Spiele sind darauf ausgelegt, Spaß zu machen. Diese Feststellung sollte niemanden überraschen, da sie einer der Hauptgründe ist, weshalb wir Spiele kaufen. Weniger offensichtlich ist jedoch, dass Spiele dafür nur selten Humor nutzen. Überhaupt scheint eines der größten Probleme des modernen Brettspiels darin zu bestehen, dass es sich in 90% der Fälle als schrecklich humorlose Angelegenheit präsentiert. Natürlich gibt es Gelächter am Tisch. Ja, das gemeinschaftliche Spielerlebnis ist in der Regel ein fröhliches und freundliches. Ja, die Spielfreude, die man empfindet, löst ein wohliges Gefühl in einem aus. Aber meist ist es einfache Sozialkompetenz, die uns dahin bringt.
Das liegt auch daran, dass Vielspieler ihr Hobby selbst eher selten mit viel Humor nehmen. Das lässt sich an den Fragen ablesen, nach denen Spiele be- und verurteilt werden. Wie steht es mit dem Balancing im Spiel? Ist das Regelwerk umfassend und wirft spielentscheidende Fragen nicht auf die Gruppe zurück? Hat der bessere Spieler auch bessere Chancen auf den Sieg?
Keine dieser Fragen ist mit Humor gestellt und keine dieser Fragen erlaubt eine humorvolle Antwort. Das ist auch wenig verwunderlich. Ein Brettspiel ist generell auf der Idee des Wettstreits gebaut, und diese lässt sich nur schwer mit dem anarchischen Wesen des Humors vereinbaren.
Es ist unserer Sozialisierung als Spieler geschuldet, dass wir am Spieltisch dennoch lachen können, ohne dafür in Häme und Schadenfreude abrutschen zu müssen. Wir lernen schlicht den Widerspruch zwischen Wettstreit und Humor irgendwie zu ertragen, um nicht als schlechter Verlierer (oder schlimmer noch schlechter Gewinner) in Erinnerung zu bleiben.
Erfreulicherweise gibt es aber auch eine kleine Zahl an Spielen, die sich dem Edikt des noblen Wettbewerbs verweigern. Spiele, die unser brennendes Verlangen Gewinnen zu wollen und unsere Gewilltheit so viel geistige Anstrengung dafür aufzubringen wie uns möglich ist, mit einem Schmunzeln quittieren. Es sind Spiele, die nicht versuchen mit Hilfe des hart umkämpften Sieges bei den Spielern Spaß und Freude zu wecken. In den Kreisen der Hardcore-Spieler wird hier schnell von “mehr Aktivität als Spiel” oder “keine richtigen Spiele” gesprochen.
Das ist verwunderlich, denn was unser Hobby und Humor gemeinsam haben, ist ihre Fähigkeit Menschen näher zu bringen. Im vielleicht populärsten Kulturgut der Neuzeit: dem Geschichten erzählen, wird Humor bewusst eingesetzt, um aus einer Ansammlung von Eigenschaften eine glaubhafte, menschliche Figur entstehen zu lassen. Es ist die selbstironische Bemerkung, die uns Charaktere sympathisch macht. Es ist ihre Verletzlichkeit, in der wir uns selbst wiedererkennen, weswegen wir uns auf ihre Seite schlagen. Es ist die Ansammlung kleiner, banaler Rückschläge, die uns sagen lässt “ja, ich weiß genau wie sich das anfühlt”.
Der Humor eines Spiels funktioniert nicht grundlegend anders. Wobei man hier natürlich zwischen Humor und Witzen unterscheiden muss. Ein Spiel wie Munchkin oder Klong im All mag viele Anspielungen und Persiflagen in seinen Karten beherbergen. Aber das alleine bringt unsere Menschlichkeit nicht zum Vorschein. Einen mehr oder minder obskuren Verweis auf ein Stück Pop-Kultur als einziger am Tisch zu erkennen, rückt uns als Gemeinschaft nicht unbedingt näher zusammen. Es bewirkt eher das Gegenteil. Auch die mit einem Augenzwinkern geschriebenen Anleitungen bei Dungeon Petz oder Galaxy Trucker erfreuen in der Regel nur den Besitzer des Spiels. Denn wie oft kommt es denn wirklich vor, dass alle Mitspieler die Anleitung für ein Spiel lesen? Humor entsteht aus dem was im Spiel passiert, nicht aus dem Spielmaterial.
Humor im Spiel ist wie auch Humor im restlichen Leben ein abruptes Unterwandern der Erwartungen. Es ist eine überraschende Wendung, die einen selbst auf freundliche aber bestimmte Art auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Du bist kein Anführer einer außerirdischen Spezies, die das Weltall kolonisiert. Du bist kein edler Held, der dem Drachen sein Gold stiehlt. Du bist keine mutige Hauptfigur, die in einem Horrorfilm um ihr Überleben ringt. Humor ist der Moment, in dem ein Spiel vorsätzlich unsere Immersion bricht. Es ist die Erinnerung daran, dass wir uns in einem Spiel befinden. Nicht um den Sieg zu schmälern, oder die schmerzhafte Niederlage in die Belanglosigkeit zu reden. Humor dient als Erinnerung daran, dass hier 2-5 Freunde beisammen sitzen. Keine Rivalen, keine Gegner, keine Mitstreiter. Es dient als kleine Erinnerung an den verspielten Leichtsinn, dem wir uns gerade voll und ganz hingeben.
Es bleiben die Momente in Erinnerung, in denen das Lachen am Tisch von Herzen kommt. Wenn unsere sorgfältig entwickelten Pläne vom Zufall achtlos zerschlagen werden und jeder am Tisch genau weiß, wie sich das anfühlt. Wenn eine Karte uns vorschreibt, uns in den Bergen des Wahnsinns ein wenig lächerlich zu machen, auch wenn wir dadurch keinen einzigen Vorteil erlangen.
Wenn wir alle am Tisch von der massiven Herausforderung, die das Spiel an uns stellt schlichtweg überwältigt sind… und es dann dennoch mit Wu Feng aufnehmen.
Humor ist Mut zu Anarchie. Darum haben Spiele, die uns diesen Humor erleben lassen, etwas zutiefst menschliches und verbindendes. Das humorvolle Spiel erinnert uns an unsere Gemeinsamkeiten, während wir uns im Eifer verrennen, besser als jemand anderes sein zu wollen. Es lässt uns mit anderen mitfiebern, weil wir diese Momente selbst oft nur zu gut kennen. Das humorvolle Spiel verdeutlicht vor allem wie wenig unsere äußeren Unterschiede und biografischen Ungleichheiten wirklich bedeuten. Das ist es was ein gutes Spiel zu einem großartigen macht.
Welches Spiel hat für dich Humor?
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