Escape Games sind das nächste große Ding. Das letzte Mal, dass in ähnlicher Manier sich ähnlich viele Verlage auf dasselbe Prinzip stürzten, kamen ein Dutzend Sudoku-Spiele auf den Markt. Da kann man nur hoffen, dass das Output dieses Mal nicht so grottig wird – glücklicherweise eine eher niedrige Hürde.
Ich spiele schon ziemlich lange Escape-Games – auf dem Computer . Meine persönliche Empfehlung sind die Werke von Neutral, die zwar allesamt ordentlich knifflig sind, aber auch originelle Rätsel ohne unfairen Kram bieten.
Nach recht großem Erfolg der Browsergestützten Escape Games, kamen dann irgendwann „Real Escape Games“ auf – Hier kann man sich in Gruppen von vier Personen (Plusminus; Raumabhängig) einschließen lassen und in Echtzeit echte Rätsel lösen, bis sich die echte Tür wieder öffnet. Hier gibt es anders als am Computer ein Zeitlimit, vermutlich schon aus organisatorischen Gründen. Browser- und Echtzeitversionen sind unterschiedliche Variationen derselben Idee und beide haben ihre Vor- und Nachteile und beide haben ihre Berechtigung: Die Browserspiele sind umsonst, gut für zwischendurch und bieten normalerweise knackigere Rätsel (schon allein, weil dem Löser unendlich viel Zeit zur Verfügung steht). Die „echte“ Variante lebt vom Gruppenerlebnis und vom Zeitdruck, aber vor allem von der Physis: Man kann alles fest anfassen, alles ausräumen, man muss echt suchen, man muss selbst entscheiden, was Deko ist und was relevant (anders als am Browser, wo man nicht manipulierbares nicht anklicken kann). Beides ist empfehlenswert, auch wenn die echten Escape Games doch zu teuer sind, um die jeden Abend zu spielen…
Nun kommen Escape-Games auch als „Brettspiele“ auf den Markt. Wobei das etwas missverständlich ist: Man bekommt Schachteln mit Spielmaterial, die Rätsel anbieten, die gelöst werden wollen. Ein Browser-Escape-Spiel in Papierform also. Allerdings mit Zeitdruck – vermutlich, um die Rätsel schwieirger zu machen und/oder mehr Brettspielfeeling aufkommen zu lassen. Hier fehlt allerdings dennoch sowohl die Physis der real Escape Games als auch die freie Verfügbarkeit der Browserspiele. Ich stehe dem Konzept also erst einmal kritisch gegenüber und müsste erst einmal überzeugt werden. Daher habe ich Das Geheimnis der Sternwarte (erstes Spiel der Reihe Escape the Room)von Nicholas Cravotta & Rebecca Bleasu (Think Fun) und das Promo von Exit The Game von Inka und Markus Brand (Kosmos) durchgespielt (mal ein passender Begriff für ein Brettspiel).
Rein vom Material her ist die Sternwarte ein ganzes Stück besser: Größere Umschläge, liebevollere Graphik aber vor allem dickere Pappe und durchaus richtig haptische Gimmicks, während Exit etwas „flimsig“ ist (zumindest das Promo). Das liegt aber auch am Ansatz: Die Sternwarte kann man durchspielen und dann wieder „auf Anfang“ setzen und jemand anderem zum Durchspielen geben. Oder gar scheitern und von vorne beginnen (wobei ich nicht weiß, ob das tatsächlich jemand macht). Bei Exit wird das Spielmaterial dagegen verbraucht und das Spiel ist nach einer Partie weg. Daher kann der Preis da gar nicht so hoch gesetzt werden und daher uss natürlich am Material gespart werden.
Rein mechanisch verwenden beide Spiele tatsächli einen ähnlichen Ansatz: Es werden jeweils Codes gesucht (und zwar linear immer einer nach dem anderen) und die dann mittels Codescheibe überprüft. Bei Exit zeigt die Scheibe dann eine Karte an, die gezogen werden kann und die bei falschem Code eben „Falscher Code“ zeigt und bei richtigem Code weitere Anweiungen gibt. Bei der Sternwarte gibt die Codescheibe ein verklausuliertes „OK!“ und man darf den Umschlag öffnen, dessen Code man dann gerade geknackt hat. Das funktioniert thematisch etwas besser als bei Kosmos, da man so „wirklich“ den Tresor oder die Tür oder sonstwas öffnet. Überhaupt wurde bei der Sternwarte deutlich mehr wert auf das Thema geachtet und man hat auch eine irgendwo interessante Hintergrundgeschichte (So lange man kein Deus Ex erwartet) . Bei Kosmos dagegen ist die Hintergrundgeschichte nichtexistent – das kann aber auch am Promo gelegen haben. Wie thematisch die „echten“ Fälle sind, ist mir nicht bekannt. Etwas umständlich in der Handhabung sind beide – das liegt in der Natur der Sache. Der Kontrollmechanismus muss „von hand“ ausgeführt werden, während er im Browser oder im realen Raum im Hintergrund abläuft – ich sehe sofort ob etwas funktioniert und muss nicht erst diverse Dinge divers einstellen. Das war aber bereits vorher klar, dass das ein Schwachpunkt sein würde…
Doch das sind alles Nebenschauplätze.
Escape Games aller Art stehen und fallen mit den Rätseln. Beide Spiele haben für mich schon einmal den gewaltigen Nachteil, dass sie linear sind. Ein Rätsel muss gelöst werden, bevor das nächste gelöst werden kann. Bei einem guten Escape-Spiel kann ich aber an mehreren Rätseln gleichzeitig arbeiten, so dass ich -komme ich bei a) nicht weiter, vielleicht etwas bei b) erreiche. Außerdem kann man natürlich besser mit mehreren knobeln, wenn verschiedene Leute auch verschiedene Dinge machen können und nicht alle auf dasselbe Rätsel starren, das sowieso nur einer zur Zeit bearbeiten kann. Und hier liegt Exit meilenweit vorne.
Tut mir Leid, Think Fun, aber ich war zwischendurch regelrecht sauer auf das Gebotene! Außer dem Bonusrätsel ganz am Ende war kein Rätsel irgendwie originell. Mehr noch: Ein großer Reiz bei Escape Games ist es herauszufinden, was eigentlich die Aufgabe ist. Man sieht Hinweise und muss damit entschlüsseln, welcher Hinweis zu welchem Code gehört. Bei der Sternwarte müssen vorwiegend handelsübliche Legepuzzle gepuzzelt werden. Mit der Ausnahme von eben jenem Bonusrätsel, war immer sofort klar, was gemacht werden muss: Ah, wir müssen das nachpuzzlen. Ah, die kommen darauf und müssen so und so verbunden werden. Oh, die Teile gehören darauf. Der Rest ist das Verschieben von Teilen auf postkartengroßen Papptafeln. Und an dieser Stelle: Was hat euch geritten, liebe Thinkfun-Leute, für „3-8 Spieler“ auf die Schachtel zu schreiben? Was sollen die Leute, die keine Puzzleteile in der Hand haben denn machen? Ich meine, Tangram kann man nicht zu sechst (geschweige denn zu acht!) lösen – das geht allerhöchstens zu zweit. Alle anderen gucken im besten Fall zu und stören im schlechtesten Fall. Ich habe die Sternwarte mit meiner Frau zu zweit gespielt und selbst da, hat sich zwischendurch oft einer gelangweilt. Da es ja nicht weitergeht, wenn ein Puzzle nicht gelöst wurde, die Teile aber eher klein geraten sind, kann man nur zusehen, wie ein anderer sich abstrampelt. Da hätten die Puzzles ganz anders gestaltet werden müssen (Nur das erwähnte Bonuspuzzle ist gelungen: Es ist originell, da kann sich tatsächlich jeder an der Lösung beteiligen und es ist eben nicht ganz klar, wie es gelöst werden muss. Leider ist es das einzige dieser Art in dem Spiel). Bei mir blieb das Gefühl ein Rätselbuch nachzuspielen: Ein Rästel! Ein paar Zeieln Text! Noch ein Rätsel! Ein paar Zeilen Text! Und…wieder ein Rätsel! Und leider eben keine spannenden, interessanten oder verblüffenden Rätsel, sondern die Klassiker, die man schon huindertmal gesehen hat, wenn man schon mal Rätsel irgendwo gelöst hat.
Exit macht hier dagegen einiges richtig: Die Aufgaben sind vielfältiger und origineller und vor allem muss der Code wirklich gefunden werden. Es ist nicht sofort klar, was man machen muss und man kann eben zu zweit oder zu dritt durchaus diskutieren und gemeinsam die Lösung suchen. Leider war das Promo recht kurz, ich hoffe, die eigentlichen Aufgaben sind länger. Aber ich hatte in der verkürzten Zeit mehr as Spaß als bei der Sternwarte. Vielleicht mag man das anders sehen, wenn man sich normalerweise nicht für diese Art Spiel interessiert – aber warum sollte man denn dann ausgerechnet jetzt damit anfangen?
Doch ganz ehrlich: So richtig bis ganz zuletzt überzeugt haben mich beide Spiele nicht wirklich. Die Vorteile der Browserspiele sind einfach zu deutlich: Nicht nur sind sie umsonst, sondern auch einfach in der Handhabung. Aber auch denke ich, hätte man die Fälle etwas weniger linear machen können. Das wäre mit etwas Aufwand problemlos möglich gewesen! Aber ich kann mir schon noch vorstellen, mal ein Exit zu verschenken und würde mich durchaus auch freuen, wenn ich eines geschenkt bekäme. Die Sternwarte ist dagegen doch eher etwas, dass man in einem Ferienhaus parken kann: Bei schlechtem Wetter erfreut es vielleicht die Gäste und man braucht nicht ständig Rätselbücher zu kaufen. Aber den Anspruch, den ich an ein gutes Escape Game stelle, verfehlt es leider auf ganzer Linie.
ciao
peer
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Ich werde der Sternenwarte zumindest zu Gute halten, dass sie nicht dem Zynismus von Time Stories verfallen ist und das Spiel künstlich mit Würfeleien, scripted resets und Sackgassen in die Länge zieht, damit nur niemand bemerkt was für eine Mogelpackung da auf dem Tisch gelandet ist.
Mach mal ein Update, wenn du ein volles Exit-Spiel und auch die Escape Room Box von Noris gespielt hast. Ich vermute du hast hier das schwächste von den Spielen abbekommen und befürchtest nun das schlimmste.
Die Noris Box hat echt sehr viele vielseitige Puzzle. Die elektronische Einheit sorgt für Flair. Und insgesamt hatte ich einen perfekten Eindruck davon das hier wirklich das Feeling eingesammelt wurde.
Die vollwertigen Exit-Spiele haben rund 10 bis 11 Rätsel, welche aber echt sehr abwechslungsreich sind und je nachdem wie geübt du bist zwischen 45 und 90 Minuten dauern dürften. (Zum Vergleich meine Zeiten: Premiere. 13 Min und 0 Hinweise, Alte Hütte 50 Min und 2 Hinweise. Ohne vermutlich über 60.)
Mein derzeitiger Eindruck ist das ich die Exit-Spiele aber mehr mag. Mehr Rätsel als die Noris-Box und mehr Erfolgserlebnisse während des Spielens.
Hört sich an wie GeoCaching ohne rauszugehen. Naja, wenn die Rätsel gut gemacht sind, warum nicht – wobei dann halt immer noch was fehlt.
Ich bin trotzdem gespannt.
@Georgios: Zu Time Stories komme ich ein anderes mal :-) Sternenwarte war eigentlich gut gemacht vom Material und Idee her. Vermutlich war ich daher auch besonders enttäsucht, dass die Rätsel so einfallslos waren.
@Matthias: Werde ich machen, Ich habe es allerdings auch nicht eilig, Geld dafür auszugeben. Die noris – Box funktioniert zumindest mal elektronisch und bietet 4 Fälle, was ja schon mal gut ist. Aber ist es auch so linear? (Ich habe auch nachgefragt udn ja, alle Exit-Fälle sind absolut linear aufgebaut.
@Atti: Mmmh, mit Geocaching würde ich das jetzt nicht unbedingt vergleichen, allerdings mache ich eigentlich nur die normalen „Wandern & Finde“ Caches ohne Rätsel…
Ich habe vor einem Jahr selbst einen Rätselkoffer für einen örtlichen Jugendtreff entwickelt. Und die Frage mit dem Linear habe ich mir in diesem Zusammenhang auch gestellt. Ich habe mich im Hinblick auf die Zielgruppe (unerfahrene Spieler im Teenager Alter) dafür entschieden ebenfalls mehr oder weniger Linear vorzugehen. Oftmals sind die Rätsel aber versteckt bzw. etwas wird in der Handhabung anders benutzt als in normaler weiß überlich. Für mich ist also die Frage, ob die Rätsel einfach so auftauchen oder ob das finden und suchen nach dem Rätsel schon Teil des Rätsels ist. (Ähm das ist verwirrend). Denke aber auch das die Lineare vorgehensweiße einfach der Zielgruppe geschuldet ist.
Ich bin gespannt auf die EXIT Reihe erwarte mir aber von Material im Wert von weniger als 12€ nicht viel. Lass mich aber gerne überraschen ob Sie besser sind als die Rätselbücher von Wolfgang Kramer. Die finde ich auch heute noch gut.