spielbar.com

Wo sind die Graphikwunder?

Eine neue Rezi gibt es: Takenoko. Und damit auch die Frage, ob der (vom Spiele-Veteranen Winnie Forster geprägte) Begriff „Graphikblender“ auf Computerspiele beschränkt sein sollte ;-)  Aber vielleicht ist das auch nur meine Wahrnehmung

Interessant finde ich aber eine damit zusammenhängende Frage: Wieso ist der Anteil an französischen Spielen, deren Graphik mich umhaut, so verdammt hoch?

Versteht mich nicht falsch, ich habe absolut nichts gegen Menzel, Vohwinkel, Klemens Franz  oder Doris Matthäus! Ganz im Gegenteil, die machen super Arbeit, nicht zuletzt auch was „Usability“ betrifft.

Aber dann sehe ich spiele wie Bonbons, Divinare, dem erwähnten Takenoko oder Seasons (von Dixit  ganz zu schweigen) und frage mich schon, wo entsprechende deutsche Spiele sind. Es gibt sie (z.B. Blue Moon), die sind aber klar in der Minderheit. Als Grund wird gerne genannt, dass die Comicszene in Frankreich sehr viel größer ist. Für diese Theorie spricht dass auch italienische oder amerikanische Spiele nicht mit dieser Graphikwucht mithalten können.

Das bedeutet jetzt aber nicht, dass die Zeichner in Frankreich einfach mehr können als die deutschen oder amerikanischen (man siehe sich nur diese Liste von PnP-Spielen mit z.T. fantastischer Graphik an – jeder Kleinverlag sollte damal nach Graphikern Ausschau halten…). Ich glaube eher, dass die Franzosen solche riskanten  Graphiken eher schlucken. Vielleicht tue ich den Verlagen und/oder den Graphikern hierzulande Unrecht -ich kann wirklich nur als „User“ meine Eindrücke schildern – aber ich habe schon den Eindruck, dass außerhalb Frankreichs eher ein konservativer Stil gehalten wird. Klare, realistische Darstellung, mit vielen verspielten Details, dass ist das was man von Menzel z.B. kennt und schätzt. Was man nicht oder nur sehr selten findet ist ein Spiel, dass graphisch aus dem Rahmen fällt. Das ist schade, denn z.B. Gangster (sowohl das von Amigo als auch das von LudoArt) erweckte ja nicht zuletzt durch einen (für Spiele) untypischen Graphikstil Aufmerksamkeit. Einen Trend zu ungewöhnlicheren Graphiken konnte es aber nicht setzen.

Was ich schade finde. Sind diese Spiele in Deutschland nicht gewollt? Bleiben Sie in den Regeln kleben? Wollen deutsche Spieler eher „ihren Graphikstil“? Immerhin ist ist dieser unaufgeregte Stil sicherer als graphische Wagnisse. Die Dixit-Graphik spaltet die Geschmäcker wie es ein „Dominion“ sicherlich nicht tut (Vom Cover mal abgesehen, aber das ist eine ganz andere Diskussion…). So bekommt man zwar keine Kunden (wegen auffälliger Graphik) dazu, es springen aber auch keine ab.

Oder ist es so dass Autoren und Verlage eh zu 90% auf dieselben Themen setzen (wer auch immer da mehr Einfluss hat) und das Mittelalter graphisch einfach nicht so viel hergibt? Auch dafür spricht einiges. Die oben erwähnten Spiele haben auch dankbare Themen, was die graphische Gestaltung betrifft – das gilt sowohl für die französischen als auch die deutschen Spiele. Vielleicht ist es auch ein bisschen von beiden: Wer ein „konservatives“ Thema wählt, bleibt auch in Punkto Graphik eher in der Safe-Zone. Und wer thematisch experimentierfreudiger ist, der braucht sich nicht bei der Graphik zurückhalten und kann mit dieser gleich die Individualität hervorheben.

Aber vielleicht ist alles viel einfacher und ich bin mit meiner Meinung in der Minderheit. Vielleicht will die Mehrheit gar keine Experimente und liebt unaufgeregte Graphik. Dann ist ja alles in Ordung.

Was meint ihr?

ciao

peer

PS: Ein Graphiker hat mich gerade per Email auf einen weiteren Faktor aufmerksam gemacht: Die Kosten. Ein Spiel im Stile von z.B. „7 Wonders“ zu gestalten ist sehr teuer. Entweder geben französische Verlage mehr Geld für Graphik aus (sind dafür dann teurer) und/oder sie haben bessere Kontakte zu Graphikern und bekommen günstige Preise.

Peer Sylvester
Letzte Artikel von Peer Sylvester (Alle anzeigen)

8 Kommentare

  • Wie auch bei Computer-/Konsolenspielen gilt für mich auch bei Brettspielen:
    Die Spielmechanik (das „Erlebnis“) ist mir wichtiger als die Optik (solange natürlich gewisse Mindeststandards erfüllt sind).
    Und ich kann sehr gut mit Mittelalter und co. leben! ;o)

  • Für mich muss die Grafik auch das Spiel transportieren. Das tut es bei Dixit und gerade bei Eselsbrücke hat auch der Menzel bewiesen das er noch mehr kann.
    Ansonsten: Ja, französische Verlage trauen sich mehr.

  • Die Unterschiede sind meiner Beobachtung nach im Wesentlichen zwei Gründen geschuldet:

    1. Die Geschmacksunterschiede in Bezug auf Design sind zwischen Deutschen und Franzosen gravierend. Das weiß ich auch noch aus meiner Zeit als Produktmanager bei Ravensburger aus vielen Diskussionen um das „richtige“ Design für Spiele, die dann oft auch zu einer eigenen französischen Lösung führte. Eine größere Comic-Affinität, wie sie Peer ansprach, gehört sicher auch dazu.

    2. In Deutschland setzt man gern auf Bewährtes … und es funktioniert (leider) auch. Das hat mit Bequemlichkeit zu tun, denn eine Spielegrafik bzw. -illustration mit einem neuen, spielunerfahrenen Künstler zu machen, erfordert zunächst viel Arbeit, damit die spätere „usability“ gewährleistet ist. Aber es ist auch insofern ein Risiko, weil ungewöhnliche Grafik in Deutschland oft nicht angenommen wird. „Die Bosse“ von Sid Sackson, damals bei F.X.Schmid neu herausgegeben und von einem französischen Illustrator gestaltet, war so nachdrückliches Erlebnis. Ich finde die Gestaltung heute noch klasse, aber so einige Szene-Menschen liefen damals auf der Messe sofort rum und sprachen von den „Penis-Nasen“. Nun ja. Dabei fand ich damals nichts Spannenderes, als immer wieder neue Gestalter auszuprobieren – trifft nur nicht immer den Mainstream.

  • Von Rückschlägen solcher Art sollte man sich dann nicht entmutigen lassen. Es soll ja auch vorkommen, dass sich Sachen mit hausbackener Grafik schlecht verkaufen, nur schiebt man es nicht auf die Grafik.

    Und das neues und anderes nicht bei jeden sofort auf Anerkennung stösst, ist doch wohl auch logisch, aber dafür ragt man eben heraus. Auch wenn man Spiel mit den Penisnasen wahrgenommen wird, wird man wahrgenommen, was durchaus wichtig ist.

  • Entmutigen? Nö – wirklich nicht. Aber eine Erfahrung, die gerade zum Thema passte. Im Gegenteil: Ich würde jeden ermutigen, Neues auszuprobieren. Sonst wird es auf die Dauer langweiliger Mainstreambrei.

  • Ich bin davon überzeugt, dass frz. Spiele vor allem deswegen so begnadet gut aussehen, weil die Verlage – wie im P.S. genannt – wirklich mehr Geld in die Hand nehmen, um ein Spiel aufwändig illustrieren zu lassen. Was aber wiederum auch nur deshalb funktioniert, weil der Markt dort drüber für Spiele noch nicht so eng und umkämpft ist. Hierzulande ist Spiele verkaufen ein hartes Brot für Autor, Verlag und Laden, bei unseren Nachbarn macht alle zwei Wochen ein neuer Spieleladen auf!

    Und zu dem Argument, dass italienische und amerikanische Spiele besser aussehen müssten, weil die ja auch eine große Comic-Kultur haben – jein. In Frankreich sind Comics wirklich Teil der Literatur und Zeichner echte Stars. Bei uns empfinde ich das eher als Nischenexistenz. Zudem sind frankobelgische völlig anders als amerikanische Comics. Ich bin da auch kein ausgemachter Experte (nur ein bisschen). Spiele- und Comicszene suchen aktiv den Austausch, das sieht man zum Beispiel auch daran, dass Martin Vidberg, der Cartoons für Le Monde zeichnet, neuerdings Spiele bei Cocktail Games illustriert und sogar in der Jury des As d’Or sitzt.

  • Als Grafiker melde ich mich auch mal zu Wort.
    Ich bin selber leidenschaftlicher Viel und Intensivspieler (muss man um Twilight Imperium freiwillig wöchentlich spielen zu wollen). Ich finde schön, dass dieses Thema hier aufkommt, da ich selber mit einigen ehemaligen Mitstudenten von der Kunsthochschule diskutiert habe warum es so wenig Innovationen (in unseren Augen) bei der Gestaltung von Spielen im Deutschsprachigen Raum gibt. Mittelalter muss ja nicht immer nach Catan, Dominion oder Burgen von Burgunt aussehen. Auch muss nicht alles mit Animegirls aus pupertierenden Phantasmen tapeziert werden.
    Schon lange suche ich nach Spielen mit besonderer Grafik, die dennoch begeistern können. Vielleicht ein Legespiel um das Thema Entdeckung und Seefahrt, komplett im Stile Niederländischer Kartography des 16. Jahrhunderts? Vielleicht, ein schönes Themenspiel erstellt mit Collagetechniken (Wie bei Dave McKean)? Es muss nicht entweder Hightfantasy Concept Art a la Fantasy Flight Games sein oder gediegenen und etablierten Standard.
    Nun aber meine Frage, wie kann man sich als Grafiker überhaupt mit Spieleautoren zusammensetzen? Wo kann man ein konstruktives Gespräch über Form und Regel führen? Leider habe ich selber und bestimmt viele andere Grafiker keinen echten Zugang, außer übers Einkaufsregal. Auf BGG hab ich das versucht aber bin da eher vor eine Wand gestoßen.

    MfG
    Vandel

  • Wie gesagt: Ein Faktor ist Geld. Ein anderer Usability. Mike Doyle (http://mdoyle.blogspot.com/) z.B. hat einmal eine Zeitlang bei verschiedenen Spielen gearbeitet. Problem war zum einen, dass er sehr viel teurer war, zum anderen litt z.T. die Übersicht bei seinen Projekten. Was schade ist, denn einige seiner Cover (und Coverideen) sind echt schick.

    In der Praxis hat ein Graphiker nur über den Verlag mit dem Autoren zu tun. Es kommt nur sehr selten vor, dass der Autor auch die Graphik stellt, es sei denn, er ist selbst Graphiker. Und wer zahlt jemanden schon geld für einen Prototypen? Wenn sich jemand anbietet meine Protos zu gestalten, wäre ich begeistert, aber es gibt halt kein Geld dafür. Lohnt sich schlicht nicht :-) Daher gibt es wenig Kontakt zwischen Autoren und Graphikern vor einer Vertragsunterzeichnung. Wie Graphiker an Verlage herantreten weiß ich nicht.