spiele zu spielen, war für mich klar, irgendwann starte ich mit meinem eigenen kleinen Spieleverlag.

Für welche Spiele steht „Spielfaible“ deiner Meinung nach?

Zum einen veröffentlichen wir Autoren-Spiele. Mein Ziel ist es pro Jahr eine solche Veröffentlichung zu haben. Anfang diesen Jahres ist VEJEN  von Kai Stark und Thomas Nielsen erschienen. Gerade arbeite ich aktuelle mit Thomas Spitzer (Haspelknecht, Kohle, Ruhrschifffhart)  an seinem neuesten Kohle Spiel (Projektname: Die letzte Zeche), dieses wird zur SPIEL 2020 rauskommen.
Daneben bin ich von der Vielfalt der internationalen Spieleverlags-Szene begeistert, einige Spiele haben es einfach verdient auch in Deutschland Aufmerksamkeit zu bekommen. Unser aktuelles Beispiel dafür ist Space Explorers, dieses Spiel ist schon 2017 bei einem russischen Verlag erschienen – hier aber vollkommen unbeachtet geblieben. Die deutsche Version wird sozusagen als „Nürnberg“ Neuheit bei uns rauskommen.  Natürliche hoffe ich, dass die Spieler-Community über ungewöhnliche Themen (siehe Freshwater Fly) und  Lokalisierungen kleiner Verlage genauso begeistert ist wie ich.
 Was habt ihr für die Zukunft geplant?
Zum einen möchten wir  mit spannenden anspruchsvolleren Spielen der Community weiterhin schöne Spiel-Erlebnisse bieten und zum anderen möchten wir Menschen (wieder) an den Spiel-Tisch bringen- als Schlüssel hierfür bedarf es m. E. zielorientierter Titel, großartiges Material und einem einfachen Zugang  Auch an dieser Stelle darf man gespannt sein was wir 2020 bringen werden.
Vielen Dank für das Interview!

Freshwater Fly (nicht zu verwechseln mit „Fleschwater Fry“) konnte ich mir schon ausführlich ansehen und hier beschreiben:

In Essen haben mit unabhängig voneinander drei Bekannte mitgeteilt:“Oh Freschwater Fly! Das ist doch wie Flügelschlag, nur mit Fischen!“ Ich kann nur vermuten, dass die drei das Spiel auch nur von Hörensagen kennen, denn FRESHWATER FLY HAT NICHTS; ABER AUCH GAR NICHTS MIT FLÜGELSCHLAG ZU TUN! So, dass musste mal gesagt werden! Tatsächlich ist der Unterschied zwischen den Spielen so groß, dass ich mir nicht einmal die Mühe mache, die Spiele hier miteinander zu vergleichen. Der Vergleich läge nämlich auf dem „Das ist wie Siedler“- Niveau.

Ich kann nur vermuten, dass Brian Suhre Fliegenfischer ist, denn das Spiel wirkt wie eine Liebeserklärung an das Hobby – Wie K2 ans Bergsteigen oder Rallyman ans Rally fahren sind fast alle Elemente Bestandteil der thematischen Umsetzung- nur der Zentralmechanismus ist klassisches Würfeldrafting, aber irgendwo muss der Motor ja sein! Angeln ist ja kein klassisches Brettspielthema (anders als Fischen) und wenn, dann sind die Umsetzungen eher abstrakt gehalten. Hier bietet das Fliegenfischen also tatsächlich etwas neues!

Das Auswerfen des Köders erfordert eine Aktion und wie im echten Leben gibt es geeignetere und weniger geeignete Fischgründe – und das Angeln selbst ist auch Glückssache, denn es muss die richtige Karte aufgedeckt werden. Manchmal ist der Fehlschlag aber sogar eingeplant, denn der Köder wandert bei Misserfolg flussabwärts – und wenn dort der große Lachs wartet, man aber dort mangelns Würfels nicht direkt hinkonnte, ist das ein positiver Misserfolg. Mit genügend Finesse lassen sich Misserfolge übrigens vermeiden – und das wortwörtlich: „Finesse“ ist ein Wert, der einfach per Aktion hochgesetzt wird und der u.a. erlaubt seine Chancen beim Angeln zu erhöhen – sogar auf 100%, genügend vorab erworbenes (trainiertes?) Feingefühl vorrausgesetzt. Umgekehrt lässt sich ein ungewolltes Anbeißen aber nicht verhindern – ganz deterministisch ist auch das Sportangeln nicht – so wie es sein soll! Meine größte Befürchtung war, dass Freshwater Fly aufgrund des systemimmanenten Angelglücks zu zufällig wäre für die Spieldauer – doch diese Befürchtung hat sich nicht bestätigt. Das Glück ist beherrschbar (vermutlich wie bei Angelprofis) und sorgt für die spielerisch nötige Spannung – Was genau am Ende am Haken hängt, lässt sich eben nicht 100%ig vorhersagen. Und das ist auch gut so – sonst wäre es Schach und kein Angeln.

Hängt der Fisch erst einmal am Haken, so muss er eingeholt werden, was je nach gewählten bzw. überhaupt verfügbaren Würfeln und Stärke des Fisches unterschiedlich lange dauert. Auch dieser Mechanismus ist gut umgesetzt: Er geht schnell, fühlt sich thematisch an und nicht – wie etwa bei Deep Blue – als würde man länger aussetzen. Überhaupt sind die Züge erfreulich kurz und das Würfeldrafting schön knackig – niedrige Zahlen werden übrigens damit belohnt, dass man Startspieler wird und als solcher einen Zug in der Runde mehr durchführen darf – was sich lohnt und das Draften Nicht-Trivial macht.

Was das Angelgefühl ebenfalls verstärkt ist der Siegpunktsalat am Ende: Jeder punktet für alles mögliche und sogar für andere Dinge. Das sorgt letztlich dafür, dass keiner weiß, wer wo steht und somit auch nicht in direkter Konkurrenz miteinander tritt. Ich bin kein Freund von dem Zaubertrick durch möglichst unübersichtliche Wertungen und Variablenverschränkungen ein Spiel komplexer erscheinen zu lassen, als es in Wirklichkeit ist, aber bei Freshwater Fly ist der eigentliche Spielverlauf und die Optionen, die man hat, klar. Die Wertung verschleiert nur die eigentliche Position und verhindert lediglich ohnehin kaum mögliches Gegeneinander. Das mag nicht die eleganteste Lösung gewesen sein, aber sie funktioniert stört nicht.

Überhaupt ist Freshwater Fly insgesamt stimmig. Sowohl Thematisch als auch spielerisch fühlt es sich rund an. Das liegt auch am eigentlich sehr simplen Spielverlauf, der durch zahlreiche Zusatzoptionen aufgepeppt wird – Die Regel ist allerdings in diesem Sinne nicht optimal, denn das der Spielverlauf prinizipiell in 5 Minuten erklärt ist, bemerkt man erst, wenn die erste Runde bereits gelaufen ist. Die Fische hätten auch etwas abwechslungsreicher sein können, denn außer ob sie ins Beuteschema passen oder nicht, ist der Überraschungseffekt bald ausgebraucht. Aber das ist beim Angeln vermutlich auch nicht anders…. So ist das Spiel vielleicht nicht etwas für jeden Tag, aber an jedem 1. im Monat darf man schon guten Gewissens seine Angelrute hervorholen!

Peer Sylvester
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