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Kleinkram als Spiel

Plötzlich taucht ein Begriff auf und keiner weiß, wo der herkommt. „Mikrogames“ ist so ein Begriff, als Bezeichnung für Spiele, mit minimalem Design. Ich habe ihn zum ersten Mal  in Verbindung mit Love Letter gehört, dass ja letztes Jahr in Essen eingeschlagen ist. Bei derselben Messe erschien auch mit Coup ein weiteres Spiel, dass mit einem Minimum an Material auskommt (es waren 15 Karten und ein paar Chips).

Ich finde Mikrogames natürlich irgendwie faszinierend; ein gutes Spiel mit so wenig Material zu zaubern ist schon beeindruckend (ähnliches schrieb ich ja bereits am Mittwoch über die Spiele der Famous First-Reihe). Fast noch fazinierender finde ich aber die Reaktionen darauf im englischsprachigem Raum – und das (fast) völlige Fehlen entsprechender Kommentare hierzulande.

Es ist nicht so, dass Mikrogames etwas völlig neues wären: Doris und Frank brachten bereits 1996 mit Pico ein Kartenspiel mit nur 11 Karten heraus. Doch danach war weitestgehend Funkstille – lediglich ein paar Promospiele (z.B. von Da Vinci) spielten mit minimalem Material. Ich mag das eine oder andere natürlich übersehen haben, aber in den Blickpunkt rückten tatsächlich erst die Spiele von Seiji Kanaii (vor allem Master Merchant), die quasi aus der Not geboren enstanden. Deutsche Beiträge aus den letzen zwei Jahren sind Fehlanzeige (Skull & Roses oder die Werwölfe von Düsterwald mag man dazu zählen – sind aber beide erstmals in Frankreich veröffentlicht). Vielleicht geht es den Verlagen hier zu gut, so dass das Material nicht eingeschränkt werden muss. Auch tun sich Verlage hierzulande eher schwer mit Minimalstmaterial. Ich glaube nicht, dass ein Spiel das aus weniger als 20 Karten besteht bei irgendeinem deutschen Verlag vor 2012 eine große Chance gehabt hätte- es wäre entweder zu klein (und damit zu unauffällig) oder die Schachtel hätte zu viel Luft enthalten, was hier ja sehr verpönt ist. Die jüngste Diskussion im Spielboxforum wegen des Preises von Blue Lion hat auch gezeigt, dass ein solches Spiel wohl schnell als zu teuer gebrandmarkt wird, wenn der Verlag es nicht umsonst hergeben will.

Das weniger berichtet wird als über die großen Spiele mag daran liegen, dass Mikrogames fast immer Absackerspiele sind und sich die große Diskussionen hierzulande eher um größere Kaliber drehen. Vielleicht ist das auch so ein Wahrnehmungsding von mir – wenn ich richtig liege, hieße dass, dass Absacker im englischsprachigem Spielraum mehr Raum in Blogs etc. eingeräumt würde als hierzulande. Ist dem so? Was meint ihr?

Ob Absacker oder nicht: Mikrogames sind cool. Ich hoffe auf mehr, denn sie stellen eine Gegenbewegung zu den immer größer werdenen Euros dar, die nicht selten Spieltiefe durch Regelvielfalt ersetzen und Komplexität dadurch erreichen, das keiner mehr alle Optionen überblicken kann. Gegenbewegungen erzeugen Vielfalt und Vielfalt tut der Branche immer gut.

ciao

peer

 

Peer Sylvester
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1 Kommentar

  • Da bin ich ganz bei dir. Ich meine es gab bis dato immer nur ein Spiel welches so klein war das ich es in meinen Geldbeutel packen konnte. Und das war Heckmeck. Nun trage ich auch immer noch Loveletter mit mir herrum.

    Ich finde das auch ein genialer Aspekt dieser Mikrogames. Ein Problem sehe ich an diesen Mikrogames aber. Sie sind dann eben doch sehr anfällig.

    Love Letter spielst du am besten zu 4. Zu 3 geht es auch noch relativ gut. Das nächste Problem sind die Spieler. Das Spiel trägt sich nicht selbst es braucht die richtige Spielgruppe. Mit einer Spielgruppe die nicht mitdenkt, die Mitspieler nicht beobachtet macht das Spiel keinen Spaß. Denn dann wird es zum absoluten Glücksspiel. Gut das ist wohl eine Nachteil von jedem Spiel mit viel Interaktion. Durch die kurze Spieldauer von Love Letter wird dieses Empfinden aber verstärkt.

    Dennoch sind das gute Spiele und führen auf einen Weg zurück. Pro Spiel nur ein Mechanismus und pro Spiel nur minimales Material. Sollte es früher so viel Material und Regeln wie möglich haben freue ich mich heute über genau das Gegenteil.