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Bezahlte Schummeleien

Vor einem Monat (ja, wir sind unglaublich aktuell) wurde bekannt, dass der Zug-um-Zug-Weltmeister geschummelt hatte und ihm der Titel deswegen aberkannt wurde. Er selber sagte, er hätte versehentlich Karten aufgenommen, die ihm nicht gehörten. Nun will ich gar nicht über Schuld oder Unschuld spekulieren, schließlich gilt die Unschuldsvermutung auch im Spielesektor. Stattdessen schreibe ich allgemein ein bisschen über das Schummeln bei Turnieren:

Wie es der Zufall will, habe ich kurz nach dem Vorfall das Buch How to cheat at everything von Simon Lovell  gelesen, dass sich unter anderem mit dem Schummeln bei Spielen befasst (das Ziel des Buches ist übrigens Aufklärung, nicht das Heranzüchten neuer Kartenprofis). Eine ganz kurze Zusammenfassung: Wo es um Geld geht, wird früher oder später auch geschummelt.  Geht es um viel Geld, eher früher als später… ;-) Ich möchte das Wissen nutzen, um hier erst einmal einen kleinen Überblick über das Schummeln bei klassischen Spielen geben:

Kartenspiele: Poker & Co sind vermutlich die Spiele, die jeder sofort mit Schummeln assoziiert und tatsächlich gibt Lovell einen großen Überblick, was alles möglich ist: Von gezinkten Karten über das spezielle Mischen und Geben und spicken und sogar das Austauschen ganzer Decks ist alles möglich – und alles wird auch in Turnieren beobachtet.

Backgammon: Backgammon ist nach Poker vermutlich das Spiel, das am häufigsten um Geld gespielt wird und auch das, bei dem Schummeleien sehr oft vorkommen. Schwachpunkt sind hier die Würfel, die gerne gegen Gezinkte Würfel ausgetauscht werden oder die von vornerein paramagnetisch sind und nach belieben „aktiviert“ werden können. Aber selbst wenn die Würfel echt sind – Ein geübter Spieler kann die Würfel so werfen, dass sie mit erhöhter Wahrscheinlichkeit so landen, wie der Schummler es will. Das geht übrigens besonders einfach wenn ein Würfelbecher verwendet wird.

Mah-Jongg: Neben dem Austauschen von Steinen fühlen geübte Spieler bereits beim Aufbau wo welcher Stein in der Mauer liegt und auf welche Kombis es sich daher eher lohnt zu spielen (ich kenne übrigens einige Spieler persönlich, die das a) können und b) das nicht als Schummeln ansehen).

Bridge: Neben den Kartentricks (s.o) kommt es hier besonders häufig zu (unerlaubten) Signalen zwischen den Spielern. Laut Lovell ist diese Art des Schummelns auf praktisch jedem Bridgeturnier zu finden (Sogar bei einer Weltmeisterschaft). Unerlaubte Signale können in jedem Partnerspiel auftreten und sind praktisch nicht zu verhindern und -wenn geschickt angestellt – auch nicht zu entdecken.

Schach: Durch das Austauschen/Manipulieren von Spielmaterial kann man in einem Spiel mit absoluter Information nicht schummeln. Man kann sich aber Informationen von außen holen – und das wurde in der Vergangenheit immer wieder getan oder zumindest vermutet (z.B. durch den Jogurt-Code). Insbesondere durch die modernen Computer ist dies zum Problem geworden (siehe z.B. hier). So lange ein mäßiger Schachspieler sich dieses „elektronische Doping“ abholt, kann man das durchaus erkennen. Ein guter Schachspieler, der sich an der entscheidenen Stelle aber elektronische Hilfe sucht ist definitiv nicht erkennbar.

Zusammenfassung und Ausblick:

Geschummelt wird überall, wo es um Geld geht. Beim Sport (siehe Doping), bei Computerspielen und auch bei Brett- und Kartenspielen. Gerade jetzt wo durch die Internationalisierung auch die Spieleturniere größer werden und die Preise steigen ist es schlicht naiv zu glauben, dass alles immer fair zugeht. Wie Lovell schreibt, sind Turnierveranstalter selbst bei Poker oder Backgammon überrascht, wenn geschummelt wird – dabei entdeckt man eigentlich nur die wirklich blöden Schummler. Geschickte Spieler setzen das Schummeln nicht dauerhaft ein und sind ohne gezielte Gegenmaßnahmen schlicht nicht zu entdecken, wenn man nicht gezielt nach ihnen sucht. Bei modernen Brettspielen ist das Schummeln im Prinzip sogar noch leichter, denn alle Exemplare eines Siedlers oder eines Zug um Zug sind ja immer gleich ausgestattet- jeder kann sich Karten oder Spielgeld oder Chips o.ä. von zu Hause mitnehmen und dann im Spiel einsetzen, ohne dass man das merkt (dabei müssen die Karten nicht klassisch im Ärmel stecken – können sie aber). Bei klassischen Spielen geht das nicht so ohne weiteres, wenn man nicht vorher weiß, welche Kartendecks/Würfel/Chips verwendet werden.

Soll man jetzt auf Turniere verzichten? Alle Spieler unter Generalverdacht stellen? Haben Spiele ihre Unschuld verloren? Sicher nicht. Aber wenn es um große Preise geht, sollte man zumindest im Endspiel einige Sicherheitsvorkehrungen treffen:

– am besten das ganze Spiel aufzeichnen und/oder live übertragen. Eine laufende Kamera macht das Schummeln nicht unmöglich (geschickte Palmierer sind so schnell, dass man sie kaum sieht), aber deutlich schwieriger. Und vor allem kann man bei einem Verdacht noch einmal gezielt nachsehen.

– Spielmaterial sollte vor und nach einer Partie durchgezählt werden. Damit kann verhindert werden, dass ein Spieler sich mit passenden Karten (o.ä.) von zu Hause ausstattet.

– Würfel müssen immer offen gewürfelt werden, ohne Becher. Karten müssen immer deutlich ausgelegt werden. Auch wenn alle nach Hause wollen: Lieber die Züge deutlich und nachvollziehbar ausführen. Falsche Karten aufnehmen oder zu wenige oder unpassende Karten ausspielen kann ein Schummler nur, wenn es schnell geht (gerade bei Zug um Zug oder Siedler kann ein schneller Spieler „versehentlich“ falsche Karten beim bezahlen abgeben (nicht nur, aber auch) und sich so einen kleinen Vorteil verschaffen).

– Bei Spielen, bei denen Signale spielentscheidend sein können, sollte das Publikum ausreichenden Abstand zu den Spielern haben. Das anwesende Publikum sollte die Karten der Spieler nicht sehen können

Diese Maßnahmen können Schummeln nicht komplett verhindern, aber sie können abschreckend wirken. Was immer beim Zug-um-Zug-Turnier passiert ist: Es konnte auch passieren, weil niemand damit rechnete, dass Spieler schummeln (ob versehentlich oder absichtlich). Bei Geld hört die Freundschaft aber leider auf. Für manche sogar die zum Spiel.

ciao

peer

 

Peer Sylvester
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5 Kommentare

  • Hallo Peer,

    meine ersten Turnier-Erfahrungen machte ich ungefähr im Jahr 2000. Catan feierte in Nürnberg ganz groß das erste Fünfjährige. Ein Riesen-Turnier um die Deutsche Meisterschaft. Im Finale ging es um Leasingverträge für Catan-Autos und gab prompt wegen Schummeleien eine Disqualifikation wegen Schummeleien. Welch ein würdiges Betragen auf dieser Feier! ;-)

    Seit dem habe ich an vielen Turnieren teilgenommen und bin vor sieben Jahren angefangen, selbst welche auszurichten. Im Großen und Ganzen sind Schummeleien wirklich Ausnahmen. Aber sobald es bei den Turnieren um wirklich etwas geht (z.B. Deutsche Meisterschaften), macht sich schon eine fast unschöne Angespanntheit unter den Turnierteilnehmern breit.
    Ich bin angefangen, mein Jahresend-Catan-Turnier aus der Deutschen Meisterschaft herauszunehmen – mit dem Ergebnis der Entspannung unter den Teilnehmer (die Punktereisenden bleiben tatsächlich fort) und dem Eintreten einer herzlicheren Stimmung unter den Spielern. Es wurde zu einem Turnier, in dem es nur noch um das Spiel und das Teilen der gemeinsamen Freude daran geht. Der Teilnehmerzahl hat es keinen Abbruch getan.

    So weit zu meiner Begegnung der Schummeleien auf Turnieren. :-)

    Liebe Grüße
    Nils

  • Man könnte auch mehrere Artikel über Betrug bei Magic: The Gathering schreiben bzw. allgemein über Sammelkartenspiel-Turniere. Das ist ein Fass ohne Boden …

  • Glaube ich gerne! Viel zu gewinnen, leicht zu schummeln (man bringt ja sogar z.T. seine eigenen Karten mit)… Leider habe ich selbst keine Erfahrungen mit Magic-Turnieren, wenn sich also jemand berufen fühlt…
    :-)

  • Wobei ich da eine positive Erfahrung gemacht habe: Während es bei Magic und beispielsweise auch beim VS-System (DC vs Marvel) bei den Turnieren um Geld ging/geht, ging es bei den Warlord: Saga of the Storm Turnieren immer nur um den „Titel“ und Promokarten, etc. – das hat effektiv dafür gesorgt, dass es keine reinen Turnierspieler gab, die Powerdecks nur für das Geld spielen – und gleichzeitig auch die Betrügereien massiv eingedampft. Es war immer eine entspannte Atmosphäre auf den Turnieren, auch mal gespannt, wenn es ein spannendes Spiel war – aber niemals angespannt oder so kritisch, dass es zu Betrug führte.
    Das empfand ich immer als sehr schön und angenehm in der Szene (ruhe sie in Frieden)… :-)