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Mythbusters: Gute Spiele werden verlegt

Wenn in der allgemeinen oder auch (wie kürzlich) in der Fachpresse über Spieleautoren berichtet wird, kommen oft dieselben Leute zu Wort, es werden ähnliche Sätze zitiert und es wird ein gewisses Bild vermittelt (und damit meine ich nicht das Bild vom irren Künstler). Man liest Zitate wie:

„Es werden xtausend Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Klone jeden Monat bei Ravensburger eingereicht.“

„Viele Leute, die ein Spiel erfinden,haben keine Ahnung vom Markt“

„Wichtig ist, ein Spiel ausführlich zu testen, auch mit unterschiedlichen Leuten.“

Alles Sätze die wahr sind, die aber dennoch leicht ein falsches Bild vermitteln. Nämlich dieses hier: Wer sich am Markt auskennt, sich ein eigenständiges Spiel ausdenkt und es ausreichend testet, der wird all die Leute mit den MÄDN-Klonen hinter sich lassen und schon bald einen Verlag für sein Spiel finden.

Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfern sein!

Ich weiß nicht ob das Bild überhaupt irgendwann gestimmt hat, aber es ist mit Sicherheit seit 2005 falsch, dem Jahr als ich meine ersten Schritte in Richtung Spiele erfinden tat. Ich hatte genau dieses Bild im Kopf und war sehr stolz darauf, dass ich eigenständige Spiele gemacht habe, die in verschiedenen Testrunden gut ankamen. Als dann bei einem Autorentreffen eines meiner Spiele von einem Redakteur mitgenommen wurde, sah ich mich bereits am Ziel. Natürlich kam der Proto zurück und die Enttäuschung war groß. Tatsächlich kommen viele Protos zurück und die Protos die ich kenne, sind ausnahmslos gute Spiele (z.B. Peleppones von Bernd Eisenstein, das er 2009 im Eigenverlag herausbrachte und mittlerweile ausverkauft ist). Für Ablehnungen gibt es viele Gründe, der Hauptgrund ist aber schlicht Konkurrenz: Was man nicht in den Artikeln liest, ist dass es mittlerweile (glücklicherweise)  viele gute Autoren mit noch mehr hervorragenden Spielen gibt, die alle auf den Markt drängen. Warum liest man das nicht? Um potentielle Jungautoren nicht abzuschrecken? Stehen andere Interessen dahinter? Ich weiß es nicht, aber ich halte es für wichtig, dass Neuautoren mit realistischen Erwartungen an den Markt rangehen. Und realistisch heißt: Die Chance für eine Veröffentlichung ist -egal wie gut das Spiel sein mag – erst einmal klein. Man kann (und sollte) sie durch konzentrierte Arbeit erhöhen, aber man muss sich klarmachen, dass selbst ein Knizia nur etwa 10% seiner Spiele veröffentlicht (hatte ich mal in einem Interview gelesen, leider finde ich die Quelle nicht mehr….). Ein Gewinner des Spieleautoren-Förderpreises schrieb mal im Forum, dass er frustriert ist, dass Verlage wohl nur absolut perfekte Spiele annehmen würden.

Eine Veröffentlichung ist also keine Frage des „ausreichend testen“ und „nicht MÄDN kopieren“ -diese Dinge sind trivial – sondern vielmehr eine Frage der Qualität, der Beharrlichkeit und nicht zuletzt des Glücks.

ciao
peer
P.S.: Eine neue Rezi ist online: dixit Odyssey

Peer Sylvester
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5 Kommentare

  • Was ist Qualität? Was ist gut? Was unterscheidet das gute vom sehr guten Spiel? Kann es ein Redakteur erkennen? Denken wir Spieleautoren noch nicht massentauglich genug?

  • Mit dem Thema „Redaktionen“ hab ich mich vor kurzem beschäftigt: https://www.spielbar.com/wordpress/2011/06/05/2240 Auch Redakteure praktizieren Blindflug, sind allerdings etwas erfahrener als der durchschnittliche Autor – schon allein wegen der Vergleichsmöglichkeiten.
    Ich denke viele Spiele sind nicht massentauglich und werden deshalb nicht veröffentlicht – nur was heißt „massentauglich“? Ohne Nischenspiele wie Maria oder The Resistance wäre die Spielelandschaft sehr arm.

  • Den m.E. wichtigsten Punkt hast du im OP schon benannt. Konkurrenz. Es geht gar nicht um die objektive Qualität eines Spiels, wie auch immer die bemessen werden mag. Nehmen wir an, das Spiel passt genau in ein Schema dessen, was der Verlag in naher Zukunft veröffentlichen möchte – ja, schon mal super! Und dann besteht es auch noch bei allen möglichen testrunden – nochmal super. Und dann erweist es sich auch noch als recht preiswert herstellbar, aber für 2 – 7 Spieler hervorragend spielbar – Bingo! Na und? Selbst nach diesem knallharten Durchsetzungskampf stehen dem Verlag immer noch 5 Spiele zur Auswahl für die Position „Familienspiel mittelgroße Schachtel“, von denen er nun mal nur 2 im Jahr veröffentlicht. Und tschüß, weil irgendein letztes Detail – dem Chef gefällt das Thema besser, die Kalkulation ist noch ein bisschen günstiger, oder was weiß ich – eben den Ausschlag gibt.

    Wer über diesen Vorgang meckert, lässt das Anbieten an Verlage am besten sein und veröffentlicht selber. Oder er meckert halt – was auch keinen interessiert. Bessere Chancen erarbeitet er sich so nicht.

    Don`t cry – work.

  • Massentauglich würde ich so definieren, mit wenigen Regeln, aber trotzdem originell, mit viel Spielspaß und mit einem Thema, was nicht ganz so intellektuell daher kommt. Oder es wird als Spiel des Jahres ausgezeichnet!

    Am besten ist ein Spiel, was ein Laie in wenigen Minuten erklären kann und alle haben Lust darauf, es zu spielen und sagen: Oh, wie originell. Praktisch die Quadratur des Kreises

  • So rum geht das natürlich nicht: ein Spiel muss kein MÄDN-Klon sein, ich muss mich im Markt auskennen, der Proto muss ausreichend oft getestet worden sein… dann wird das Spiel auch verlegt. Aber andersrum ist es durchaus richtig: ein MÄDN-Klon ruft bei Verlagen keine Begeisterung hervor, ohne Marktkenntnis sinken die Veröffentlichungschancen deutlich, unzureichend getestete Protos kommen nicht weit. Das sind Selbstverständlichkeiten, die anhaltend nicht beachtet werden, aus Gründen, die mit der menschlichen Psychologie zu tun haben müssen.
    Beharrlichkeit ist natürlich wichtig, vor allem für Menschen „wie du und ich“, die nicht genial sind, aber auch mal ’ne gute Idee haben. Qualität – na klar, was sonst (obwohl wir uns an konkreten Beispielen lange darüber unterhalten könnten, was genau Qualität ist). Und ohne Glück gelingen wenige Dinge.
    Ich kenne das Phänomen von Bewerbungen: wenn die einen Mindeststandard nicht erfüllen, haben sie keine Chance. Das ist 1000 mal aufgeschrieben worden. Und immer noch machen es hunderte Bewerber falsch. Also Jungautoren: keine MÄDN-Klone, Markt ansehen, Protos testen… Nur dann werden eure Entwürfe überhaupt zur Kenntnis genommen. Was nicht heißt, dass sie sofort umgesetzt werden.