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Wie wirds kooperativ?

Ich mag kooperative Spiele. Das muss ich vorweg klarstellen. Und, geeignete Mechanismen vorausgesetzt, würde ich gerne mal selbst eines machen (ein teilkooperatives Spiel ist bei einem Verlag).

Wer  mit dem Gedanken spielt ein kooperatives Spiel zu entwickeln, kommt nicht drumrum sich mit einem Problem zu beschäftigen: Wie mit dem dominierenden Spieler umgehen?

Als erstes muss man sich klar werden, ob man mit dem Problem überhaupt umgehen will: Natürlich können kooperative Spiele unter einem Spieler leiden, der das Spiel an sich reißt. Für eine Reihe von Leuten ist dieser „Dominator“ (oder sogar die theoretische Möglichkeit eines solchen Spielers) das Element, dass sie vor einem kooperativen Spiel zurückschrecken lässt.

Nun ist dieses Problem real – genauso wie Spiele mit Aktionspunkten unter Grüblern leiden und Versteigerungsspiele Neulinge benachteiligen und Wenigspieler abschrecken. Und genauso wie die eben genannten ist es ein Problem, dass man als systemimmanent akzeptieren und für sich entscheiden kann, es unter den Tisch fallen zu lassen.Letztlich ist die Anzahl der Doinatoren so groß nicht, ggf. kann man ja was anderes spielen, wenn ein solcher Sproß am Tisch sitzt. Ich hab noch nie unter diesem Problem gelitten und empfinde das Gedöns darum als übertrieben. Dennoch muss einem Autoren dieses Problem bewusst sein.

Will man sich dem Problem stellen gibt es mehrere Möglichkeiten. Der Vorteil: Sie bieten generell neue Ansatzüunkte für das Genre!

1. Asymmetrische Informationen: Mit anderen Worten, die Spieler verfügen nicht über dieselben Informationen. Dabei sind Karten das beliebteste und einfachste Mittel, die zudem mit ihrer Zufälligkeit dafür sorgen, dass das Spiel nicht zum Puzzle verkommt und dass jede Partie anders verläuft.

Doch sie haben in meinen Augen einen Nachteil, nämlich das psychologische Dilemma, dass die Spieler miteinander reden und gemeinsam planen sollen, die Information ja aber eigentlich asymmetrisch bleiben soll. Dieses Dilemma wurde in Spielen unterschiedlich und vor allem unterschiedlich gut gelöst: Pandemie steht da auf der einen Seite des Spektrums: Die Spieler dürfen frei über die Karten sprechen, sie nur nicht zeigen. Dadurch müsste sich der Dominator alles merken, was diesen Effekt etwas mindert (aber nicht allzu sehr), das gemeinsame Planen aber im Vordergrund lässt. In „Der Hexer von Salem“ dürfen die Spieler miteinander reden, aber bestimmte Teile nicht nennen. Das ist effektiv, aber nicht sehr elegant und so mancher hat sich schon beschwert, dass diese Regel nicht so recht zum restlichen Spiel passen mag. Am schlechtesten hat es aber imho das Herr der Ringe Kartenspiel gelöst: Hier darf man Karten nicht nennen und auch nicht explizit die Funktion beschreiben, aber so ungefähr. Das ist aber eine solche Gummiregel, dass die Spieler eigentlich immer ein schlechtes Gewissen haben müssen, wenn sie strategische Optionen ihrer Kartenhand vermitteln wollen. Wer Karten einsetzt, sollte da klarere Regeln aufstellen: Entweder nennen oder nicht, aber kein Mittelding!

2. Eingeschränkte Kommunikation: Schwieriger, aber imho interessanter ist das Einschränken der Kommunikation der Spieler untereinander. Am einfachsten geht das natürlich mit einem „Verräter“, der mithören kann, so dass die Spieler nicht ganz so unbeschwert planen können. Aber es sind noch andere Möglichkeiten denkbar; So ist Kommunikation beim ausgesprochen interessanten Hanabi nur als Spielzug möglich.

Auf Kommunikation bei einem kooperativen Spiel zu verbieten erscheint erst einmal wiedersprüchlich, aber tatsächlich ist Kommunikation ja bei eigentlich allen Partnerspielen wie DoKo, Skat etc. verboten – hier liegt der Reiz im intuitiven Zusammenspiel. Warum sollte das nicht auch bei komplett kooperativen Spielen möglich sein? Der Dominator hätte jedenfalls keine Chance. Allerdings erhöht eine solche Regel den Stressfaktor enorm: Ist man normalerweise auf sich allein gestellt, so ist man für seine eigenen Fehler verantwortlich. Wer will aber schon für das Scheitern der gesamten Gruppe verantwortlich sein?

Daher kann man darüber nachdenken diesen Faktor etwas zu mindern. Eine Möglichkeit wäre Kommunikation nur in bestimmten Phasen zu erlauben – z.B. in „Tagphasen“.

Eine ganz andere Möglichkeit wurde meines Wissens noch nie ausprobiert: Die Kommunikation muss nonverbal stattfinden – z.B. über Klopfzeichen oder schriftlich. Im richtigen Setting (z.B. Verschüttete Bergleute oder Agenten) kann eine solche Einschränkung sogar die Spielathmosphäre erhöhen.

3. Gleichzeitigkeit: Ein dritter Weg wurde bei „Space Alert“ beschritten: Wenn alle gleichzeitig handeln, ist keine Zeit zum dominieren. Im Prinzip handelt es sich um eine Variante der eingeschränkten Kommunikation, aber eine besonders reizvolle!

4. Und schließlich wird der Dominatoreffekt verringert, wenn es gar nicht um Strategie geht. Steht ein Geschicklichkeitselement im Vordergrund (oder Quiz oder sonstwas) gibt es nicht viel zu dominieren. Es gibt einige kooperatie Partyspiele, die das gut vormachen (Cranium Hoopla z.B.). Auch eine Mischung aus Strategie- und Geschicklichkeitsspiel ist gut denkbar – gemeinsam planen, aber einzeln scheitern gewissermaßen.

Weitere Ideen?

ciao

peer

Peer Sylvester
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9 Kommentare

  • Du schreibst über Pandemie: „Die Spieler dürfen frei über die Karten sprechen, sie nur nicht zeigen. Dadurch müsste sich der Dominator alles merken, was diesen Effekt etwas mindert (aber nicht allzu sehr), das gemeinsame Planen aber im Vordergrund lässt.“

    Das stimmt so nicht, in der Spielregel steht: „Falls alle Spieler damit einverstanden sind, können sie mit offenen Karten spielen …“ Und eigentlich habe ich die allerallermeisten Partien Pandemie mit verschiedensten Leuten auch so gespielt.

    Schöner Beitrag übrigens.

    Johannes

  • Hallo Johannes,
    nicht falsch, sondern andere Ausgabe. Ich habe die englische Originalausgabe und da ist das Zeigen der Karten explizit verboten (es wird sogar eine Begründung gegeben: „(…) but like in the real world the players not immediatly know everything that the other players do. To simulate this (…) players may not show the content of their hands to their fellow players during the game“
    Das Zeigen der Handkarten ist nur im Einführungsspiel (mit 4 Epidemiekarten) vorgesehen.
    Wenns in der deutschen Regel anders ist, ists nicht meine Schuld ;-)

  • Wie wäre das: Nur einer darf reden. Dann ist/muss jeder mal in der Runde Dominator sein und die Entscheidungen treffen, bzw Kommandos geben. Das läßt sich kombinieren mit den eingeschränkten Informationen wie beispielsweise Karten. Das heißt, er weiß nicht unbedingt, welche Karten die anderen haben, muss denen aber sagen, was sie tun sollen. Wie oder ob die den Befehl dann ausführen ist ihre Sache, vielleicht geht das gar nicht oder vielleicht hat jemand eine so gute Hand, dass er ausschert und eine andere, bessere Aktionsalternative auswählt.

  • Eine weitere Möglichkeit ist ein semi-kooperatives Spiel wie es beispielweise in „Target Earth“ realisiert ist. Alle verfolgen dasselbe Spielziel, dennoch gibt es aufgrund einer Punkte oder Errungenschaftswertung nur einen Sieger. Dies würde das Dominatorproblem zumindest in der Endphase des Spiels einschränken.

    Zweite Option: Es darf sich nur verständigt werden, wenn dafür eine bestimmte Voraussetzung erfüllt ist z.B. Einsatz einer Figur (worker) auf einem bestimmten Feld oder nur wenn zwei Figuren auf demselben Feld stehen. Verzicht auf einen Spielzug, um eine Mitteilung machen zu können oder nur beim Austausch von Karten.

    Zuletzt kommt mir noch in den Sinn, die Kommunikation zu begrenzen resp. zu bestrafen. Bei einem Spiel mit dem Thema „Flucht vor Aliens“ oder „Ausbruch aus dem Hochsicherheitstrakt“ darf zwar miteinander geredet werden, dann aber müssen die Spieler einen Nachteil hinnehmen (Alien/Wächter etc. taucht auf und erschwert das Spiel).

  • Peer: danke, mach was draus :-)
    @derdrei: Kann ja auch ein demokratisches System sein oder ein römischer Senat oder eine Raumschiffcrew oder der Boss einer Gangsterbande/Söldnereinheit/Superheldentruppe.