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Gastartikel von Ralf Gringmuth: Zu Unrecht verkannt

Vorwort von Peer: Wie keine Verlagsvorstellung heute? Nein! Diesen Donnerstag erscheint endlich der erste Teil eines Gastkommentares. Aber heute ist doch gar nicht Donnerstag? Äh ja, stimmt. Hatte gestern keine Zeit *hüstel*. Jedenfalls geht es jetzt los und wir bitten um Feedback!

Serie über zu wenig gewürdigte Persönlichkeiten der Spielewelt

Motto dieser kleinen Reihe :

Diese Texte sind subjektiv. Aber sie versuchen, dem jeweiligen Gegenstand der Betrachtung gerecht zu werden.

Einführung: Weshalb gibt es diese Artikelserie?

Bevor ich auf die Eingangsfrage näher eingehe, möchte ich mich meinen zukünftigen Lesern kurz vorstellen, denn über München hinaus bin ich wahrscheinlich den wenigsten bekannt. Mein Name ist Ralf Gringmuth, ich wurde 1966 in Kempten geboren, und bin gelernter Buchbinder. Ab den 90er Jahren arbeitete ich in vielen Bereichen, u.a. als Erdbeerpflücker in England und als Landschaftsgärtner in Bayern. Seit Ende der 90er Jahre gebe ich unregelmässig Literaturkurse, meist mit den Schwerpunkten Thriller oder Historischer Roman. In München trete ich des öfteren öffentlich auf und lese aus einer Novelle oder einem Essay vor. Die grösste Veranstaltung dieser Art war eine szenische Lesung meiner Novelle „Das Monster von Nantes“ mit insgesamt sechs unterschiedlichen Sprechern.

Neben anderen Leidenschaften stelle ich seit 2006 anderen Menschen immer mal wieder Spiele von mir vor: Spieler, Spieleautorenkollegen, Redakteuren. Im Gegensatz zu vielen anderen Nachwuchs-Spieleautoren will ich mit meinen Brettspielen nichts außergewöhnliches vollbringen. Wenn ein paar Kinder eins meiner Spiele spielen, und ein paar Strategen meine anderen Sachen, dann bin ich vollauf zufrieden.

Nun gibt es aber Kollegen, die es im Gegensatz zu mir nicht nebenbei machen, sondern vom Spielemachen leben wollen. Und für die ist es ein Schlag ins Kontor, wenn die Jury ‚Spiel des Jahres’ sie (leider) wieder einmal nicht würdigt – mit eben diesem Preis, dem berühmten roten Pöppel auf der Spieleschachtel, der die Verkäufe ins Unermessliche steigert.

Daß einer der Kollegen, dem ich es seit Jahren gönne, dieses Jahr wieder mal knapp an einer Auszeichnung vorbeischrammte, schmerzt und tut weh. Es war für mich der Anlass, mich mal grundsätzlich zu fragen: woran liegt so eine Nicht-Auszeichnung? Und: ist das alles nur viel Wind um nichts, wenn man die Entscheidungen der Jury in Frage stellt, bzw. hat sie vielleicht in manchen Dingen sogar recht, wenn man die Spiele dann mal näher unter die Lupe nimmt und vergleicht?

Die Antwort auf die oben gestellte Frage (weshalb gibt es diese Artikelserie?) führt also zu einer Reihe weiterer Fragen. – Natürlich wird es im Rahmen von ‚Zu Unrecht verkannt’ nicht ausschließlich um Autoren und diese eine Auszeichnung drehen. Da sie aber für Spieleautoren – insbesondere diejenigen, die regelmässig veröffentlichen – und Verlage ganz wichtig ist, sei ihr in dieser Reihe breiter Raum eingeräumt.

Ganz von selbst ergibt sich aus der Tätigkeit der angesprochenen Personen, dass ihr Werk, sprich: die von ihnen gefertigten, herausgebrachten oder besprochenen Spiele im Mittelpunkt dieser Reihe stehen werden. In manchen Artikeln kann der Eindruck entstehen, dass es sehr technisch wird, weil ich ab und an auch mal verschiedene Produkte miteinander vergleiche.

Ich möchte meine bescheidenen Anmerkung hier nicht zu hoch hängen. Darum geht es mir nicht darum, zu sagen: Autor X oder Spiel Y hat dieses oder jenes zur Spielgeschichte beigetragen. Das kann man einem anderen Ort sicher besser.

Mein Anliegen ist es, ganz subjektiv auf einzelne Personen und deren Werk (Spiele oder Besprechungen bzw. Auszeichnungen) hinweisen. Natürlich gibt es auch ‚Gesamtkünstler’, deren Werk nicht ganz so einfach zu erfassen ist, weil sie viel für die Spielkultur in Deutschland getan haben und man dies nicht einfach ins Raster „Autor“, „Redakteur“, „Journalist“ oder wie auch immer einfügen kann.

Nicht zuletzt ist es mein Ziel, durch die hier erzielte Aufmerksamkeit, meine Leser dazu zu bringen, das zu machen, was ich auch gemacht habe: sich mit Persönlichkeiten bzw. deren Spielen oder deren Anliegen auseinanderzusetzen. Oder sich einfach die Spiele / Artikel / Bücher besorgen und mal schauen: was macht der Typ eigentlich?

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Da ich meine eigenen Thesen und Fragen gerne überprüfe, wurde die Recherche für diese Reihe zu einem weit ausführlichen Arbeitsgebiet, als ich vorher dachte: denn normalerweise schreibe ich aus bereits vorhandener Kenntnis über einen Gegenstand bzw. Menschen, oder ich lese mich mittels Büchern und Internetrecherche ein. – Nun ging es aber relativ häufig um Spiele, und die kann man nicht einfach ‚nachlesen.’ Ich mußte also, bevor es ans Schreiben ging, mir einige der Spiele besorgen, Spieler einladen und praktisch überprüfen, wie weit haltbar meine theoretischen Thesen waren.

Das war ein sehr interessanter Prozess: dadurch, dass ich so gründlich – aber auch langwierig – an den Aufsätzen arbeitete, versetzte ich mich nicht nur in die Perspektive der jeweiligen Spieleautoren. Zugleich versuchte ich auch, mich (gerade beim ersten Aufsatz) in die Rolle des Verlags zu versetzen und nachzuvollziehen, welche Ziele Redakteur und Graphiker beim Erstellen der Spielregel hatten. – Dadurch, dass ich Spiele aber gründlicher überprüfen musste als der Normalspieler (denn ich wollte ja über sie schreiben, und zwar etwas, das Hand und Fuss hatte), zwang ich mich zu einem genauen und gründlicherem Blick. Selbst die Spiele, die zunächst privat zu meinen ‚Lieblingen’ gehörten, wurden schonungslos analysiert.

Das tat gut. Sicher ist es nicht nett für Autoren und Verlage, dieses oder jenes lesen zu müssen. Aber ich versuchte, stets nur an die Zielgruppe zu denken, und wie das jeweilige Spiel bei ihnen ankommt.

Das war das eine Ziel. – Das Andere enstand erst während der Arbeit an den ersten beiden Aufsätzen, als ich merkte, dass es noch mehr ‚zu Unrecht verkannte’ Persönlichkeiten in der Spielewelt gibt.

Immer wieder spreche ich Leute aus der Szene auf bestimmte Personen an – und schon der Name des Betreffenden ist ein Reizthema. Dabei handelt es sich in der Regel um jemanden, der viel für die Szene geleistet hat. Doch nicht alle können oder wollen dies würdigen. Und es ist ganz menschlich, dass es in einer so kleinen und überschaubaren Szene, wo fast jeder jeden kennt, dass es hier Eifersüchteleien, Futterneid und Erfolgsdruck gibt. – Dieser Druck ist insbesondere bei den hauptberuflichen Spieleautoren da, denn sie müssen ja davon leben.

Aber auch Journalisten sind sich gegenseitig manchmal nicht besonders grün, wenn man an den Zoff denkt, den es vor etwa 10 Jahren gab, als etliche Jurymitglieder der Jury Spiel des Jahres Reformen innerhalb dieses Spiel-des-Jahres-Kreises anmahnten und schliesslich gemeinsam aus der Jury austraten.

Mittlerweile sehe ich es übrigens als sehr positiv an, dass es nur ca. zwanzig hauptberufliche Spieleautoren gibt. Denn es ist außerordentlich schwer, über Jahre hinweg, ein gleichbleibend hohes Niveau zu halten und ein gutes Spiel nach dem anderen auf den Markt zu bringen.

Da ist mir das andere Extrem dann fast schon lieber: Autoren, die sehr selten veröffentlichen – was sie aber herausbringen, das hat Hand und Fuss… und ist vielleicht schon fast genrebildend.

Darum schätze ich die Spiele ‚La Citta’ und ‚Giganten’ beide sehr, denn diese Spiele sind grossartig und in ihrer Art nahezu unübertrefflich. Schade freilich, dass die beiden Spieleautoren Gerd Fenchel und Wilko Manz nur so wenige Spiele veröffentlicht haben. Diese beiden erwähne ich deswegen vorab, weil ich zu wenig über sie weiß, um jetzt schon über sie schreiben zu können. Und ein einziges, bekanntes Spiel als Grundlage ist mir hier halt auch zu wenig. (Wer mich, wie hier im Falle Fenchel, auf mehr veröffentlichte Werke von ihm hinweist, bereitet mir eine grosse Freude. Vielleicht gibt’s ja doch noch mehr im Bereich der Erwachsenenspiele, und ich hab’s nur nicht gefunden).

Nun, bei den Spieleautoren, die ich in dieser Serie beschreibe (es kommen auch kreative Persönlichkeiten aus dem Bereich Verlag und Journalismus dran) gibt es manche, deren Namen oder Gesicht noch nicht allen Spielern bekannt ist. – Sie kritisch zu würdigen, ihre Lichtseiten einem grösseren Publikum zu offenbaren, ist mir ein Anliegen. Daß ich dabei allen, die mir Vorbild sind, versuche, möglichst gerecht zu werden, und sehr leidenschaftlich für sie Partei ergreife, zugleich aber nicht blind gegenüber ihren Schwächen bin, ist mir wichtig.

Denn hier findet nicht, wie ein bekannter Entertainer einmal gesagt hat, „die ultimative Lobhudelei“ statt, sondern ich möchte stets eine Persönlichkeit als Ganzes erfassen. Daß ich dabei öfters mal eine Nase etwas länger zeichne als sie ist, gewisse Charakterzüge überhöhe, oder mit den Mitteln des Vergleichs – manchmal sogar mit Analogien zum Comic und zur Theaterbühne – Gestalten stärker herausarbeite, so wie ein Künstler mit dem Zeichenstift Konturen und Schatten eines Menschen auf das Papier bringt, dazu bekenne ich mich ausdrücklich.

Das ist echt spielerisch, und ich gestatte mir, ab und zu ins scheinbar Unseriöse und Irrlichternde abzugleiten, nur für einen Augenblick lang, bis der oder die Porträtierte wieder im vollen Scheinwerferlicht ernst und würdig auf der Bühne steht.

Nun denn, packen wir’s an!

(Im September erscheinen voraussichtlich die ersten beiden Folgen).

4 Kommentare

  • Gerd Fenchel hat noch Kraut & Rüben bei Kosmos 1998 rausgebracht. Eher ein Familien- als ein Vielspieler-Spiel, aber Spaß hatten wir immer damit.

    Wilko Manz hat noch Fifth Avenue bei Alea 2004 rausgebracht. Das ist bei uns aber eher durchgefallen.

  • ahem… was für ein geistiger Dünnpfiff ist DAS denn? Bitte, bitte, bitte stoppen! Peers Notizen sind klasse, aber DAS hier ist totale Grütze. Oder zusammengefasst: „“.
    Danke,
    Stefan

  • Ich bin schon sehr gespannt auf die nächsten Beiträge von Ralf! Ein wenig über die Personen „dahinter“ zu erfahren, war seinerzeit auch schon einer meiner Wünsche in der Spielbox-Leserumfrage…