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Das schlechteste Spiel der Welt – Wirklich!

Essen, Essen, Essen – die ganze (Spiele-)welt redet von Essen und deren Neuheiten. Glaub ich. Ist auch egal, denn wir (respektive ich) tun das nicht (respektive nicht im Moment). Stattdessen mal etwas ganz anderes: Das schlechteste Spiel der Welt.

„Das schlechteste Spiel der Welt“ wäre auf den ersten Blick eine höchst private Angelegenheit – für den einen ist Kniffel grausam, für den anderen Schach. Zählt man nicht funktionierende Prototypen mit oder nicht? Naja, zählt man nur Spiele, die sich zumindest kurzzeitig in meinem Besitz befunden haben, war das schlechteste Spiel bislang „Schlitzohr“, bei dem man jede Runde eine Karte mit einem Betrag aussucht und dann würfelt, ob man diesen Betrag ausgezahlt bekommt oder selbst zahlen muss.

Doch jetzt gibt es ein (imho) interessantes Projekt: Richard Hutnik versucht mit Absicht das schlechteste Brettspiel der Welt zu entwickeln. Wichtige Regel dabei: Das Spiel muss durchaus funktionieren. Und es muss spielbar sein und es darf keinen physischen Schaden an Personen oder Gegenständen hinterlassen. Ein interessantes Projekt (wenn auch logischerweise nicht aus spielerischen Gründen), wie ich meine! Warum?

Erst einmal ist es designtechnisch interessant. Es geht ja nicht darum einfach ein schlechtes Spiel zu machen – das wäre einfach. Es geht darum ein Spiel zu machen, was man nicht mehr verschlechtern kann. Und dazu muss man sich erst einmal klarmachen, was ein Spiel schlecht oder gut macht. Das ist schon einmal keine schlechte Überlegung! Zudem ist die Sache nicht so simpel, wie die verlinkte Diskussion zeigt: Wird das Spiel z.B. einfach belibig verwirrend gestaltet, so wirken die verwirrenden Elemente irgendwann zumindest ablenkend – und wirken somit plötzlich positiv! Das Spiel ist aber (so zumindest Hutniks Ansicht) schlechter, wenn es klar strukturiert und schnörkellos daherkommt, so dass man sich auf das extrem langweilige und frustrierende eigentliche Spielerlebnis konzentrieren muss. Ähnliches gilt für das Spielmaterial: Hutnik legt z.B. großen Wert darauf, dass der verwendete Würfel möglichst nicht für andere (bessere) Spiele einsetzbar ist. Auch das Thema kann ablenkend wirken – würde es (statt abstrakt zu sein, wie jetzt) z.B. ein geschmackloses Thema geben, so stände das Spiel nicht mehr im Mittelpunkt, sondern das Thena – was an der Sache vorbeigeht.  Unterm Strich bleibt die wesentliche Erkenntnis, dass es zwar einfach ist ein Spiel schlecht zu machen, aber ab einem bestimmten Punkt wird es tatsächlich schwierig das Spiel noch schlechter zu machen, ohne dass es besser wird! Eine Erkenntnis die zu meiner Meinung passt, dass es relativ einfach ist, ein ordentliches Spiel zu erfinden, aber eben schwierig ein wirklich gutes, da weitere Elemente ein Spiel nur noch komplizierter machen, aber nicht besser (dazu bedarf es neben viel Arbeit auch viel Kreativität).

Ein weiterer Grund ist, dass ich glaube, dass auch die Spieleszene ab und an mal ein Projekt braucht, dass alle Konventionen über Bord wirft (In diesem Fall: Ein Spiel soll „gut“ sein). Es gibt natürlich geteilte Meinungen darüber, ob Spiele nun Kunst sind oder sein können oder überhaupt sein sollen. Aber wenn man der Meinung ist, Spiele sind Kunst (oder können es sein) und sollen auch so wahrgenommen werden, dann muss es eben auch Spiele geben, die über das rein handwerkliche hinaus gehen. Für Kunst gibt es unzählige Definitionen, meine persönlich ist, dass Kunst zumindest eines dieser drei Punkte erfüllen muss:

1.) Unglaublich schwierig zu erzeugendes/einzigartiges Werk (Mona Lisa, David)

2.) Auslösen starker Emotionen/Geben starker Denkanstösse (Celans Todesfuge)

3.) Brechen von üblichen Konventionen und so überdenken derselben (Warhols Dosenmotive, Dadaismus)

Zumindest der dritte Punkt wäre von W.W.B. (So heißt das Spiel) erfüllt und es liegt damit klar im Bereich der Kunst. Das heißt nicht, dass man es haben müsste – vieles was ich als Kunst wahrnehme, reizt mich persönlich gar nicht   – aber es hat definitiv seine Existenzberechtigung und es kann Anstöße für Autoren liefern, sich auch mal mit dem künstlerischen Aspekt der eigenen Arbeit auseinanderzusetzen. Denn alle drei genannten Definitionen von Kunst bringen unser Hobby weiter vorwärts, als das zehn „ganz ordentliche“ Brettspiele.

ciao

peer

Peer Sylvester
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5 Kommentare

  • Was ist überhaupt schlecht? Am Ende ist so ein superschlechtes Spiel supererfolgreich. Im Fernsehen gibt es ja schon so etwas Schlechtes, nennt sich dann „Familien im Brennpunkt“ und ist Scripted Reality und die Leute gucken es. Was der gemeine Vielspieler für Scheiße hält, finden Wenigspieler vielleicht gerade richtig.

    Übrigens, Mona Lisa dürfte leicht zu reproduzieren, auch handwerklich, ich glaube, was dieses Werk auszeichnet, dass es Kunst neu gedacht hat. Für Mona Lisa gilt auch den Satz Nummer 3. Große Kunst definiert die Konventionen der Kunst immer neu.
    Daher ist die Herangehensweise als Fanboy wahrscheinlich die schlechteste.

  • Die Sache mit cripted Reality ist eine Frage der Zielgruppe. Und zudem ist Niveau ja nicht undeingt gleich Qualität ;-) In diesem Fall wird schon versucht, ein wirklich „schlechtes“ Spiel zu machen, also eines, dass möglichst niemanden Spaß macht (Was meine Definition von „schlecht“ wäre).

    Was die Mona Lisa betrifft: Ich bin kein Freund von Malerei, das berührt mich in der Regel nicht. Allerdings habe ich bei der Gesichterausstellung in Berlin neben vieler Bilder eben auch einen Leonado da Vinci (Das Mädchen mit dem Hemrelin) gesehen und fand schon dass es da einen Klassenunterschied in der Qualität gab. Ähnliches gilt für Michelangelos David, der zusammen mit anderen Statuen eines anderen Bildhauers (in Florenz) zu sehen war (bzw. ist) und auch da sehe ich einen enormen Klassenunterschied- wobei ich jetzt nicht einmal den Finger drauf legen könnte, wo genau. Es sind die Details, die bei einem wahren Kunstwerk alle stimmen müssen.
    Aber wie gesagt, dass ist meine Meinung :-)

  • Es ist durchaus ein interessantes Experiment, bei der Spielentwicklung mal vom Schlechten auszugehen. Wie wäre es als Ausgangsbasis mit dem Klischee „schlechthin“:

    Man nehme das Spielbrett und jeweils 1 Figur je Spielfarbe von Mensch ärgere dich nicht; dazu einen Würfel, der aber auf allen Seiten eine „1“ zeigt. Logische Regeländerung: Bei einer „1“ darf man „raus“.

    Titel des Spiels: ______flatline______

    Dieses (vermeintlich) schlechteste Spiel enthält – im Gegensatz zum „echten“ Mädn, dass ja jede Menge Glück, Interaktion (durch Konfrontation) und Wahlmöglichkeit beinhaltet – all diese Spannungskomponenten nicht (mehr): das Glück ist komplett eliminiert (nur Einsen); es findet keine Interaktion statt (Rausschmeißen des Gegners ist ja unmöglich, da die Abstände zu den Mitspielern bis zum Spielende immer absolut gleich bleiben); und es gibt keine Wahlmöglichkeiten (da nur eine Spielfigur je Spieler).

    Auf dieser Grundlage kann man dann wieder anfangen, ein Spiel interessant(er) bzw. spannend zu machen: Wie lange ertragen es die Spieler, bis sie eine Wahlmöglichkeit erfinden?! Oder bis sie neue Zugregeln „finden“: Unter den Lauffeldern könnte sich bspw. eine kongruente und zunächst unsichtbare zweite Ebene befinden, auf der man, Feld für Feld, weitere Regeln (und Spielfiguren) ins Spiel bringen kann.
    Zum Beispiel: Spielfarben tauschen (ähnlich wie bei À la Carte); Würfel tauschen (nächster Würfel enthält „1“ und „2“, dann „1“, „2“ und „3“ etc.); oder „auf diesem Feld eine Zahl von 1 bis 6 frei wählen“; stehenbleiben dürfen und rückwärts ziehen; an gegnerische Spielfigur anhängen bzw. aufspringen; Abkürzungen schaffen; Zielfelder neu platzieren bzw. verschieben usw. usf.

    Im Grunde ist es wie beim Zubereiten eines Gerichts: man nehme ein relativ fades Gemüse und mache es schmackhaft. Wie? Durch Gewürze und deren raffinierte Kombination. Im besten Falle ist das dann Kochkunst (oder die Kunst der Spieleentwicklung).

  • Ich glaube, das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wahrscheinlich wird man kein funktionierendes Spiel erfinden, dass niemanden Spaß macht. Möglicherweise muss man das Spiel mit so vielen Regeln zukleistern, dass schon allein die Regellektüre abschreckt.

  • Meine Frau hat seinerzeit in einer Partie MäDn mitgespielt, bei der einem der Mitspieler ein Würfel mit Zahlen von 1-3 untergeschoben wurde. Das hat schon zu ziemlichem Spaß geführt – für die anderen drei Mitspieler. Wird heute beim jährlichen Memorial-Treffen immer wieder gerne erzählt … :-)