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Ende gut, alles gut

Vor kurzem ging die Serie Game of Thrones zu Ende. Die Reaktionen darauf reichten von Wehmut über Gleichgültigkeit bis hin zur Verärgerung. Das Besondere an einem Ende, ist dass es sich auch rückwirkend auf den Gesamteindruck auswirken kann. Ein besonders gelungenes Ende hebt eine Geschichte auf ein neues Niveau an (vgl. The Wire oder The Shield), während ein weniger gelungenes Ende einer Serie viel an ihrem Reiz nehmen kann (vgl. Lost oder Breaking Bad).

Bei Spielen ist das nur bedingt der Fall, dennoch ist es interessant zu schauen welchen Maßstab wir eigentlich an das Ende eines Spiels setzen. Nicht nur weil es vielleicht den Blick schärft was am Spiel selbst eigentlich lobenswert und kritikwürdig ist, sondern auch weil es uns eventuell vor Augen führt welche Schwerpunkte wir selbst bei Spielen legen.

Woran also messen wir ein gutes Spielende?

1) Die Oberfläche

Kann ein Sieg noch süßer sein?

Das einfachste und oft auch banalste Kriterium an dem wir ein gutes Spielende bewerten, ist die Frage ob wir gewonnen oder verloren haben. Es gibt durchaus Studien, die aufzeigen, dass ein Ende, welches positive Emotionen weckt uns eher dazu bewegt, das Erlebte als „gut“ zu bezeichnen. Eine Erkenntnis, die sicherlich auch für viele von den Produzenten verordnete Happy Ends in Blockbustern gesorgt hat. Wer mit einem guten Gefühl aus dem Kino kommt (oder seinen Fernseher ausschaltet), der wird eher daran denken als an das womöglich wacklige Auf und Ab, welches dahin geführt hat. Ein Effekt, den man bei Spielen nur bedingt umsetzen kann, da es in den meisten Fällen nur einen Sieger unter mehreren Konkurrenten gibt. Demnach würde in jeder Spielrunde nur ein Spieler ein gutes Spielende erleben. Eine eher schlechte Quote.

Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Spieler ein Spielende aber auch dann als „gut“ empfinden, wenn sie nicht gewinnen. Gerade einige kooperative Spiele scheinen manchmal erst durch ihre Niederlagen der Gruppe wirklich ans Herz zu wachsen. So ist eine Pandemie-Runde, die man verliert, oft erinnerungswürdiger als eine die man mit Leichtigkeit für sich entscheidet. Dahingehend ähneln sich Spiele und Filme vielleicht doch. Ein Happy End ist schnell verarbeitet und abgelegt, wohingegen ein negatives Ende bzw. eine Niederlage eher dazu führt das Erlebte Revue passieren zu lassen im Kopf vielleicht sogar mehrmals durchzuspielen. Eine tiefere und längere Beschäftigung mit dem Spiel wird in manchen Fällen als lohnenswertere Erfahrung empfunden.

2) Das Timing

Spieldauer ist ein Punkt, an dem die meisten Spielgruppen die Qualität eines Spiels messen. Ein gutes Spiel dauert nicht zu lange und ist auch nicht zu früh vorbei. Hier geht es darum, wann das Spiel zu Ende geht, jedoch nicht zwingend um die Spieldauer als solches. Sicherlich gibt es Spiele, welche so lange dauern, dass man sie nie oder nur sehr selten spielen kann (vgl. Der Ringkrieg oder Twilight Struggle). Aber das sind lange Spiele, welche eher selten kritisiert werden, dass das Ende zu lange auf sich warten lässt.Diese Ungeduld, die sich bei einem Spiel einstellen kann, rührt meistens daher, dass der Kernkonflikt des Spiels bzw. die Hauptaufgabe des Spiels, entweder gelöst wurde oder nur noch repetitiv abgewickelt wird. In einem typischen, nicht-kooperativen Spiel tritt der Fall ein, dass der Sieger nach Ansicht der Mitspieler bereits feststeht, bevor das Spiel sein regelkonformes Ende gefunden hat. Die Motivation sich noch um Siegpunkte zu streiten sinkt deutlich. Der Ausgang des Spiels steht bereits fest, auch wenn man noch einige Runden aussitzen muss. Ein Problem, das vielen Spieldesigner durchaus bewusst ist, und welches sie zu unterschiedlichen Lösungen getrieben hat. Sehr beliebt ist hier das Verstecken und Geheimhalten der Siegpunkte, so dass niemand am Tisch genau sagen kann, wer gerade in Führung liegt oder sogar wie weit (vgl. Concordia). Eine Lösung, die gerade durch viel Spielerfahrung und auch durch ein Talent fürs Kartenzählen unwirksam gemacht werden kann. Dann gibt es die etwas kniffligere Herangehensweise bei der mit fortschreitender Rundenzahl die Zahl der erreichbaren Siegpunkte erhöht wird (vgl. Chaos in der Alten Welt). Hier kann man bemängeln, dass die frühen Spielrunden an Bedeutung verlieren und das Spiel erst gegen Ende an Fahrt gewinnt. Die einfachste Lösung für dieses Problem wird auch oft als die inakzeptabelste angesehen: man kann das Spiel frühzeitig beenden, wenn der Ausgang schon fest steht. Für die qualitative Einschätzung eines Spiels ist so eine Entscheidung meist der Todesstoß. Eine solche Entscheidung wird dem Spiel oft als Fehler angekreidet. Ein schlechteres Ende ist kaum vorstellbar. In den meisten Fällen wird das Spiel noch „abgewickelt“, auch wenn die Repetition der letzten Runden in der Regel für Langeweile sorgt. Oft können sich solche Spiele durch ihre kurze Spieldauer retten (vgl. Just One), aber es bleibt die Frage inwiefern das Ende eines monotonen Spiels an Qualität gewinnt, nur weil es verhältnismäßg kurz auf sich warten lässt.

3) Die Relevanz

Ein Juwel für manche, für andere eine endlose Frustquelle

Subtiler ist jedoch die Wirkung, die der Zusammenhang zwischen den Entscheidungen der Spieler und dem Ausgang des Spiels, hat. Idealerweise ist der Ausgang des Spiels eine direkte Folge unserer Handlungen. Hier können die sogenannten Punktesalat-Spiele Stärke zeigen, da sie ja ausdrücklich einer großen Zahl an Spielerentscheidungen Rechnung (!) tragen. Eine Vielzahl an einzelnen Entscheidungen und Errungenschaften resultieren hier in Punkte, die es am Ende des Spiels gegeneinander aufzurechnen gilt. Für manche Spieler macht das diese Entscheidungen beliebig, während andere darin eine sehr erfüllende Belohnung für ihre Anstrengungen sehen. Wer die Punkteflut jedoch schätzt, ärgert sich oft, wenn ein Spiel verschleiert oder schlicht geheim hält, welche Entscheidungen denn nun punktewürdig sind (vgl. Cody of Nine oder Archipelago). Zwar lässt sich hier durch deduktives Spiel einiges in Erfahrung bringen, aber oft hat das nur zur Folge, dass man im Anschluß zu wenig Möglichkeiten hat daraus Kapital zu schlagen. So manch ein Spieler fühlt sich veräppelt, wenn das Siegpunktkriterium am Ende nicht dem entspricht worauf sie die ganze Zeit hingearbeitet haben. Dabei muss diese Diskrepanz gar nicht auf reiner Siegpunktebene stattfinden. Es reicht auch wenn die Aufgabe, die uns während des Spiels am meisten beschäftigt und Spielfreude gemacht hat, am Spielende wenig bis keine Bedeutung hat. So kann es bei einem Spiel wie Modern Art durchaus passieren, dass sich die Spielgruppe in unterhaltsame und theatralische Bietkriege verliert, nur um am Ende festzustellen, dass das Regelwerk selbst dafür keine Wertschätzung übrig hat. Stattdessen trägt der stille, unscheinbare und sorgfältig kalkulierende Bieter den Sieg davon. Natürlich kann man hier kritisieren, dass es die Spieler selbst sind, die hier einen Fehler machen und sich auf den falschen Spielaspekt konzentriert haben. Dennoch bleibt das Gefühl eines enttäuschenden Spielendes, welches seine Ursache in dieser Trennung zwischen Spaßfokus und Belohnung findet. Eine Stolperfalle, welche man gerade Spielern mit wenig Erfahrung, wiederholt deutlich machen sollte.

Georgios Panagiotidis
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