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Spiele, die wir hassen und Spiele ohne Trampelpfade

Heute mal ein paar kommentierte Fundstücke aus dem Netz. Als erstes einmal habe ich eine neue (englischsprachige) Reziseite entdeckt – das wäre nichts berichtenswertes, aber die Artikel lesen sich wirklich extrem frisch: Shut up & Sit down

In seiner Rezi zu Archipelago macht Ben McJunkin eine interessante Beobachtung: Spieler wollen immer einen typischen Weg beschreiten und sind verwirrt oder sogar sauer, wenn es einen solchen Weg nicht gibt. Das kann ich bestätigen: Insbesondere bei der ersten Partie, wenn die Regelvielfalt (und die Optionsvielfalt) einen überwältigt, konzentriere ich mich erst einmal auf 1-2 Aspekte und gucke dann, was man noch benötigt. Insofern ist es einsteigerfreundlich, wenn ein Spiel solche Wege anbietet. Ein Spiel das anders funktioniert, einen solchen Weg nicht anbietet oder wo der offensichtliche Weg gar in die Irre führt (siehe Fifth Avenue) kann in der alles entscheidenden Kennenlernpartie schnell abgelehnt werden. Insofern spricht vieles für eine solche Intuitivität – Spielen ist ja auch Konsum und ein Spiel sollte es dem Spieler leichter machen, konsumiert zu werden.

Wirklich?

Die Kehrseite der Medaille ist zweierlei: Zum einen (und da gebe ich McJunkin recht) führt es eben dazu, dass Alternativen schnell abgelehnt werden. Ein gutes Beispiel ist Hansa Teutonica, bei dem sich das Gerücht hartnäckig hält, der Aktionszahlerweiterungsweg wäre deutlich stärker als die anderen Erweiterungen des Schreibtisches. Hier wird der offensichtliche „Einsteigerweg“ gerne als einziger Weg wahrgenommen und das Spiel abgewertet. Eine andere Gefahr ist designtechnischer Natur: Will man einen zu eindeutigen Weg markieren, besteht die Gefahr, dass Alternativen tatsächlich schwächer werden und das Spiel an Vielfalt – und damit an Langzeitreiz verliert. Wenn Spieler feststellen, dass es abseits der ausgetretenen Pfade wenig zu entdecken gibt, verliert das Spiel an Reiz (mir geht es z.B. mit Tinners Trail oder Trajan so ). Moderne Spiele versuchen dieses Problem auch durch eine Vielzahl an Details zu kompensieren, die das Spiel nicht besser machen, sondern nur schwerer zu durchschauen. Dabei sollten mehrere Details die Optionsvielfalt erhöhen – Archipelago versucht eine Art „Sandbox“-Spiel zu sein, bei dem die Spieler auf sich gestellt sind. Ob das geklappt hat, weiß ich nicht (meine bislang einzige Partie war durch zahlreiche Regelprobleme überschattet), aber der Ansatz ist auf jeden Fall interessant.

Drittens gibt es auf Cracked einen Artikel über Brettspiele, die schuld daran sind, dass Leute Brettspiele kategorisch ablehnen (weil sie schlecht und/oder langweilig sind) und bietet Alternativen an. Solche Artikel sind gut, besonders wenn sie so lustig geschrieben sind wie dieser. Aber ich bin nicht sicher, ob ich die Prämisse teile. Es gibt viele Gründe, warum Leute Spiele ablehnen oder nicht ernst nehmen, aber „schlechte Erfahrungen mit schlechten Spielen“ würde ich relativ weit unten in einer solchen Liste vermuten. Wenn es ein Spiel gibt, dass Leute vom Spielen abschreckt, dann ist es eher Schach – denn Erwachsenenspiel wird als Denkspiel wahrgenommen. Vielleicht sind es auch Spiele wie Twister oder Tabu, die nach zwanghafter Albernheit klingen, was ebenfalls den einen oder anderen abschreckt (ich selbst spiele übrigens recht gerne Tabu :-) ).  Dass jemand wegen Snakes & Ladders keine Spiele mehr anfasst, wage ich zu bezweifeln. Es gilt imho: Wer spielen will, der findet auch etwas. Wer kein Interesse hat, der nicht. Letztere können nur persönlich überzeugt werden, nicht durch Spielegeschenke oder -listen.

ciao

peer

Peer Sylvester
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